HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 177
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 74/23, Beschluss v. 09.11.2023, HRRS 2024 Nr. 177
1. Auf die Revision des Angeklagten C. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 1. September 2022
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen „bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Zudem hat es drei Mobiltelefone eingezogen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet, § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen wurde der seit Jahrzehnten als Händler im Export- und Importgewerbe in Syrien und in der Türkei selbständig tätige Angeklagte Ende Dezember 2019 von dem gesondert verfolgten J. für die dauerhafte Mitwirkung an von syrischen Hintermännern geplanten Drogentransporten auf dem Seeweg angeworben. Der Tatplan sah die Deklaration der jeweiligen Legalware als vermeintlich aus europäischer Herkunft stammend vor, da man sich hierdurch niederschwellige Kontrollen am anvisierten Zielort in Saudi-Arabien erhoffte.
Ende des Jahres 2019 erhielt der Angeklagte den Auftrag, den Transport von 372,5 kg Captagontabletten mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 11,5 % Amphetaminbase von L. in Syrien nach Saudi-Arabien über einen europäischen Hafen zu organisieren. Der Angeklagte akquirierte über den ihm bekannten gesondert verfolgten B. den gesondert verfolgten R., der als Kontaktmann im Hafen von Co. /Rumänien ebenso wie der B. bereit war, zukünftig an geplanten Drogentransporten mitzuwirken, erstellte die gefälschten Frachtpapiere für die die Betäubungsmittel tarnende Legalfracht und organisierte und koordinierte die Umladung des Containers in Rumänien. Von der Gruppierung zunächst unbemerkt öffnete die rumänische Polizei den Container und stellte die zwischen Kühlaggregaten versteckten Betäubungsmittel sicher (Tat II.2.a.) der Urteilsgründe).
Im Juli 2020 informierte der gesondert verfolgte J. den Angeklagten darüber, dass ein Schiff mit zwei Containern von Syrien nach Co. in Rumänien unterwegs sei, und erteilte ihm den Auftrag, die Organisation des Weitertransports der in den Containern enthaltenen Betäubungsmittel über den europäischen Hafen nach Saudi-Arabien zu übernehmen. In den Containern befanden sich, versteckt zwischen Legalware, 1.380,92 kg Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 2,8 % THC und ca. 706,5 kg Captagonpillen mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 21,5 % Amphetaminbase. Der Angeklagte kümmerte sich daraufhin absprachegemäß in Zusammenarbeit mit den gesondert verfolgten R. und B. um die Fälschung der Deklaration der in den Containern enthaltenen Legalware als vermeintlich aus europäischer Herkunft stammend und den Weitertransport der Container nach Saudi-Arabien. Nach Eintreffen des Schiffes in Co. /Rumänien durchsuchten rumänische Ermittlungsbehörden die Container und stellten die dort verborgenen Betäubungsmittel sicher (Tat II.2.b.) der Urteilsgründe).
Der gesondert verfolgte J. war ab Mai 2020 zudem mit dem Transport von 20 kg Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 30 % Kokainhydrochlorid mittels eines Schiffscontainers von G. in Ecuador nach A. in Spanien befasst. Im Hafen von A. wurde die Legalware aus dem Container entladen und dieser am selben Tag mit dem hinter einer Stirnwand versteckten Kokain weiterverschifft, ohne dass es der Gruppierung gelang, die Betäubungsmittel plangemäß aus dem Container zu bergen. Der gesondert verfolgte J. wandte sich an den Angeklagten und bat diesen, den Container mit dem Kokain wieder aufzuspüren. Dem Angeklagten gelang mit Hilfe der gesondert verfolgten R. und B. unter Verwendung eines Trackingprogramms die Ortung des Containers im Hafen von Je. Nachdem ein von dem Angeklagten organisierter Versuch, den Container für die Beladung mit neuer Legalfracht zu reservieren, gescheitert war, wurde der zwischenzeitlich nach Schweden verschiffte Container von den dortigen Behörden mit gewaltsam gelöster Stirnwand aufgefunden. Betäubungsmittel konnten in dem Container nicht sichergestellt werden (Tat II.2.c.) der Urteilsgründe).
Einfluss auf Art und Menge der transportierten Betäubungsmittel hatte der Angeklagte bei allen Taten nicht. Im Rahmen der Tat zu II.2.b.) „war eine Entlohnung i.H.v. 250.000 USD durch die Eigentümer bei erfolgreicher Ankunft in Saudi-Arabien ausgelobt worden, von denen 100.000 USD der gesondert verfolgte R. und jeweils 50.000 USD der gesondert verfolgte J. und die Angeklagten B. und C. erhalten sollten“. Für seine Beteiligung bei den beiden weiteren Taten versprach sich der Angeklagte gleichermaßen jeweils eine Entlohnung im fünfstelligen Bereich.
1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen täterschaftlichen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen nicht; der Angeklagte hat sich lediglich der Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen schuldig gemacht.
a) Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelstrafrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, so kommt es nach der neueren Rechtsprechung darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2022 - 3 StR 136/22, juris Rn. 6; Beschluss vom 24. Mai 2022 - 4 StR 195/21, juris Rn. 9; Beschluss vom 12. August 2014 - 4 StR 174/14, juris Rn. 3; Beschluss vom 22. August 2012 ? 4 StR 272/12, NStZ-RR 2012, 375). Maßgeblich sind insoweit insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Haupttat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2022 - 4 StR 195/21, juris Rn. 9; Urteil vom 14. Dezember 2006 ? 4 StR 421/06, NStZ 2007, 288; Beschluss vom 25. April 2007 ? 1 StR 156/07, NStZ 2007, 531). Dabei kann eine Beteiligung am Transport als mittäterschaftliches Handeltreiben einzuordnen sein, wenn der Beteiligte über diesen hinaus erhebliche Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf der Betäubungsmittel unmittelbar beteiligt ist, selbständig den Umfang des Geschäfts bestimmt oder sonst ein eigenes Interesse am Gesamtgeschäft hat, weil er einen Anteil am Umsatz oder zu erzielenden Gewinn erhalten soll (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2022 ? 3 StR 136/22, juris Rn. 6; Beschluss vom 24. Mai 2022 - 4 StR 195/21, juris Rn. 9). Beschränkt sich der Tatbeitrag eines Drogenkuriers auf den bloßen Transport von Betäubungsmitteln, liegt selbst dann keine Täterschaft vor, wenn ihm faktische Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports verbleiben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2022 - 4 StR 195/21, juris Rn. 9; Beschluss vom 12. August 2014 - 4 StR 174/14, juris Rn. 3; Beschluss vom 18. Mai 2021 - 1 StR 72/21, juris Rn. 4).
b) Hieran gemessen tragen die Feststellungen eine täterschaftliche Begehung des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen durch den Angeklagten nicht.
Nach den Feststellungen beschränkte sich die Tätigkeit des Angeklagten auf die Organisation des Transports der Betäubungsmittel. Handlungen, die mit Blick auf das Gesamtgeschäft darüber hinausgehen, konnte das Landgericht nicht feststellen. Das gilt insbesondere für eine Einbindung in den An- oder Verkauf der Betäubungsmittel. Die Stellung eines Mittäters ergibt sich auch nicht aus den Feststellungen zum subjektiven Tatbestand. Denn hiernach handelte der Angeklagte in der Aussicht auf eine vom Taterfolg unabhängige Vergütung pro Auftrag und nicht auf eine Beteiligung am Umsatz oder am Gewinn. Ein Täter- oder Tatherrschaftswille folgt daraus nicht (vgl. die st. Rspr. zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei Transporttätigkeiten, etwa BGH, Beschluss vom 29. Juni 2022 - 3 StR 136/22, juris Rn. 9; Beschluss vom 12. August 2014 - 4 StR 174/14, NStZ 2015, 225). Angesichts dieser Umstände vermögen die vom Landgericht angestellten Erwägungen trotz der für den Gesamtplan gewichtigen logistischen Expertise des Angeklagten die Annahme täterschaftlichen Handelns nicht zu tragen.
c) Der Senat ändert in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch auf die nach den Feststellungen vorliegende Beihilfe zu Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, da im Fall der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache ergänzende Feststellungen, die die Annahme eines täterschaftlichen Handeltreibens des Angeklagten belegen würden, nicht zu erwarten sind. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil auszuschließen ist, dass sich der geständige Angeklagte insoweit wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Die der Strafzumessung zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bestehenden nicht widersprechen.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 177
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede