HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 962
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 264/14, Urteil v. 12.08.2014, HRRS 2014 Nr. 962
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 28. Januar 2014 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründet wird, hat keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der später Geschädigte M. mit den nichtrevidierenden Mitangeklagten G., Gü. und S. Streit wegen gegenseitiger Geldforderungen. Er selbst hatte seit längerem seine Mitgliedsbeiträge für den Motorradclub "M." nicht bezahlt, dem er und die drei Mitangeklagten sowie der Angeklagte angehörten, der als "Präsident" des Motorradclubs fungierte. Außerdem verlangte Gü. von ihm noch die Bezahlung eines Tattoos und die Rückerstattung von Auslagen. Am Abend des 24. Februar 2012 entschlossen sich die drei Mitangeklagten, M. zur Rede zu stellen und erforderlichenfalls mit Gewalt zur Schuldenbegleichung zu zwingen. Sie suchten M. in dessen Wohnung auf und drängten ihn ins Wohnzimmer, wo G. und Gü. ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzten; zudem trat ihm Gü. zweimal mit dem Fuß gegen den Kopf. Während der Gewalttätigkeiten forderten G. und Gü. den Geschädigten wiederholt zur Begleichung seiner Schulden auf; S. sicherte unterdessen durch seinen Verbleib an der Wohnungstür, dass der Geschädigte nicht fliehen konnte. Weil M. den Forderungen nicht nachgab, zwangen ihn die drei Mitangeklagten dazu, mit ihnen in einem Pkw zur Club-Gaststätte des Motorradclubs zu fahren, damit er dort in einer Clubversammlung Rede und Antwort stehe. Weil sie dort niemanden antrafen, fuhren sie nach einem Telefonat mit dem Angeklagten in die Nähe von dessen Wohnung, wo dieser zustieg. Der Angeklagte sah, dass M. bereits im Gesicht verletzt war, und erfuhr spätestens jetzt gesprächsweise von dessen Weigerungshaltung. Um die Ausweglosigkeit der Situation des Geschädigten M. noch zu verstärken, kamen der Angeklagte und die Mitangeklagten überein, die Schuldenangelegenheit an einem ruhigeren Ort zu "klären", und fuhren mit ihm zu einem abgelegenen Waldstück. Dort forderte der Angeklagte den Geschädigten M. auf, sich niederzuknien, und versetzte ihm sodann einen schmerzhaften Kniestoß gegen das Ohr, um den Geldforderungen weiteren Nachdruck zu verleihen; G. gab dem Geschädigten einen wuchtigen Stoß in den Schulterbereich. Zu weiteren Tätlichkeiten kam es nicht mehr, nachdem der Angeklagte einen Anruf erhalten und den Mitangeklagten bedeutet hatte, aufbrechen zu müssen. Auf der Rückfahrt forderte der Angeklagte den Geschädigten M. erneut zur Zahlung auf und verlangte von ihm, sich noch am selben Abend wegen einer Geldübergabe zu melden. Hierzu kam es nicht mehr, weil sich M. an die Polizei wandte.
Bei der rechtlichen Würdigung hat das Landgericht zur mittäterschaftlichen Tatbegehung ausgeführt, dass sich jeder der Angeklagten die Tatbeiträge der anderen auch insoweit "als eigene zurechnen" lassen müsse, als er "im Konkreten nicht selbst gehandelt" habe (UA S. 16 f.). Im Rahmen der Strafzumessung ist dem Angeklagten strafmildernd "zugutegehalten" worden, dass er am Geschehen in der Wohnung des Geschädigten "nicht aktiv beteiligt war" (UA S. 18).
2. Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch wendet, ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3. Das Rechtsmittel führt auch nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs.
a) Allerdings bestehen gegen den von der Strafkammer bei der Strafzumessung wohl unter Einbeziehung der Körperverletzungshandlungen des ersten Handlungsabschnitts zugrunde gelegten Schuldumfang die bereits vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift geäußerten Bedenken. Die Feststellungen des Landgerichts bieten keine Grundlage, auch schon die allein von den Mitangeklagten in der Wohnung des Geschädigten begangene gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dem Angeklagten als Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. An dem diesbezüglichen gemeinsamen Tatentschluss war der Angeklagte nicht beteiligt. Für eine (vom Landgericht auch nicht erörterte) Annahme sukzessiver Mittäterschaft des Angeklagten ist hinsichtlich dieses Geschehensabschnitts - ungeachtet der konkurrenzrechtlichen Beurteilung der Taten durch das Landgericht als Tateinheit - kein Raum. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zieht bei einem Geschehen, welches schon vollständig abgeschlossen ist, das Einverständnis des später Hinzutretenden trotz Kenntnis, Billigung oder Ausnutzung der durch andere Mittäter geschaffenen Lage eine strafbare Verantwortung für das bereits abgeschlossene Geschehen nicht nach sich (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1952 - 3 StR 48/52, BGHSt 2, 344, 346; Beschlüsse vom 24. November 1993 - 2 StR 606/93, NStZ 1994, 123, vom 12. Februar 1997 - 2 StR 28/97, NStZ 1997, 272; Urteil vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, und Beschluss vom 22. Mai 2013 - 2 StR 14/13, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 37).
b) Zwar ist nicht völlig auszuschließen, dass die Bemessung der gegen den Beschwerdeführer erkannten Strafe auf der Zugrundelegung eines zu großen Schuldumfangs beruht, den das Landgericht mit der Erwägung, der Angeklagte habe sich an dem Geschehen in der Wohnung "nicht aktiv" beteiligt, freilich strafmildernd nachhaltig relativiert hat; zudem war dem Angeklagten anzulasten, dass er sich in Kenntnis der bereits erfolgten Misshandlungen an dem weiteren Tatgeschehen beteiligt hatte. Das Urteil hat aber jedenfalls deshalb Bestand, weil die vom Landgericht ausgesprochene Strafe mit Blick auf das Tatbild auf der Grundlage der nicht von einem Rechtsfehler betroffenen Zumessungserwägungen jedenfalls angemessen ist (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Die strengere Bestrafung des Angeklagten im Vergleich zu den Mitangeklagten und die allein ihm versagte Strafaussetzung zur Bewährung sind maßgeblich der unterschiedlichen Vorstrafensituation geschuldet.
Für seine Beurteilung steht dem Senat ein rechtsfehlerfrei ermittelter, vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2008 - 4 StR 226/08, StV 2009, 464, 465, vom 13. Oktober 2009 - 5 StR 347/09, BGHR StPO § 354 Abs. 1a Anwendungsbereich 9, und vom 21. Mai 2014 - 4 StR 144/14). Der Angeklagte hatte auch Gelegenheit, zu der beabsichtigten Entscheidung nach § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO Stellung zu nehmen, die sein Verteidiger für ihn genutzt hat.
HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 962
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2014, 338 ; StV 2016, 106
Bearbeiter: Christian Becker