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HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 511

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 261/12, Urteil v. 11.04.2013, HRRS 2013 Nr. 511


BGH 5 StR 261/12 (alt: 5 StR 555/09) - Urteil vom 11. April 2013 (LG Potsdam)

Rechtsbeugung durch Zusammenziehung von Verfahren zur rechtswidrigen Begründung von Zuständigkeiten zum Erlass von Haftbefehlen (Anforderungen an die Feststellung sachfremder Motive); Rechtsbeugung durch Stellung eines Haftbefehlsantrags seitens eine intern unzuständigen Staatsanwaltes (i.d.R. keine Rechtsbeugung bei materiell-rechtlich vertretbarer Antragsstellung); Beweiswürdigung beim Vorwurf der Rechtsbeugung.

§ 339 StGB; § 2 StPO; § 4 StPO; § 112 StPO; § 125 StPO; § 261 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht für den Rechtsbeugungstatbestand notwendige konkrete Gefahr einer "falschen" Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Richter aus sachfremden Erwägungen die Zuständigkeit an sich zieht, um zu Gunsten oder zu Lasten einer Prozesspartei eine von ihm gewünschte Entscheidung (hier: Erlass eines Haftbefehls) herbeizuführen, die bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften voraussichtlich nicht zu erreichen gewesen wäre. Diese Voraussetzungen sind bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn eine in mit sachwidriger Motivation angemaßter Zuständigkeit getroffene Entscheidung vom zuständigen Richter aufgrund abweichender Sachverhaltseinschätzung, anderer Bewertung eines Beurteilungsspielraums oder abweichender Ermessensausübung anders hätte getroffen werden können, wie der unzuständige Richter weiß.

2. Ist die Stellung eines Haftbefehlsantrags materiell-rechtlich vertretbar, kann sie im Hinblick auf ihren Inhalt nicht als Beugung des Rechts gewertet werden. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Begründung in jeder Hinsicht tragfähig ist. Weder eine unzulängliche noch eine in Teilen fernliegende Antragsbegründung vermögen für sich genommen einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB zu begründen, wenn die beantragten gerichtlichen Maßnahmen - wie hier - im Ergebnis vertretbar waren und auch die Antragstellung als solche nicht gegen Verfahrensvorschriften verstieß; denn die Antragsbegründung selbst entfaltet keinerlei Außenwirkung und vermag somit allein keinen mit dem Recht unvereinbaren Zustand zu schaffen.

3. Ein in der Stellung eines Haftbefehlsantrags durch einen unzuständigen Staatsanwalt liegender Verstoß gegen die interne staatsanwaltschaftliche Zuständigkeitsverteilung kann ohne das Hinzutreten weiterer sich hieraus ergebender Rechtsverstöße keine Beugung des Rechts darstellen. Ein der an sich zuständigen Staatsanwaltschaft angehörender Oberstaatsanwalt ist nach außen hin befugt, die Haftbefehlsanträge zu stellen. Die Zuwiderhandlung gegen die innerhalb seiner Behörde geltenden Zuständigkeitsabgrenzungen bewirkt - unabhängig von der Frage nach dem Vorliegen einer beamtenrechtlich relevanten Dienstpflichtverletzung - keine Verletzung materiellen oder prozessualen Rechts.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 8. Dezember 2011, soweit es den Angeklagten M. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der den Angeklagten M. betreffenden Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die den Angeklagten P. betreffenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger werden verworfen.

Die Kosten der den Angeklagten P. betreffenden Revision der Staatsanwaltschaft sowie die ihm im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

Gründe

Das Landgericht hatte die Angeklagten jeweils wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit schwerer Freiheitsberaubung zu Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, verurteilt und wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung einen Teil der Strafen als vollstreckt erklärt. Der Senat hat diese Erkenntnis durch Beschluss vom 7. Juli 2010 (5 StR 555/09, StV 2011, 463) aufgehoben.

Das Landgericht hat die Angeklagten nunmehr freigesprochen. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger führen hinsichtlich des Angeklagten M. mit der Sachrüge zum Erfolg. Soweit die Revisionen den Angeklagten P. betreffen, sind sie hingegen unbegründet.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte M. führte als Richter am Amtsgericht Eisenhüttenstadt den Vorsitz in einer Schöffensache gegen den damals angeklagten Nebenkläger A. Diesem wurde zur Last gelegt, als Nachlasspfleger in sechs Nachlassverfahren Vermögen von über 430.000 € veruntreut zu haben. Eine detaillierte Darstellung der veruntreuten Beträge, insbesondere zu Kontoauswertungen oder sonstigen Beweismitteln zu Entnahme und Verbleib der Nachlassgelder, enthielt die Anklageschrift nicht. Ungeachtet dieser Mängel hatte die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) das Verfahren vor dem Schöffengericht eröffnet; eine höhere Straferwartung als vier Jahre Freiheitsstrafe bestehe gegenüber dem - während mehrerer Monate vollzogener Untersuchungshaft - weitgehend geständigen A. nicht.

Als sich der Nebenkläger Rechtsanwalt R. als (zusätzlicher) Verteidiger des A. anzeigte, erregte dies den Argwohn des Angeklagten M. Er wusste, dass A. seine Tätigkeit als Nachlasspfleger in den Kanzleiräumen des Nebenklägers R. ausgeübt hatte; zudem war ihm aufgrund einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft bekannt, dass gegen R. ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche eingeleitet worden war, weil er von A. Nachlassgelder in Kenntnis von deren rechtswidriger Herkunft erhalten habe. M. war bewusst, dass der Strafvorwurf gegen R. wegen Geldwäsche rechtlich davon abhing, ob A. die Untreuehandlungen gewerbsmäßig begangen hatte.

M. beschloss, eine Sachverständige mit der Untersuchung zu beauftragen, in welchem Ausmaß A. durch seine Aktienspekulationen die einzelnen Nachlässe geschädigt habe. Den Auftrag erweiterte er dahin, auch zu prüfen, ob R. nach Lage der Akten an den Taten des A. beteiligt gewesen sei. Eine Anregung des Dezernatsvertreters des Angeklagten M. an die Staatsanwaltschaft, einen Antrag auf Ausschluss von Rechtsanwalt R. als Verteidiger nach §§ 138a, 138c StPO zu prüfen, blieb ohne Ergebnis. Die Staatsanwaltschaft stellte zwar ohne nähere Begründung einen entsprechenden Antrag, den sie jedoch nach Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft zurücknahm, dass der Antrag nicht den Begründungserfordernissen entspreche.

Die Hauptverhandlung gegen A. begann am 16. Dezember 2004 und war vom Angeklagten M. mit Blick auf ein erwartetes Geständnis A. s auf zwei Sitzungstage terminiert. Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft war zunächst Staatsanwalt B. Dieser beantragte die Einvernahme des weiterhin als Verteidiger auftretenden R. als Zeuge und legte M. hierzu einen Fragenkatalog vor, um Erkenntnisse bezüglich der Geldflüsse zwischen R. und A. zu erhalten. B. hatte zuvor auch ein Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau des Nebenklägers A., Ad., wegen Geldwäsche eingeleitet, weil es Anhaltspunkte dafür gab, dass auch sie veruntreute Nachlassgelder erhalten hatte.

Die Hauptverhandlung war - bei noch ausstehendem Gutachten der Sachverständigen - geprägt durch Nachermittlungshandlungen gegen A. und Ermittlungshandlungen gegenüber R., bei dem insbesondere mehrere Durchsuchungsmaßnahmen, auch in Anwesenheit M. s, vollzogen wurden. Im Mittelpunkt stand dabei der Erwerb eines hochwertigen Pkw BMW, der von A. seit 2001 benutzt wurde; Halter des Fahrzeugs war aber R., der die Anschaffungskosten steuerlich über seine Kanzlei geltend gemacht hatte. Das Fahrzeug kam als Sicherungsmittel für etwaige Geschädigte in Betracht, was aber voraussetzte, dass es mit inkriminierten Geldern erworben worden war.

Über die Verteidigung wurden - so auch am ersten Hauptverhandlungstag - mehrere Ablehnungsgesuche gegen M. gestellt, die zumindest zum Teil der Verfahrensverschleppung dienten "und bisweilen laienhaft wirkende Begründungen enthielten"; zudem vertrat Rechtsanwalt R. "bizarre" Rechtsansichten mit Blick auf den Strafvorwurf. Nach Verlesung des Anklagesatzes machte A. von seinem Schweigerecht Gebrauch.

Für das Prozessverhalten A. s machte M. in erster Linie Rechtsanwalt R. verantwortlich, der nach seiner Meinung damit verhindern wollte, wegen eigener Beteiligung an dessen Taten belangt zu werden. M. fasste daher nach dem ersten Verhandlungstag den Entschluss, "dass Rechtsanwalt R. der Teilnahme an den Taten des A. überführt und sein Ausschluss aus dem Strafverfahren erreicht werden müsse" (UA S. 21).

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete M. am 5. Januar 2005 unter anderem die Durchsuchung der Kanzleiräume von R. nach Buchhaltungs- und Steuerunterlagen an. Er zog bei der Einsatzbesprechung auch Beamte der Steuerfahndung hinzu und nahm selbst an den Durchsuchungen teil, wobei er die Beweismittelrelevanz von Unterlagen prüfte. M. fand hierbei einen Darlehensvertrag aus Februar 2001, wonach Ad. Rechtsanwalt R. ein Darlehen über 85.000 DM gewähren werde, und eine weitere handschriftliche Vereinbarung zwischen R. und Ad. aus Februar 2001 über die Rückabwicklung des Darlehens bei Rückgabe des Pkw BMW. Auf telefonischen Antrag des angeklagten Oberstaatsanwalts P., der ab 6. Januar 2005 als Sitzungsvertreter bei den weiteren Hauptverhandlungsterminen vorgesehen war, ordnete M. die Beschlagnahme des Pkw BMW an, unter anderem weil das Fahrzeug voraussichtlich der Einziehung oder dem Verfall unterliege.

Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt vor dem 7. April 2005 erfuhr M., dass A. am 11. Januar 2005 im Rahmen eines Zivilverfahrens eine eidesstattliche Versicherung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse abgegeben hatte, wonach er von seiner Ehefrau Ad. getrennt lebe, was nach Auffassung M. s nicht zutraf.

Am 14. Februar 2005 wurde M. mit 90 % seiner Arbeitskraft an das Landgericht Frankfurt (Oder) abgeordnet; mit seiner verbleibenden Arbeitskraft sollte er das Verfahren gegen A. beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt zum Abschluss bringen. Das Präsidium des Amtsgerichts änderte dementsprechend den Geschäftsverteilungsplan unter anderem dahin, dass Richter am Amtsgericht T. - neben Richterin am Amtsgericht Pe. in wöchentlichem Wechsel - als Ermittlungsrichter zuständig wurde. Das Landgericht konnte nicht feststellen, dass der Angeklagte P. von dieser Änderung der Geschäftsverteilung Kenntnis erlangt hat.

Im Hauptverhandlungstermin am 10. März 2005 wurde R. als Zeuge vernommen; er gab an, den Pkw BMW vollständig bar bezahlt zu haben. Die Frage, ob ein Pkw Opel Calibra der Ad. in Zahlung gegeben worden sei, verneinte er wahrheitswidrig. Nach Belehrung gemäß § 55 StPO gab er Erklärungen zum Hintergrund des Darlehensvertrages und der Rückabwicklungsvereinbarung aus Februar 2001 ab.

Abweichende Angaben hierzu hatte Ad. in einer Beschuldigtenvernehmung bei der Polizei gemacht, wie ein Polizeibeamter als Zeuge in der Hauptverhandlung vom 24. März 2005 bekundete. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung beschwerte sich der neuerlich als Zeuge einvernommene Nebenkläger R. über die Art und Weise der bei ihm durchgeführten Durchsuchungen; diese seien nicht nach den Vorschriften der StPO erfolgt. M. entgegnete ihm darauf "mit der als Scherz gemeinten Bekundung, die Durchsuchung sei auf Grundlage der ‚HPO' (der [Eisen-] Hüttenstädter Prozessordnung) erfolgt, die mit der Vollstreckung beginne" (UA S. 30). R. bekundete als Zeuge im Anschluss daran, dass er den inzwischen beschlagnahmten Pkw BMW am 30. Dezember 2004 an Ad. veräußert habe; er würde den Vertrag im nächsten Hauptverhandlungstermin vorlegen.

Die Angeklagten M. und P. waren aufgrund der für sie erstaunlichen Bekundungen von R. davon überzeugt, dass es sich bei dem behaupteten Kaufvertrag, sollte er vorgelegt werden, um einen "Scheinvertrag" handeln würde. P. fertigte daher bis zum nächsten Hauptverhandlungstermin am 7. April 2005 jeweils einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gegen R., Ad. und A. Er beabsichtigte diese Anträge für den Fall der Vorlage des behaupteten Kaufvertrages durch R. zu stellen, sofern dieser den Verdacht, dass es sich um einen Scheinvertrag handele, nicht ausräumen könne.

Im Hauptverhandlungstermin vom 7. April 2005 wurde R. erneut als Zeuge einvernommen. Er überreichte eine Kopie eines auf den 30. Dezember 2004 datierten Kaufvertrages zwischen ihm und Ad. bezüglich des Pkw BMW über 20.000 € und eine auf den 3. Januar 2005 datierte Aufrechnungserklärung, die eine Teilaufrechnung der Kaufpreisforderung mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch der Käuferin Ad. enthielt. Auf Frage gab er an, dass sich der Kaufvertrag bei der Durchsuchung am 5. Januar 2005 in der Buchhaltung seiner Kanzlei befunden habe.

Sowohl der Angeklagte P. als auch der Angeklagte M. glaubten der Schilderung des Zeugen R. nicht. Beide waren der Auffassung, dass der Kaufvertrag rückdatiert und erst nach der Durchsuchung gefertigt worden sei. Sie meinten zudem, der Kaufvertrag diene der Verschleierung der Eigentumsverhältnisse an dem sichergestellten Fahrzeug und der Umstände seines Erwerbs aus veruntreuten Nachlassgeldern im Jahre 2001.

M., der wusste, dass P. im Falle der Vorlage des Kaufvertrages durch R. Haftbefehlsanträge stellen würde, sofern R. die Vorgänge nicht schlüssig erklären konnte, erhob sich, wies auf R. und rief: "Sie sind festgenommen!", woraufhin im Zuschauersaal Applaus aufbrandete. Er ordnete ebenfalls die Festnahme A. s und dessen nicht im Sitzungssaal befindlicher Ehefrau Ad. an. Als ein Justizwachtmeister Rechtsanwalt R. Handfesseln anlegen wollte und dieser erklärte, das sei wirklich nicht nötig, er werde nicht fliehen, rief M. dem Wachtmeister zu: "Das volle Programm!". R. und A. wurden in Handfesseln abgeführt; die Hauptverhandlung wurde unterbrochen.

Danach übergab P. die drei von ihm vorbereiteten, auf den 7. April 2005 datierten, sämtlich an das Schöffengericht des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt adressierten Anträge auf Erlass von Haftbefehlen gegen den damaligen Angeklagten A. sowie gegen die damaligen Beschuldigten R. und Ad. ; die Ermittlungsakten gegen R. und Ad. legte er nicht vor. Hinsichtlich des damaligen Angeklagten A. stützte P. den Haftbefehlsantrag auf den dringenden Tatverdacht der Untreue in sechs Fällen und nahm mit Blick auf die Straferwartung und den Verlauf der Hauptverhandlung Flucht- sowie Verdunkelungsgefahr als Haftgründe an. Dem damaligen Beschuldigten R. legte P. Geldwäsche und uneidliche Falschaussage zur Last und führte als Haftgründe ebenfalls Verdunkelungs- sowie Fluchtgefahr an. Gegen die damalige Beschuldigte Ad. begründete P. den Haftbefehlsantrag damit, dass sie der Geldwäsche dringend verdächtig sei und Verdunkelungsgefahr bestehe.

M. nahm die Haftbefehlsanträge zu den Verfahrensakten A. s und vergab - obwohl er keine Zuständigkeit als Ermittlungsrichter hatte - bezüglich der Haftbefehlsanträge gegen R. und Ad. jeweils gesonderte Gs-Aktenzeichen. Sodann fertigte er handschriftlich einen Beschluss, in welchem er die beiden Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. zu dem bei ihm anhängigen Strafverfahren gegen A. zur "gemeinsamen Entscheidung gemäß §§ 2, 4 StPO" verband. Anschließend erließ M. unter Anführung aller Aktenzeichen einen (einheitlichen) Haftbefehl gegen A., R. und Ad., jedoch jeweils mit gesonderter Begründung. Im Haftbefehl gegen A. begründete er die Verdunkelungsgefahr wegen gewerbsmäßiger Untreue unter anderem mit dessen Beitrag zur Vorlage des rückdatierten Kaufvertrages und seiner wahrheitswidrigen Angabe, dauernd von seiner Ehefrau getrennt zu leben. Im Haftbefehl gegen R. nahm M. dringenden Tatverdacht wegen Geldwäsche in Tateinheit mit Begünstigung sowie wegen uneidlicher Falschaussage an. Als Haftgrund wurde Verdunkelungsgefahr durch seine unwahre Zeugenaussage und die Präsentation des rückdatierten Kaufvertrages in Zusammenwirken mit Ad. angenommen. Im Haftbefehl gegen Ad. - die wenige Minuten nach der Festnahme ihres Ehemannes und seines Verteidigers auf ihrer Arbeitsstelle festgenommen worden war - begründete M. den dringenden Tatverdacht wegen Geldwäsche in Tateinheit mit Begünstigung unter anderem damit, dass sie den bei ihr festgestellten Vermögenszuwachs zwischen 1999 und 2005 in Höhe von etwa 100.000 € nicht selbst erwirtschaftet haben könne, so dass als einzige Erklärung hierfür eine Vermögensverschiebung seitens A. in Betracht komme. Für die angenommene Verdunkelungsgefahr führte M. im Wesentlichen die gleiche Begründung wie bei A. und R. an. Im Hinblick auf die hohen Schadenssummen sei die Anordnung der Untersuchungshaft bei allen Beteiligten auch verhältnismäßig.

Am Nachmittag des 7. April 2005 ließ M. nacheinander A., Ad. und R. vorführen und verkündete - in Anwesenheit P. s - die Haftbefehle. Am 8. April 2005 (Freitag) verhandelte M. Zivilverfahren am Landgericht Frankfurt (Oder). Darüber hinaus ordnete er telefonisch die Durchsuchung der Rechtsanwaltskanzlei von R. an, um den Originalkaufvertrag vom 30. Dezember 2004 aufzufinden. Auch veranlasste er die Übersendung der Haftbefehle und verfügte die Mitteilung der Inhaftierung von R. an die Rechtsanwaltskammer. An diesem Tag legten die Verteidiger von A., Ad. und R. beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt Haftbeschwerden ein, über die Richter am Amtsgericht T. sofort M. fernmündlich unterrichtete; dieser erklärte, er werde erst wieder am 11. April 2005 in Eisenhüttenstadt anwesend sein und die Haftbeschwerden bearbeiten. An diesem Tag verfügte M., dass den Haftbeschwerden nicht abgeholfen werde; er veranlasste die Fertigung von Aktendoppeln und - ohne besondere Maßnahmen zur Beschleunigung - deren Vorlage über die Staatsanwaltschaft an das Beschwerdegericht, bei dem die Akten am 12. April 2005 eingingen.

Der Angeklagte P. hatte den Leitenden Oberstaatsanwalt noch am Abend des 7. April 2005 fernmündlich über die Verhaftung von Rechtsanwalt R. in Kenntnis gesetzt. Der Leitende Oberstaatsanwalt veranlasste aufgrund seiner nach Besprechungen und Überprüfungen gewonnenen Überzeugung von der Nichtigkeit des Verbindungsbeschlusses und der Unzuständigkeit des Angeklagten M. als Ermittlungsrichter den Dezernenten Staatsanwalt B. dazu, R. am 14. April 2005 aus der Haft zu entlassen.

M. war hierüber und über B. s korrespondierenden Antrag vom 15. April 2005 auf Aufhebung des Haftbefehls gegen R. empört und beschwerte sich am selben Tag telefonisch beim Leitenden Oberstaatsanwalt. Dieser wies M. s Ansicht, der Verbindungsbeschluss sei zulässig gewesen, ungehalten als geradezu absurd zurück. M. beschloss noch am 15. April 2005 "in dem Straf- und Ermittlungsverfahren gegen A., R. und Ad." die Aufhebung der Haftbefehle gegen A. und Ad., weil sich nach der Haftentlassung von R. der Vollzug der Untersuchungshaft gegenüber den Eheleuten A. als unverhältnismäßig darstelle, und veranlasste deren Haftentlassung. Am 20. April 2005 hob er auch den Haftbefehl gegen R. auf.

Am 20. April 2005 fertigte M. zudem einen Vermerk, wonach unmittelbar vor dem Hauptverhandlungstermin am 7. April 2005 zwischen ihm und der Ermittlungsrichterin Pe. eine Zuständigkeitserörterung stattgefunden habe. In diesem Vermerk führte er aus, dass beide die Geschäftsverteilung des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt dahin auslegten, dass er auch für Maßnahmen gegen Dritte, wie z. B. die Ehefrau Ad. und den Verteidiger Rechtsanwalt R. zuständig sei, wenn sich "die Sache" aus dem Verfahren gegen A. ergebe. Hierüber habe Einigkeit bestanden, und aus diesem Grund hätte Pe., "deren Zuständigkeit sinngemäß behauptet worden sei", ein Tätigwerden gegen Ad. und Rechtsanwalt R. im Hinblick auf die "unbestrittene" Zuständigkeit M. s abgelehnt. Die Ermittlungsrichterin Pe. bestätigte in einem gesonderten Vermerk vom 21. April 2005, dass der Inhalt des Vermerks des Angeklagten M. "in vollem Umfang zutreffe".

Nach weiteren, insgesamt 14 Hauptverhandlungstagen verurteilte das Schöffengericht unter dem Vorsitz von M. den damaligen Angeklagten A. wegen gewerbsmäßiger Untreue in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren; zugleich ordnete es an, dass der Pkw BMW dem Verfall unterliege. Im Berufungsverfahren wurde die Gesamtfreiheitsstrafe auf drei Jahre und drei Monate herabgesetzt; die Verfallsentscheidung kam in Wegfall; zudem wurden wegen "überlanger" Verfahrensdauer ein Jahr und drei Monate der Strafe als vollstreckt erkannt. Das Berufungsgericht vermochte eine gewerbsmäßige Handlungsweise A. s nicht nachzuweisen. Über die von A. gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist noch nicht entschieden worden.

2. Das Landgericht hat die Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Die von ihnen begangenen Verfahrensfehler erfüllten nicht den Tatbestand der Rechtsbeugung (§ 339 StGB); wegen der Sperrwirkung dieses Tatbestandes scheide auch eine Verurteilung wegen schwerer Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB) aus.

a) Die Strafkammer hat bei der Prüfung des Rechtsbeugungstatbestandes beim Angeklagten M. eine Vielzahl möglicher, von ihm begangener Verfahrensfehler erörtert.

Die ihm vorzuwerfenden Verfahrensfehler wögen jedoch im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht so schwer, dass es gerechtfertigt wäre, sein Verhalten als bewusste und gewollte schwerwiegende Entfernung von Recht und Gesetz mit der konkreten Gefahr eines unrechtmäßigen Nachteils für die betroffenen Parteien zu werten.

aa) Sowohl M. - als auch der Richterin am Amtsgericht Pe. - sei bei der Zuständigkeitserörterung vor dem Hauptverhandlungstermin am 7. April 2005 klar gewesen, dass M. beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt nur noch für das Verfahren gegen A. zuständig gewesen sei und er keine über dieses Verfahren hinausgehende Zuständigkeit als Ermittlungsrichter besessen habe (UA S. 47). Die durch die Verfahrensverbindung bewirkte "künstliche" und willkürliche Zuständigkeitsbegründung für die Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. sei der am schwersten wiegende Anhaltspunkt für eine sachwidrige Motivation M. s; der Verstoß stelle eine bewusste Missachtung der grundgesetzlich geschützten Garantie des gesetzlichen Richters dar (UA S. 76). Hinzu komme, dass M. über keine Ermittlungsakten und damit keine gesicherte Tatsachengrundlagen verfügt habe, wodurch sich eine konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Nachteil der Beteiligten eröffnet habe. Dies werde aber dadurch relativiert, dass das bei M. anhängige Strafverfahren sehr eng mit den Ermittlungsverfahren verknüpft war und ihm eine umfassende Kenntnis der Umstände ermöglichte, die für die Prüfung eines Tatverdachts gegen die Beschuldigten R. und Ad. notwendig waren.

bb) Als weitere Indizien für eine sachwidrige Motivation sprächen die Begründung, mit der M. den Haftbefehl gegen A. aufgehoben habe, und seine sich nicht lediglich auf eine richterliche, neutral hoheitliche Tätigkeit beschränkende, sondern insbesondere an der Vorbereitung und Durchführung von Durchsuchungsmaßnahmen orientierende Beteiligung an Ermittlungsmaßnahmen.

cc) Gegen eine sachwidrige Motivation M. s spreche aber, dass die materiellen Voraussetzungen für den Erlass der Haftbefehle erfüllt gewesen seien. Zwar hätte die zuständige Ermittlungsrichterin die Haftbefehle gegen R. und Ad. wegen fehlender Aktenvorlage nicht erlassen können. Die Strafkammer habe sich durch Vernehmung der Zeugin Pe. aber davon überzeugt, "dass diese aufgrund der überlegenen Kenntnis des Angeklagten M. geneigt war, dessen Vorschläge und Anordnungen ohne eigene inhaltliche Überprüfung zu akzeptieren, wie der von ihr unterzeichnete Vermerk betreffend die Zuständigkeiten vom 20. April 2005" zeige (UA S. 79).

dd) Gegen eine sachwidrige Motivation spreche ferner der Fortgang der Verfahren gegen die Beteiligten, die Art und Weise der Verhandlungsführung im Strafverfahren gegen A. im Übrigen und die fernmündliche Beschwerde des Angeklagten M. über die Freilassung von R. gegenüber dem Leitenden Oberstaatsanwalt. In letzterem Umstand sei ein Indiz gegen sachwidrige Motive zu sehen, weil es nach der Lebenserfahrung unwahrscheinlich sei, dass sich jemand, der sich zu seinem Handeln nicht berechtigt fühle, selbst an die Staatsanwaltschaft wende, um auf ein eigenes Fehlverhalten aufmerksam zu machen und so Ermittlungen gegen sich selbst herbeizuführen.

ee) Angesichts der Verhandlungsführung des Angeklagten M. sei es durchaus möglich, dass die von ihm begangenen Fehler teilweise auf Ungeschicklichkeit und mangelnde Beherrschung der Situation zurückzuführen seien. Es sei ihm zugute zu halten, dass er als alleiniger Berufsrichter mit mangelhaften Ermittlungen, einer äußerst schwierigen Prozesssituation mit kompliziertem Prozessstoff und wenig kooperativen Verteidigern konfrontiert war, die ihn fortlaufend attackierten (UA S. 80). Ausreichende Anhaltspunkte für eine sachwidrige Motivation M. s lägen im Ergebnis nicht vor.

b) Hinsichtlich des Angeklagten P. hat die Strafkammer ebenfalls mögliche, von ihm begangene Verfahrensfehler geprüft. Im Rahmen der Gesamtwürdigung seines Verhaltens wertet das Landgericht die fehlende interne Zuständigkeit bezüglich der Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. und die Stellung der gegen sie gerichteten Haftbefehlsanträge als "massive Einwirkung" auf die Ermittlungsverfahren, die ein "bedeutungsschweres" Indiz für eine sachwidrige Motivation darstelle. Gleichwohl sei darin kein derart schwerwiegender Verstoß zu sehen, weil es kein Grundrecht auf einen gesetzlichen Staatsanwalt gebe. Dass M. nicht mehr Ermittlungsrichter war, habe er nicht gewusst. Weil die Beantragung der Haftbefehle und deren Erlass vertretbar, wenn auch nicht zweckmäßig erschienen, sei ein Handeln des Angeklagten P. aus sachfremden Erwägungen nicht gegeben.

II.

Während das freisprechende Urteil hinsichtlich des Angeklagten P. keinen Rechtsfehler erkennen lässt, hält es, soweit es den Angeklagten M. betrifft, sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Zum Angeklagten M.

Die Strafkammer hat ihrer Bewertung des Verhaltens des angeklagten Richters im Ausgangspunkt den zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Jedoch begegnet ihre Beweiswürdigung in einem für die Subsumtion wesentlichen Punkt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Straftatbestand der Rechtsbeugung den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege unter Strafe stellen. Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung stellt eine Beugung des Rechts im Sinne des § 339 StGB dar; vielmehr enthält dieses Tatbestandsmerkmal ein normatives Element. Erfasst werden nur solche Rechtsverstöße, bei denen sich der Täter bewusst und in schwerer Weise von Recht und Gesetz entfernt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 23. Mai 1984 - 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, und vom 29. Oktober 2010 - 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310). Rechtsbeugung kann auch durch die Verletzung von Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften begangen werden. Erforderlich ist jedoch insoweit, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, und vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6; Beschluss vom 7. Juli 2010 - 5 StR 555/09 - in dieser Sache -, StV 2011, 463).

b) Nach diesen Grundsätzen ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Inhalt der erlassenen Haftbefehle als Anknüpfungspunkt für den Rechtsbeugungsvorwurf ausgeschlossen hat. Zutreffend geht das Urteil davon aus, dass der Erlass der Haftbefehle gegen den damaligen Angeklagten A. sowie die Beschuldigten R. und Ad. gemessen am Maßstab der §§ 112, 114 StPO inhaltlich vertretbar war. Näherer Erörterung bedürfen insoweit nur die Annahme des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO) sowie die Frage der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO.

aa) Rechtsfehlerfrei stellt die Strafkammer hinsichtlich A. zunächst darauf ab, dass die Höhe der fehlenden Gelder sowie deren Verteilung auf die einzelnen Nachlässe wegen der unzureichenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen noch unklar waren und erst mit Hilfe von Sachverständigen aufgeklärt werden mussten, "die Wege der veruntreuten Gelder noch offen" waren und darüber hinaus zu klären war, ob der einstweilen beschlagnahmte hochpreisige Pkw BMW dem Verfall unterliege.

Wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, ist auch die Annahme des Angeklagten nicht zu beanstanden, dass es sich bei den zwischen Ad. und dem mit ihrem Ehemann A. eng befreundeten Rechtsanwalt R. geschlossenen Verträgen vom 15. Februar 2001 über ein durch Ad. gewährtes Darlehen von 85.000 DM und den Teilerlass des Rückzahlungsanspruchs für jeden Monat der Nutzung des Pkw BMW durch Ad. sowie bei dem dieses Fahrzeug betreffenden Kaufvertrag vom 30. Dezember 2004 um Scheinverträge handele, die nur dem Zweck der Verschleierung der Herkunft des für die Anschaffung des Pkw aufgewendeten Geldes dienten. Die weitere Annahme, dass der mit R. eng befreundete A. an der Planung und Durchführung dieser Verschleierungsmaßnahmen beteiligt war, ist angesichts des gegen ihn bestehenden Verdachts der Veruntreuung von Nachlassgeldern, durch die unter anderem der fragliche Pkw finanziert worden sein könnte, bei der im Rahmen des § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO zu treffenden Prognoseentscheidung ebenfalls vertretbar. Vor dem aufgezeigten Hintergrund war es trotz der zwischenzeitlich aufgrund der Durchsuchung der Kanzleiräume von R. erfolgten Beweissicherung auch vertretbar anzunehmen, dass A., der nach den Feststellungen bereits unwahre Angaben im Rahmen eines Prozesskostenhilfegesuchs über ein angebliches Getrenntleben von seiner Ehefrau gemacht hatte, mit hoher Wahrscheinlichkeit (weitere) Verdunkelungshandlungen durchführen werde, um das Beweisergebnis zu seinen Gunsten zu verändern. Angesichts der A. zur Last liegenden Untreuehandlungen mit einer Gesamtschadenssumme von mehreren Hunderttausend Euro ist auch gegen die Verhältnismäßigkeit des Haftbefehls nichts Durchgreifendes zu erinnern.

bb) Auch die Annahme eines gegen den damaligen Beschuldigten R. bestehenden dringenden Tatverdachts der Geldwäsche in Tateinheit mit Begünstigung ist nicht zu beanstanden. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass aufgrund der in der Hauptverhandlung festgestellten Einkommensverhältnisse der Eheleute A. eine sehr hohe Verdachtslage dahingehend bestand, dass Zuwendungen an R. (bzw. über ihn umgeleitete Aufwendungen für die Anschaffung des Pkw BMW) in Höhe von zumindest 70.000 DM aus veruntreutem Nachlassvermögen herrührten. Die Annahme von Verdunkelungsgefahr ist aus den bereits dargelegten Gründen auch hinsichtlich des Rechtsanwalts R. vertretbar; der Angeklagte M. ging, wie das Landgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, aufgrund einer verständigen Würdigung der Beweislage davon aus, dass R. zur Verschleierung der die seinerzeit verfahrensgegenständlichen Nachlassgelder betreffenden Geldflüsse einen rückdatierten Kaufvertrag erstellt und im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vorgelegt habe. Aufgrund dieser Umstände ist es fern von Willkür, wenn der Angeklagte M. vom Vorliegen dringender Gründe für die Gefahr von Verdunkelungshandlungen ausgegangen ist. Angesichts des oben näher dargelegten Aufklärungsbedarfs gilt dies auch in Ansehung der Tatsache, dass R. der auch gegen ihn bestehende Verdacht seit längerem bekannt war und eine weitgehende Beweissicherung bereits stattgefunden hatte. Insbesondere lag die Gefahr einer Anfertigung weiterer falscher Beweismittel zur Verschleierung der noch nicht aufgeklärten Geldflüsse nicht ganz fern. Dass der Angeklagte M. vom Erlass des Haftbefehls nicht wegen Unverhältnismäßigkeit gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO abgesehen hat, führt - wenngleich insoweit auch eine andere Bewertung nahe gelegen hätte - angesichts des Gewichts der in Rede stehenden Geldwäschehandlung jedenfalls nicht zur Unvertretbarkeit der getroffenen Entscheidung.

cc) Ohne Rechtsverstoß konnte der Angeklagte M. schließlich einen dringenden Tatverdacht der Geldwäsche gegen Ad. annehmen. Dieser ließ sich in Anbetracht des geringen Einkommens der damaligen Beschuldigten Ad. ohne weiteres aus dem vorläufigen Ergebnis der Vermögenszuwachsberechnung und aus der angeblichen Darlehensgewährung an R. herleiten. Wie bei Rechtsanwalt R. konnte aus der Mitwirkung an der Erstellung eines falschen Beweismittels in vertretbarer Weise auf Verdunkelungsgefahr geschlossen werden; angesichts der aufzuklärenden Geldflüsse und der noch in Frage stehenden Eignung des Pkw BMW als Verfallsgegenstand war es keinesfalls abwegig, vom Fortbestehen der Verdunkelungsgefahr auszugehen. Zwar sprach in Bezug auf Ad. viel gegen die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft, namentlich der Umstand, dass sie ein Kleinkind zu versorgen hatte und sowohl im Rahmen der Tatausführung als auch bei der Planung der Verdunkelungsmaßnahmen eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben dürfte. Dies lässt den Erlass des Haftbefehls angesichts der Erheblichkeit des Tatvorwurfs und in Anbetracht des im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung anzulegenden Maßstabs (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 112 Rn. 8) jedoch noch nicht als gänzlich unvertretbar erscheinen.

dd) Ein für den Rechtsbeugungsvorwurf erforderlicher elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege kommt somit allein aufgrund des Inhalts der Haftbefehle nicht in Betracht.

c) Indessen war der Erlass der Haftbefehle gegen R. und Ad. evident verfahrensfehlerhaft, weil der Angeklagte M. für die Entscheidung über die in dem gegen diese Beschuldigten geführten Ermittlungsverfahren gestellten Haftanträge unzuständig war. Nach der Geschäftsverteilung des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt war der Angeklagte M. ab dem 14. Februar 2005 nur noch für das vor dem Schöffengericht anhängige Verfahren gegen A. zuständig. Die Aufgaben des - mangels anderweitiger Bestimmung im Geschäftsverteilungsplan auch für Haftentscheidungen gemäß § 125 StPO zuständigen - Ermittlungsrichters waren, unterteilt nach Kalenderwochen, zwei anderen Richtern übertragen. Ein Vertretungsfall - in dem der Angeklagte M. zudem nicht der als nächster zuständige Richter gewesen wäre - lag zum Zeitpunkt des Erlasses der Haftbefehle nicht vor, da die in dieser Woche zuständige Richterin am Amtsgericht Pe. zugegen war. Für eine Verfahrensverbindung der im alleinigen Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft stehenden Ermittlungsverfahren mit dem beim Schöffengericht anhängigen Verfahren bot § 4 StPO keine Grundlage. Vor diesem Hintergrund ließ sich eine Zuständigkeit des Angeklagten M. für die R. und Ad. betreffenden Haftentscheidungen unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt begründen (vgl. hierzu die in dieser Sache ergangene Senatsentscheidung vom 7. Juli 2010 - 5 StR 555/09, StV 2011, 463). Wenngleich das Landgericht diesen Verfahrensverstoß im Grundsatz richtig erkannt hat, hat es ihn jedoch aufgrund einer unzulänglichen Beweiswürdigung im Rahmen der Prüfung des Rechtsbeugungstatbestandes nicht zutreffend bewertet.

aa) Die bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht für den Rechtsbeugungstatbestand notwendige konkrete Gefahr einer "falschen" Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Richter aus sachfremden Erwägungen die Zuständigkeit an sich zieht, um zu Gunsten oder zu Lasten einer Prozesspartei eine von ihm gewünschte Entscheidung herbeizuführen, die bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften voraussichtlich nicht zu erreichen gewesen wäre (BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6, und vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310). Diese Voraussetzungen sind bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn eine in mit sachwidriger Motivation angemaßter Zuständigkeit getroffene Entscheidung vom zuständigen Richter aufgrund abweichender Sachverhaltseinschätzung, anderer Bewertung eines Beurteilungsspielraums oder abweichender Ermessensausübung anders hätte getroffen werden können, wie der unzuständige Richter weiß.

bb) Die beweiswürdigenden Erwägungen des Landgerichts zu der danach maßgeblichen Frage nach dem Vorliegen sachfremder Motive für die fehlerhafte Zuständigkeitsbegründung durch den Angeklagten M. enthalten einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten.

Kann das Tatgericht die erforderliche Gewissheit von einem bestimmten Sachverhalt nicht gewinnen und spricht es daher den Angeklagten frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Eine Beweiswürdigung ist aber etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert oder nur eine von mehreren gleich nahe liegenden Möglichkeiten erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen könnten. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147, vom 7. November 2012 - 5 StR 322/12 und vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 33/12, jeweils mwN).

An diesen Anforderungen scheitern die Erwägungen des Landgerichts. Die Strafkammer wertet das Vorgehen des Angeklagten M. vor dem Hintergrund der Verbindung einer Haftentscheidung in dem bei ihm anhängigen Strafverfahren mit Haftentscheidungen in Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. als willkürliche Zuständigkeitsbegründung; hierin sieht sie konsequenterweise einen schwerwiegenden Anhaltspunkt für eine sachwidrige Motivation des Angeklagten. Zur Entlastung des Angeklagten M. führt die Strafkammer jedoch aus, sie habe sich bei der Vernehmung der Zeugin Pe. davon überzeugt, "dass diese aufgrund der überlegenen Kenntnis des Angeklagten M. geneigt war, dessen Vorschläge und Anordnungen ohne eigene inhaltliche Prüfung zu akzeptieren, wie der von ihr unterzeichnete Vermerk betreffend die Zuständigkeit vom 20. April 2005 zeigt". Angesichts dessen habe sie nicht feststellen können, "dass der Angeklagte M. beim Erlass der Haftbefehle gegen R. und Ad. gerade deshalb selbst gehandelt hat, um die zuständige Ermittlungsrichterin Pe., die möglicherweise anders entschieden hätte, von der Entscheidung auszuschließen" (UA S. 79).

Indem sich das Landgericht mit diesen Erwägungen an der Feststellung des Vorliegens sachfremder Motive des Angeklagten M. gehindert gesehen hat, hat es in unzulässiger Weise einen Sachverhalt zu Gunsten des Angeklagten unterstellt. Wenngleich bei mehreren nach den gesamten Umständen in Betracht kommenden Möglichkeiten grundsätzlich von der für den Angeklagten günstigeren auszugehen ist, sind andererseits nicht alle nur denkbaren Gesichtspunkte, zu denen keine Feststellungen getroffen werden können, zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen. Vielmehr berechtigen nur vernünftige Zweifel, die reale Anknüpfungspunkte haben, den Tatrichter zu Unterstellungen zu Gunsten des Angeklagten. Die Urteilsgründe müssen daher erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Grundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist (BGH, Urteil vom 11. April 2002 - 4 StR 585/01, NStZ-RR 2002, 243 mwN; 50 vgl. ferner BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 177/12, NStZ-RR 2013, 117).

Hieran fehlt es in Bezug auf die für die Schlussfolgerung des Landgerichts grundlegende Annahme, die Richterin am Amtsgericht Pe. sei geneigt gewesen, ohne eigene inhaltliche Prüfung die Vorschläge und Anordnungen des Angeklagten M. zu akzeptieren. Konkrete Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Richtigkeit dieser Vermutung zu belegen, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Insbesondere kann eine derart weitreichende Unterstellung - eine Richterin werde ohne Aktenkenntnis und ohne eigene Prüfung allein aufgrund der Anweisungen eines Kollegen Haftbefehle erlassen - nicht allein aus dem insoweit seitens der Strafkammer zur Begründung herangezogenen Umstand hergeleitet werden, dass die Ermittlungsrichterin Pe. in Kenntnis der Rechtslage (vgl. UA S. 47) den eine falsche Rechtsauffassung über die Zuständigkeit des Angeklagten M. für die Haftentscheidungen betreffenden Vermerk vom 20. April 2005 bestätigt hat. Hierdurch hat sie zwar nach den Urteilsfeststellungen den Angeklagten bei dessen Zuständigkeitsanmaßung unterstützt. Dies hat indessen bei weitem nicht die gleiche Qualität wie der Erlass von Haftbefehlen durch eine Richterin, die deren Voraussetzungen selbst gar nicht geprüft hat. Während es der Richterin aus verschiedenen denkbaren Gründen gelegen gekommen sein mag, die in Rede stehenden Haftentscheidungen nicht selbst zu treffen, sondern dem Angeklagten M. zu überlassen, bleibt nach den Urteilsfeststellungen unerfindlich, weshalb sie, wenn sie selbst hätte entscheiden müssen, hierbei ohne eigene Sachprüfung ausschließlich nach Vorgaben des Angeklagten M. hätte handeln sollen.

Im Übrigen hätte die Strafkammer in diesem Zusammenhang kritisch erwägen müssen, dass der Angeklagte M. nach den Urteilsfeststellungen (UA S. 47) wider besseres Wissen einen seine Zuständigkeit mit rechtlichen Erwägungen herleitenden Vermerk angefertigt und durch die von ihm beschlossene Verfahrensverbindung die "künstliche Begründung einer Zuständigkeit" (UA S. 76) geschaffen hat, was für sich gegen eine Verneinung sachfremder Motive spricht.

cc) Hinzu tritt hier, dass sich aufgrund im Urteil festgestellter konkreter Hinweise die Möglichkeit aufdrängte, dem Angeklagten könnte es - auch neben einer Ausschließung der tatsächlich zuständigen Richterin - darum gegangen sein, durch die Verhaftung des Rechtsanwalts R. in öffentlicher Verhandlung einen wirkungsvollen Effekt zu erzielen und die Verfahrensbeteiligten zudem durch sein Vorgehen in besonderer Weise einzuschüchtern. Für diese Möglichkeit sprechen jedenfalls die Umstände der Verhaftung des Nebenklägers R. während seiner Zeugeneinvernahme, die vor Beantragung und Erlass des Haftbefehls und ohne eine Bezugnahme auf eine anderweitige Rechtsgrundlage (etwa - den in der Sache freilich fernliegenden - § 183 Satz 2 GVG) erfolgte und sich auch in ihren Begleitumständen des Bestehens auf einer Fesselung und in der sofortigen Veranlassung der Festnahme von Ad. als effektheischende öffentliche Machtdemonstration darstellte. Dieser Gesichtspunkt ist indessen in der Beweiswürdigung des Landgerichts zur Frage sachfremder Motive nicht aufgegriffen worden, so dass die Beweiswürdigung auch wegen der fehlenden Erörterung dieser nahe liegenden Möglichkeit lückenhaft ist.

Auch dieser Beweiswürdigungsmangel wirkt sich entscheidend auf die rechtliche Bewertung des Verhaltens des Angeklagten M. aus. Die von der Strafkammer rechtsfehlerhaft nicht in Betracht gezogene - auf Öffentlichkeitswirksamkeit und Einschüchterung abzielende - Motivlage würde einen sachfremden Beweggrund für die festgestellte Zuständigkeitsanmaßung darstellen, der befürchten ließe, dass die jeweils im Rahmen eines Beurteilungsspielraums zu treffenden Haftentscheidungen ihrerseits von sachfremden Entscheidungen beeinflusst waren. Bereits hierin würde ein Nachteil für die von den Haftentscheidungen Betroffenen liegen, ohne dass es noch darauf ankäme, ob die schließlich getroffene Entscheidung in der Sache rechtlich vertretbar war (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343).

d) Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Freispruchs des Angeklagten M. mit den zugehörigen Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts. Eine - von der Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg angeregte - Entscheidung des Revisionsgerichts über den Schuldspruch scheidet schon deshalb aus, weil die Frage des Vorliegens sachfremder Motive für die durch den Angeklagten begangene Zuständigkeitsanmaßung der erneuten tatgerichtlichen Prüfung bedarf. Auch eine Aufrechterhaltung von Feststellungen kommt von vornherein nicht in Betracht, weil es dem Angeklagten verwehrt war, die ihn belastenden Feststellungen revisionsrechtlich anzugreifen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2012 - 5 StR 536/11, NJW 2012, 2453).

Dies gilt namentlich für die die Grundlage der weiteren Prüfung bildende Feststellung, der Angeklagte habe seine Unzuständigkeit für den Erlass der Haftbefehle erkannt und sich nicht etwa tatsächlich entsprechend der in dem Vermerk vom 20. April 2005 niedergelegten Rechtsauffassung für zuständig gehalten. Diese Frage wird Schwerpunkt der neuen Hauptverhandlung sein.

e) Für diese weist der Senat auf Folgendes hin:

aa) Die Argumentation des Landgerichts, gegen eine sachwidrige Motivation spreche, dass der Angeklagte sich fernmündlich beim Leitenden Oberstaatsanwalt über die Freilassung von R. beschwert habe (UA S. 80), ist zweifelhaft. Die Erwägung, dies deute darauf hin, dass M. sich zu seinem Handeln berechtigt fühlte, steht in einem Spannungsverhältnis zu der Feststellung, er habe um seine Unzuständigkeit für die Haftentscheidungen gewusst. Zudem zieht das Landgericht nicht in Betracht, dass die "Beschwerde" über die Freilassung auch darin begründet gewesen sein kann, dass der Angeklagte M., der sich womöglich durch die von der Staatsanwaltschaft verfügte Haftentlassung bereits dem Vorwurf rechtswidrigen Handelns ausgesetzt sah, nur den Eindruck erwecken wollte, von der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens überzeugt zu sein.

bb) Hingegen sind weitere vom Landgericht festgestellte (vermeintliche) Verfahrensverstöße von vornherein nicht geeignet, den Rechtsbeugungsvorwurf zu begründen, da sie jedenfalls nicht das hierfür erforderliche Gewicht aufweisen.

(1) Hinsichtlich des Haftbefehls gegen A. liegt eine - zumal gravierende - Verletzung des § 29 Abs. 1 StPO nicht vor (vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. April 2003 - 4 StR 506/02, BGHSt 48, 264). Der Unaufschiebbarkeit einer Handlung im Sinne des § 29 Abs. 1 StPO steht die Erreichbarkeit eines Vertreters nicht entgegen; ist die Handlung unaufschiebbar, stellt dies vielmehr eine Ausnahme vom Ausschlussgrund des § 29 Abs. 1 StPO dar, so dass ein Vertretungsfall gerade nicht gegeben ist.

(2) Der beschlossenen Verbindung kommt jenseits der Indizwirkung im Rahmen der Zuständigkeitsanmaßung für den Rechtsbeugungsvorwurf keine eigenständige Bedeutung zu. Hierdurch drohte den Betroffenen für sich kein konkreter Nachteil. Der Angeklagte hat sowohl Ad. als auch R. in dem nach der Verbindung stattfindenden Hauptverhandlungstermin vom 14. April 2005 als Zeugen vernommen und nicht etwa als Beschuldigte oder gar als Angeklagte des laufenden Verfahrens vor dem Schöffengericht behandelt. Den Verbindungsbeschluss hat er schließlich am 29. April 2005 mit der Begründung aufgehoben, die Verbindung sei nach Aufhebung des Haftbefehls gegenstandslos.

(3) Auch die richterlichen Handlungen des Angeklagten M. im Zusammenhang mit den Durchsuchungen der Kanzleiräume des Rechtsanwalts R. scheiden als Anknüpfungspunkt für den Vorwurf der Rechtsbeugung jedenfalls mangels der hierfür erforderlichen Schwere des Verstoßes aus. Eine Zuständigkeitsanmaßung liegt auch hinsichtlich der zweiten Durchsuchungsanordnung nicht vor, da die zu suchenden Beweismittel gerade auch in dem von M. geführten Verfahren gegen A. Bedeutung erlangen konnten, so dass der Angeklagte als Vorsitzender des Schöffengerichts in diesem Verfahren Durchsuchungen gemäß §§ 102, 103 StPO anordnen konnte.

(4) Das - auch vom Landgericht nicht als Verfahrensverstoß gewertete - Unterlassen einer Bearbeitung der Haftbeschwerden schon am 8. April 2005, an dem sich der Angeklagte M. zur Verhandlung von Zivilverfahren in Frankfurt (Oder) befand, kann jedenfalls nicht als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege gewertet werden. Der Angeklagte hat die Beschwerden innerhalb der Dreitagesfrist des § 306 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO weitergeleitet. Insoweit liegt jedenfalls die Annahme eines schwerwiegenden Rechtsverstoßes - ohne das Hinzutreten weiterer Umstände - fern (vgl. auch BGH, Urteil vom 4. September 2001 - 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105).

2. Zum Angeklagten P.

Zu Recht hat das Landgericht auf Grundlage der insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen eine Strafbarkeit des Angeklagten P. nach § 339 StGB, gegebenenfalls i.V.m. § 25 Abs. 2, §§ 26 oder 27 StGB verneint.

a) Die Stellung der Haftbefehlsanträge war materiellrechtlich vertretbar und kann somit im Hinblick auf ihren Inhalt nicht als Beugung des Rechts gewertet werden. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Begründung der Anträge in jeder Hinsicht tragfähig war. Weder eine unzulängliche noch eine in Teilen fernliegende Antragsbegründung - wie etwa die Annahme von Fluchtgefahr bei Rechtsanwalt R. - vermögen für sich genommen einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB zu begründen, wenn die beantragten gerichtlichen Maßnahmen - wie hier - im Ergebnis vertretbar waren und auch die Antragstellung als solche nicht gegen Verfahrensvorschriften verstieß; denn die Antragsbegründung selbst entfaltet keinerlei Außenwirkung und vermag somit allein keinen mit dem Recht unvereinbaren Zustand zu schaffen.

b) Zwar käme grundsätzlich eine Beteiligung des Angeklagten P. an der willkürlichen Zuständigkeitsbegründung des Angeklagten M. im Hinblick darauf in Betracht, dass P. die Ad. und R. betreffenden schriftlichen Haftbefehlsanträge durch persönliche Übergabe beim Angeklagten M. gestellt hat, obwohl dieser zur Entscheidung über diese Anträge unzuständig war. Das Landgericht hat sich jedoch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte P. die erst mit Wirkung zum 14. Februar 2005 beschlossene Änderung des Geschäftsverteilungsplans kannte und daher wusste, dass M. nicht mehr als Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt für Haftentscheidungen zuständig war. Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung ist jedenfalls vor dem Hintergrund, dass M. im laufenden Geschäftsjahr noch als Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt zuständig gewesen war, vertretbar und vom Revisionsgericht hinzunehmen. Wenn aber P. von einer Zuständigkeit des Angeklagten M. für die Haftentscheidungen ausging, scheidet eine strafbare Beteiligung an dem von M. begangenen Verfahrensverstoß aus.

Die Adressierung auch der R. und Ad. betreffenden Anträge an das "Schöffengericht des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt" führt - unabhängig von der vom Landgericht nicht näher gewürdigten Einlassung P. s, er habe bei der Erstellung der Anträge am PC versehentlich die vorher für den A. betreffenden Antrag verwendete Maske benutzt - jedenfalls vor dem Hintergrund, dass diese außerhalb der Hauptverhandlung gestellt wurden, zu keiner anderen Bewertung. Der für außerhalb der Hauptverhandlung zu treffende Entscheidungen des Schöffengerichts allein zuständige Angeklagte M. war nach Vorstellung des Angeklagten P., wie zu dessen Gunsten zu unterstellen ist, mit dem zuständigen Ermittlungsrichter personenidentisch, so dass die Falschadressierung - hiervon ausgehend - nicht zu einer Verletzung von Zuständigkeitsvorschriften führen konnte.

c) Ein in der Stellung der Haftbefehlsanträge liegender Verstoß gegen die interne staatsanwaltschaftliche Zuständigkeitsverteilung kann ohne das Hinzutreten weiterer sich hieraus ergebender Rechtsverstöße keine Beugung des Rechts darstellen. Die Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. wurden aufgrund einer bestehenden örtlichen Zuständigkeit bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) geführt. Als dieser Behörde angehörender Oberstaatsanwalt war der Angeklagte P. nach außen hin befugt, die Haftbefehlsanträge zu stellen. Die Zuwiderhandlung gegen die innerhalb seiner Behörde geltenden Zuständigkeitsabgrenzungen bewirkt - unabhängig von der Frage nach dem Vorliegen einer beamtenrechtlich relevanten Dienstpflichtverletzung - keine Verletzung materiellen oder prozessualen Rechts.

d) Selbst wenn nachzuweisen sein sollte, dass der Mitangeklagte M. sich maßgeblich aus dem Motiv einer öffentlichkeitswirksamen Aktion zu den Verhaftungen entschlossen und P. dies durchschaut und mit seinen Anträgen unterstützt hätte, bietet dies auf der gleichwohl rechtsfehlerfrei angenommenen Grundlage materieller Vertretbarkeit der Haftentscheidungen und Unkenntnis P. s von M. s Zuständigkeitsanmaßung keinen hinreichenden Anhalt für eine strafbare Handlung P. s.

HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 511

Bearbeiter: Christian Becker