HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 960
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 85/24, Beschluss v. 07.05.2024, HRRS 2024 Nr. 960
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 8. November 2023 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II.1. der Urteilsgründe verurteilt worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung und wegen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision führt zur Aufhebung des Urteils im Fall II.1. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
2. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Brandstiftung im Fall II.1. der Urteilsgründe, weil die subjektive Tatseite beweiswürdigend nicht tragfähig belegt ist.
a) Nach den Feststellungen setzte der Angeklagte einen aus Holzpaletten bestehenden und mit Verpackungsmaterialien ? Papier und Pappkartons ? gefüllten Kasten, der unmittelbar neben den Schaufenstern eines Lebensmittelgeschäfts aufgestellt war und in dessen Nähe er eine CO2-Patrone deponiert hatte, in Brand, indem er mit einem Feuerzeug die Verpackungsmaterialien entzündete. Das Feuer breitete sich rasch aus und griff auf eine an dem Gebäude angebrachte Markise über. Die feuerbedingte Hitzeentwicklung war schließlich so groß, dass die CO2-Patrone explodierte und das angrenzende Schaufenster zerbarst. In der Folge drangen Hitze, Rauch und Ruß in das Gebäudeinnere, zerstörten Waren, Geräte und Mobiliar und führten zur Unbenutzbarkeit der Räumlichkeiten.
Zur subjektiven Tatseite ist festgestellt, dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass durch die Brandlegung des mit Verpackungsmaterial gefüllten Holzkastens unter zusätzlicher Verwendung einer CO2-Patrone, die unter Hitzeeinwirkung mit einer nicht unerheblichen Detonation zerplatzte, das unmittelbar angrenzende Lebensmittelgeschäft jedenfalls teilweise zerstört werden könnte, und er diese Folgen seiner Brandlegung billigend in Kauf genommen habe.
b) Nach den Feststellungen hat der Angeklagte ein fremdes Gebäude im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB durch eine Brandlegung teilweise zerstört. Dass diese teilweise Zerstörung auf einer Brandlegung beruhte, die nicht auf ein Inbrandsetzen des Gebäudes oder eines anderen Schutzobjekts im Sinne des § 306 Abs. 1 StGB abzielte, steht dem nicht entgegen.
aa) Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist es lediglich erforderlich, dass der an einem der Schutzobjekte des § 306 Abs. 1 StGB eingetretene Zerstörungserfolg auf eine Brandlegung zurückzuführen ist. Unter einer Brandlegung ist jede auf die Verursachung eines Brandes gerichtete Handlung zu verstehen (vgl. Valerius in LK-StGB, 13. Aufl., § 306 Rn. 64 mwN; Liesching, Die Brandstiftungsdelikte der §§ 306 bis 306c StGB nach dem Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts, 2002, S. 87), wobei sich das mit einer solchen Handlung typischerweise verbundene Risiko in dem Zerstörungserfolg verwirklicht haben muss (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2010 ? 2 StR 399/10, BGHSt 56, 94, 95). Tatbestandlich erfasst sind daher auch Fälle, in denen der Täter ein anderes als das durch § 306 Abs. 1 StGB geschützte Tatobjekt in Brand setzt, wenn nur der an dem Schutzobjekt eingetretene Zerstörungserfolg auf diese Brandlegung zurückzuführen ist (vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 306 Rn. 16; Heine/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 306 Rn. 15; SK-StGB/Wolters, 10. Aufl., § 306 Rn. 12; Liesching, aaO, S. 89 f.; Bender, Normzweck und Deliktstypus der einfachen und schweren Brandstiftung gem. §§ 306, 306a StGB n.F., 2014, S. 257; enger wohl MüKo-StGB/Radtke, 4. Aufl., § 306 Rn. 54; Radtke, ZStW 110, 848, 871).
bb) Für eine einschränkende Auslegung dahin, dass die Tathandlung des § 306 Abs. 1 Alt. 2 StGB nur Konstellationen erfasst, die auf das Hervorrufen eines Brandes an einem der Tatobjekte der Brandstiftungstatbestände abzielen (vgl. in diesem Sinne MüKo-StGB/Radtke, 4. Aufl., § 306 Rn. 54 [„intendieren“]), besteht kein Anlass.
Zwar deutet die Entstehungsgeschichte des Gesetzes darauf hin, dass der Gesetzgeber des 6. StrRG mit der Ergänzung der Brandstiftungsdelikte um die Handlungsalternative des (teilweisen) Zerstörens durch eine Brandlegung in erster Linie Fälle erfassen wollte, in denen ein vollendetes Inbrandsetzen der Schutzobjekte wegen der Verwendung feuerbeständiger Baumaterialien ausgeblieben ist, es aber dennoch zu erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit von Bewohnern oder für bedeutende Sachwerte etwa durch bereits entstandene Ruß-, Gas-, Rauch- und Hitzeentwicklung gekommen war (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 26 f., S. 88; MüKo-StGB/Radtke, 4. Aufl., § 306 Rn. 54; Radtke, ZStW 110, 848, 870 f.). Die Strafrahmen der §§ 305, 305a StGB erschienen angesichts ihrer deutlich milderen Strafdrohung nicht geeignet, eine tat- und schuldangemessene Ahndung solcher gleichermaßen als gemeingefährlich angesehener Taten zu gewährleisten (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2002 ? 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 19; siehe auch BT-Drucks. 13/8587 S. 26). Eine dahin gehende Einschränkung hat aber im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden. Vielmehr genügt ein (teilweises) Zerstören allein durch „eine“ Brandlegung. Weiterhin lässt das Gesetz auch in dieser Handlungsalternative in subjektiver Hinsicht bedingten Vorsatz genügen und eröffnet mit § 306d StGB die Möglichkeit fahrlässiger Tatbestandsverwirklichung (zutreffend Bender, aaO, S. 257). Ein einengendes Verständnis der Handlungsalternative des (teilweisen) Zerstörens durch eine Brandlegung auf Fälle, in denen es dem Täter auf das Hervorrufen eines Brandes an einem der in § 306 Abs. 1 StGB genannten Schutzobjekte ankommt, kommt daher nicht in Betracht (vgl. Heine/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 306 Rn. 15; Wrage, JR 2000, 360, 362; a.A. Radtke, aaO).
cc) Weiterhin steht der Annahme eines Zerstörungserfolgs von Gewicht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2017 ? 4 StR 320/17 Rn. 9 mwN) im Sinne des § 306 Abs. 1 Alt. 2 StGB nicht entgegen, dass dieser nicht ausschließlich durch den Brand, sondern auch durch die brandbedingte Explosion der CO2-Patrone, die zum Zerbersten des Schaufensters geführt hat, herbeigeführt worden ist (vgl. für einen Fall der Explosion eines Gasgemischs BGH, Urteil vom 5. September 2017 ? 5 StR 222/17 Rn. 15).
c) Allerdings bedarf die subjektive Tatseite in Fällen, in denen der eingetretene Zerstörungserfolg nicht auf eine Brandlegung an dem Schutzobjekt selbst, sondern an einem anderen Gegenstand zurückzuführen ist, sorgfältiger Prüfung (vgl. LK-StGB/Valerius, 13. Aufl., § 306 Rn. 69). Hieran fehlt es.
aa) Eine vollendete Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 StGB in der hier gegebenen Variante des teilweisen Zerstörens durch Brandlegung setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz), dass durch die Brandlegung das in Rede stehende Tatobjekt infolge der Brandwirkungen ganz oder teilweise zerstört wird. Dabei muss sich der Vorsatz auch auf den zum Eintritt des Erfolgs führenden Geschehensablauf erstrecken, wobei eine Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unwesentlich anzusehen ist, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 ? 4 StR 268/22, NStZ 2023, 414, 415; Urteil vom 3. Dezember 2015 ? 4 StR 223/15 Rn. 12 mwN). Die subjektive Tatseite ist regelmäßig beweiswürdigend zu belegen. Bei einem ? wie hier ? schweigenden Angeklagten können innere Tatsachen wie seine Vorstellungen über die möglichen Folgen seines Handelns und deren Billigung regelmäßig durch Rückschlüsse aus dem äußeren Tatgeschehen festgestellt werden. Wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Frage, ob der Täter mit Brandstiftungsvorsatz gehandelt hat, ist der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass ein Tatobjekt durch die Brandlegung ganz oder teilweise zerstört wird. Erforderlich ist insoweit eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände.
bb) Diesen Anforderungen wird das Urteil, das keine Beweiserwägungen zur subjektiven Tatseite enthält, nicht gerecht. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird sich mit allen für und gegen das Vorliegen des bedingten Vorsatzes sprechenden Indizien auseinanderzusetzen haben. Dabei wird es auch in seine Prüfung einzustellen haben, dass es dem Angeklagten ? wie im Rahmen der Feststellungen zur Vorgeschichte hinsichtlich beider verfahrensgegenständlicher Taten festgehalten und rechtsfehlerfrei beweiswürdigend belegt ? darauf ankam, in seinem Besitz befindliche CO2-Patronen großer Hitze auszusetzen, um sie zur Detonation zu bringen.
d) Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite im Fall II.1. der Urteilsgründe. Die objektiven Feststellungen zum Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler nicht berührt und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
3. Die Aufhebung des Urteils im Fall II.1. der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind auch zu den äußeren Tatumständen möglich.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 960
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede