HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 112
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 425/06, Urteil v. 13.12.2006, HRRS 2007 Nr. 112
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 8. März 2006 werden verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; die Vollstreckung dieser Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt.
Den Angeklagten S. hat es wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft hat ihre zum Nachteil der Angeklagten eingelegten Revisionen konkludent auf den Strafausspruch beschränkt, da sich ihre sachlichrechtlichen Beanstandungen allein gegen die Strafzumessung, insbesondere gegen die Annahme minder schwerer Fälle richten. Den Rechtsmitteln, die von der Bundesanwaltschaft nur insoweit vertreten werden, als sich das Urteil gegen den Angeklagten S. richtet, bleibt der Erfolg versagt.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhren die Angeklagten gemeinsam mit drei oder vier Begleitern - darunter die beiden als Gehilfen nach Jugendstrafrecht abgeurteilten Mitangeklagten - in den frühen Morgenstunden des 14. August 2005 mit der Straßenbahn, als die späteren Geschädigten Sp. und G. zustiegen. Nach etwa zwei Minuten Fahrt verließ die gesamte Gruppe um die Angeklagten die Bahn an der nächsten Haltestelle, wobei sie Sp. und G. - den sie in der Bahn ohne Erfolg nach Drogen gefragt hatten - einem zuvor gemeinsam gefassten Plan entsprechend mit hinaus drängten. Dort forderten sie von ihnen Mobiltelefone und Geld. Um G. zur Herausgabe der Wertsachen zu zwingen, umstellten ihn die Angeklagten und zwei ihrer Begleiter. Der Angeklagte B. zog sein aufgeklapptes Taschenmesser mit einer Klingenlänge von sieben Zentimetern, welches er seinen Begleitern bereits in der Straßenbahn gezeigt hatte, und hielt es für G. sichtbar in der Hand. Der Angeklagte S. packte ihn am T-Shirt, ein Mittäter wiederholte die Forderung, woraufhin G. sein Handy schließlich aushändigte. Sp. konnte zwischenzeitlich davonlaufen. Der Angeklagte B. versetzte G. sodann mit dem Messer eine fünf Millimeter lange Stichwunde in das Gesäß.
Daraufhin schlug G. die Hand des Angeklagten S. von sich und flüchtete. Beide Angeklagte standen bei der Tat unter dem Einfluss von Alkohol, was jedoch nur bei dem Angeklagten B. zu einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit führte.
Das Landgericht hat bei beiden Angeklagten einen minder schweren Fall der (besonders [§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB]) schweren räuberischen Erpressung im Sinne von § 250 Abs. 3 StGB angenommen. Dabei hat es insbesondere auf die Spontanität der von alkoholbedingter und gruppendynamischer Enthemmung geprägten, auf eine geringwertige Beute gerichteten Tat und die nicht sehr nachhaltige Einwirkung auf die Tatopfer abgestellt. Für den Angeklagten B. hat es zudem seine Unbestraftheit und sein umfassendes Geständnis, seine Entschuldigung bei dem Geschädigten G. dessen harmlose Verletzungen und die alkoholbedingte erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit herangezogen. Als straferschwerende Gesichtspunkte hat für beide Angeklagten das hohe Gefährdungs- und Verängstigungspotential durch das Vorgehen in der Gruppe Berücksichtigung gefunden. Darüber hinaus sind bei B. das Mitführen des Messers und die tateinheitliche Verwirklichung der gefährlichen Körperverletzung straferschwerend gewertet worden, bei S. die Umstände, dass er die Tat im Wesentlichen initiiert hat und einschlägig vorbestraft ist, weswegen er erst am 6. Juni 2005 nach Verbüßung von drei Jahren Jugendstrafe aus der Haft entlassen worden war.
2. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung der Strafrahmen und die Bemessung der Strafen sind nach Maßgabe der insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungskompetenz (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 - 5 StR 86/05 m.w.N.) nicht zu beanstanden.
a) Das Landgericht hat die nach § 267 Abs. 3 Sätze 1 und 2 StPO bestimmenden Erwägungen bezeichnet und rechtsfehlerfrei gegeneinander abgewogen. Es ist auszuschließen, dass es einseitig nur mildernde Faktoren bedacht hätte, da es ausdrücklich auch die strafschärfenden Gesichtspunkte - darunter solche, die die Täterpersönlichkeiten betreffen, wie etwa die Vorstrafen des Angeklagten S. - in den Blick genommen und in die erforderliche und auch erfolgte Gesamtbetrachtung einbezogen hat. Soweit geltend gemacht wird, das Landgericht habe bei der Wahl des Strafrahmens den Stellenwert der belastenden Faktoren verkannt, stellt dies den unbeachtlichen Versuch dar, die Würdigung des Tatrichters durch eine eigene zu ersetzen und die für und gegen die Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte anders zu gewichten. Gegen die von der Revisionsführerin angegriffenen, von der Strafkammer berücksichtigten mildernden Faktoren ist nichts einzuwenden.
Die strafmildernde Bewertung eines spontanen Tatentschlusses und verhältnismäßig geringer Beuteerwartung wird von den gerichtlichen Feststellungen ohne weiteres getragen.
b) Auch bei dem erstmals nach Erwachsenenstrafrecht bestraften Angeklagten S., der das die Tat qualifizierende Messer weder bei sich getragen noch selber zum Einsatz gebracht hat, ist die Annahme eines minder schweren Falles vertretbar.
Dies ergibt sich insbesondere aus dem Sanktionsgefüge gegen die einzelnen Beteiligten der gruppendynamisch geprägten, noch jugendtümlich anmutenden Tat. Dass das Landgericht die einschlägigen Vorstrafen und die Vollzugserfahrungen des Angeklagten S. sowie seine hieraus folgende bisherige Unbelehrsamkeit nicht unbeachtet gelassen hat, verdeutlicht die Verhängung einer fühlbaren zu vollstreckenden Freiheitsstrafe gegen ihn, die sich berechtigterweise beträchtlich von der gegen B. verhängten Sanktion abhebt. Das gilt im Übrigen auch bezogen auf die von der Staatsanwaltschaft nicht beanstandeten jugendgerichtlichen Maßnahmen gegen die als Gehilfen abgeurteilten beiden anderen Mitangeklagten, ungeachtet der hier geltenden jugendrechtlichen Sanktionsregeln.
Ein noch weiter gehendes Strafgefälle als Folge einer Anwendung des Regelstrafrahmens gegen den Angeklagten S. ist auch mit Rücksicht auf nahe liegend berechtigte generalpräventive Überlegungen angesichts der Tatbegehung im Umfeld öffentlicher Verkehrsmittel nicht unerlässlich. Dass sich die isoliert betrachtet bedenkliche strafmildernde Bewertung erlittener Untersuchungshaft (vgl. BGH NStZ 2006, 620) maßgeblich zum Vorteil des Angeklagten S. ausgewirkt hat, schließt der Senat aus.
HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 112
Bearbeiter: Karsten Gaede