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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 190

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 313/23, Beschluss v. 25.10.2023, HRRS 2024 Nr. 190


BGH 4 StR 313/23 - Beschluss vom 25. Oktober 2023 (LG Kempten)

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Form; Glaubhaftmachung fehlenden eigenen Verschuldens; Glaubhaftmachung der Einhaltung der Wochenfrist).

§ 45 StPO; § 32a StPO; § 32d StPO

Entscheidungstenor

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Kempten vom 27. April 2023 wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird als unzulässig verworfen.

3. Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird als unzulässig verworfen.

Gründe

Das Landgericht Kempten hat den Angeklagten am 27. April 2023 „der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs mit fahrlässiger Körperverletzung sowie des versuchten Mordes durch Unterlassen mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort sowie des Besitzes jugendpornographischer Inhalte“ schuldig gesprochen und eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verhängt. Außerdem hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren festgesetzt.

1. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt. Die schriftlichen Urteilsgründe wurden dem Pflichtverteidiger des Angeklagten am 5. Juni 2023 zugestellt. Durch Beschluss vom 7. Juli 2023 hat das Landgericht Kempten die Revision des Angeklagten gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, da innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO keine Revisionsbegründung erfolgt war. Die Entscheidung vom 7. Juli 2023 wurde dem Pflichtverteidiger am selben Tag zugestellt. Mit einem in das EGVP versendeten Schriftsatz des Wahlverteidigers, eingegangen am 31. Juli 2023, hat der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Revisionsbegründungsfrist sowie „Wiedereinsetzung gegen die Entscheidung des Gerichts und die Aufhebung des Beschlusses, mit dem die Revision als unzulässig verworfen wurde“ beantragt und zudem die Revision begründet. Zur Fristversäumung trägt der Verteidiger vor, dass der Angeklagte ihm am „24. Juli 2023 telefonisch mitgeteilt habe, soeben ein Schreiben erhalten zu haben, aus dem sich ergebe, dass die Revision als unzulässig verworfen worden sei“. Er habe ihm - dem Wahlverteidiger - mitgeteilt, dass er seinen Pflichtverteidiger beauftragt habe, Revision einzulegen und diese zu begründen. An der unterlassenen fristgerechten Revisionsbegründung treffe den Angeklagten kein Verschulden. Zur Glaubhaftmachung hat der Wahlverteidiger die „vorstehende Tatsachenschilderung“ auf der Grundlage der „Kontakte mit dem Angeklagten“ „anwaltlich versichert“.

2. Das Begehren ist gemäß § 300 StPO als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist, als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts sowie als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO auszulegen. Die Anträge haben keinen Erfolg.

a) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist unzulässig.

Der Antrag ist bereits nicht in der Form gestellt, die für die versäumte Handlung der Revisionsbegründung gemäß § 32a Abs. 3 und 4, § 32d Satz 2, § 45 Abs. 2 Satz 2, § 345 Abs. 2 StPO vorgeschrieben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 2022 - 6 StR 268/22, juris Rn. 3; Beschluss vom 3. Mai 2022 - 3 StR 89/22, juris Rn. 7 ff.). Dies führt zur Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags (vgl. BeckOK-StPO/Cirener, Stand 1. Oktober 2023, § 45 Rn. 13 mwN).

Zudem fehlt es an der Glaubhaftmachung fehlenden eigenen Verschuldens des Angeklagten an der Fristversäumung. Die anwaltliche Versicherung des Wahlverteidigers im Wiedereinsetzungsgesuch ist zur Glaubhaftmachung der verbindlichen Vereinbarung der Revisionsbegründung zwischen dem Angeklagten und dem Pflichtverteidiger nicht ergiebig. Durch die anwaltliche Versicherung des gewählten Verteidigers konnte die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten zur Beauftragung des beigeordneten Verteidigers insoweit nicht glaubhaft gemacht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2023 - 5 StR 350/23, juris Rn. 6).

b) Auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist für den Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) ist unzulässig.

Es fehlt insoweit jedenfalls an der Glaubhaftmachung der Einhaltung der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die anwaltliche Versicherung des Wahlverteidigers im Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht geeignet, den behaupteten Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses am 24. Juli 2023 für den Angeklagten darzutun. Die Fristwahrung war auch vorliegend nicht bereits nach Aktenlage offensichtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2019 - 4 StR 522/19, juris Rn. 3). Denn ausweislich des auf der Übersendungsverfügung angebrachten Erledigungsvermerks (Bd. VII Bl. 894) wurde die Entscheidung des Landgerichts dem Angeklagten bereits am 7. Juli 2023 formlos mit Rechtsmittelbelehrung nach § 346 Abs. 2 StPO übersandt. Angesichts der üblichen Postlaufzeiten (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2023 - 5 StR 405/23, juris Rn. 5; Beschluss vom 12. Oktober 2022 - 4 StR 319/22, NStZ-RR 2022, 378, 379) ist es mithin naheliegend, dass der Angeklagte den Verwerfungsbeschluss vom 7. Juli 2023 deutlich vor dem 24. Juli 2023 erhalten hat.

c) Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist ebenfalls unzulässig, da die Wochenfrist des § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO versäumt wurde. Darüber hinaus wäre der Antrag auch unbegründet. Das Landgericht hat die Revision zu Recht durch den Beschluss vom 7. Juli 2023 als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO begründet worden ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 190

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede