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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 976

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 502/23, Beschluss v. 21.05.2024, HRRS 2024 Nr. 976


BGH 4 StR 502/23 - Beschluss vom 21. Mai 2024 (LG Hagen)

Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (Einziehung des Wertes von Taterträgen; Ausschluss der Einziehung des Tatertrages oder des Wertersatzes).

§ 73 StGB; § 73c StGB; § 73e StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 25. April 2023, auch soweit es die nicht revidierenden Mitangeklagten H. und W. betrifft, im Ausspruch über die Einziehung von „Taterträgen bzw. des Wertes von Taterträgen“ aufgehoben, soweit diese in Höhe von 35.271,61 € gegen ihn und die Mitangeklagten als Gesamtschuldner angeordnet worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten und die zwei nicht revidierenden Mitangeklagten W. und H. wegen besonders schweren Raubes (Fall II. 17 der Urteilsgründe) - die Mitangeklagten zudem wegen weiterer Raubtaten und räuberischer Erpressungen - verurteilt. Es hat gegen ihn deswegen eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt und insoweit zusammen mit den Mitangeklagten die Einziehung von „Taterträgen bzw. des Wertes von Taterträgen“ in Höhe von 35.271,61 € als Gesamtschuldner angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge - unter Erstreckung auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten gemäß § 357 Satz 1 StPO - den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte einen Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO geltend macht, hat aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler im Schuld- und Strafausspruch zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. Dagegen hält die Einziehungsentscheidung der revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand.

a) Zum Fall II. 17 der Urteilsgründe hat das Landgericht - soweit von Relevanz - das Folgende festgestellt:

Aufgrund eines gemeinsamen Tatplans suchten der Angeklagte und der Mitangeklagte W. am Abend des 24. Juni 2022 kurz vor Ladenschluss einen Supermarkt in Ha. auf, während der Mitangeklagte H. mit dem Fluchtfahrzeug in der Nähe wartete. Unter Vorhalten mitgeführter Messer mit Klingenlängen von 15 bis 20 cm veranlassten sie zwei Mitarbeiterinnen des Einkaufsmarktes zur Öffnung der Kasse im Verkaufsraum und des Tresors im Büro und nahmen Münz- und Scheingeld im Wert von 35.271,61 € an sich. Anschließend begaben sie sich mit der Tatbeute zum Fahrzeug und flüchteten in dem vom Mitangeklagten H. gesteuerten Pkw zum Wohnhaus des gesondert Verfolgten S., wo sie die Beute zu dritt zu gleichen Teilen untereinander aufteilten. Danach fuhren die Mitangeklagten W. und H. in dem Fahrzeug von dort weg. Der Angeklagte entfernte sich zu Fuß mit seinem Beuteanteil in Höhe von 12.515 €, nachdem er noch Münzrollen im Wert von 3.000 € auf dem Dachboden des Hauses verstaut hatte. Auf dem Heimweg wurde er von einer Polizeistreife angetroffen. Während seines vergeblichen Fluchtversuchs entledigte er sich des mitgeführten Bargeldes, das - ebenso wie das auf dem Dachboden deponierte Münzgeld - von der Polizei aufgefunden und sichergestellt wurde. Der Mitangeklagte W. ging am darauffolgenden Tag mit seiner Freundin „shoppen“, wobei er zur Bezahlung von Kleidungsstücken Bargeld verwendete, das aus seinem Beuteanteil stammte. Das „restliche Geld“ versteckte er in der Wohnung seiner Freundin, in der er noch am selben Nachmittag festgenommen wurde.

b) Zwar erlangten der Angeklagte und die nicht revidierenden Mitangeklagten W. und H. durch den Raubüberfall (Fall II. 17 der Urteilsgründe) Bargeld in der Höhe, in der das Landgericht gegen sie in Bezug auf dieses Geschehen die Einziehung von „Taterträgen bzw. des Wertes von Taterträgen“ in gesamtschuldnerischer Haftung angeordnet hat. Jedoch lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob im Zuge der Festnahme des Mitangeklagten W. Bargeld seines Beuteanteils sichergestellt wurde und was schließlich mit dem aus der Raubbeute stammenden und polizeilich sichergestellten Bargeld geschah, insbesondere ob es auf ein Justizkonto eingezahlt wurde.

Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Der Verbleib des Geldes hat allerdings Auswirkungen auf die Einziehungsentscheidung und durfte deshalb nicht unerörtert bleiben. Eine Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB wäre nur möglich, wenn sich der sichergestellte Teil der Tatbeute noch im polizeilichen Gewahrsam befände (vgl. Senat, Beschluss vom 31. August 2022 - 4 StR 153/22, Rn. 9). Wenn das Geld jedoch nach § 111d Abs. 3 StPO bei der Gerichtszahlstelle eingezahlt worden wäre, wäre ein Betrag in Höhe des eingezahlten Geldes nach § 73c Satz 1 StGB als Wert des Tatertrages einzuziehen oder nach § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 StGB die Einziehung des Auszahlungsanspruchs gegen die Staatskasse anzuordnen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2021 - 3 StR 148/21, Rn. 5). Hätten die Strafverfolgungsbehörden das Geld - den Vorgaben des § 111n Abs. 2 StPO entsprechend - dem Unternehmensträger des beraubten Supermarktes zurückgegeben, wäre der Rückgewähranspruch in dieser Höhe erloschen und eine Einziehung insoweit nach § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - 1 StR 364/21, Rn. 15). Keine der aufgezeigten Möglichkeiten ist sicher anzunehmen oder auszuschließen.

Die Urteilsgründe lassen weiter unerörtert, ob - und gegebenenfalls in welcher Höhe - Teile der Tatbeute bei der Festnahme des Mitangeklagten W. in der Wohnung seiner damaligen Freundin sichergestellt wurden. Das Gericht hat festgestellt, der Mitangeklagte W. habe das Geld dort versteckt. Dass bei seiner Festnahme in diesen Räumlichkeiten auch Tatbeute aufgefunden wurde, ist zwar nicht zwingend, aber auch nicht derart fernliegend, dass es einer Erörterung dieses Umstands nicht bedurft hätte. […] Die Aufhebung der Einziehungsanordnung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierenden Mitangeklagten W. und H. zu erstrecken (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1966 - 1 StR 592/66, BGHSt 21, 66, 69, Beschluss vom 4. November 2014 - 1 StR 474/14, Rn. 7). Sollte die Tatbeute nach § 111n Abs. 2 StPO durch staatliche Stellen an den Geschädigten ausgekehrt worden sein, wäre der Ersatzanspruch nach § 267 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1, § 421 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB auch mit Wirkung für diese erloschen und die Einziehung insoweit nach § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB ausgeschlossen. Der Erörterungsmangel betrifft demnach auch sie.“

Dem tritt der Senat bei.

Die bislang getroffenen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen; sie haben mithin Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird ergänzende Feststellungen zum Verbleib des sichergestellten Bargelds und zu weiteren Sicherstellungen zu treffen haben.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 976

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede