HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 409
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 140/23, Urteil v. 23.11.2023, HRRS 2024 Nr. 409
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 12. Oktober 2022 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hatte den Angeklagten am 12. März 2021 unter Freisprechung im Übrigen wegen Sichbereiterklärens zu einem Verbrechen des Mordes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat das Urteil mit Beschluss vom 17. Februar 2022 (4 StR 282/21) mit den Feststellungen auf, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wegen Sichbereiterklärens zu einem Verbrechen des Mordes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und eine Maßregelanordnung abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision die Aufhebung des Urteils, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt worden ist. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der 27 Jahre alte Angeklagte leidet seit seiner Geburt an dem DiGeorge-Syndrom, das bei ihm eine leichte Intelligenzminderung und Verhaltensstörungen im sexuellen Bereich zur Folge hat. Es besteht eine Pädophilie mit sadistischen Zügen. Der Angeklagte hegt unter anderem ein sexuelles Interesse an Stofftieren mit Antragungen von Urin, Kot oder Erbrochenem. Seiner sexuellen Präferenz entsprechend suchte der Angeklagte im Zeitraum von Januar bis März 2020 im Internet mehrfach nach Nacktbildern von Mädchen im Grundschulalter, um sich sexuell zu erregen. Weiterhin bot er Inserenten Geld an, wenn ihre Kinder die von ihnen zum Kauf angebotenen Stofftiere als Windeln benutzten und darauf urinierten und sie einkoteten. Außerdem bat er darum, ihm Fotos der entsprechenden Vorgänge zu übersenden. Tatsächlich erreichte es der Angeklagte im Jahr 2019, dass ihm ein mit Erbrochenem verunreinigtes Stofftier zugesandt wurde, welches seine Mutter entdeckte und entsorgte.
Spätestens Anfang des Jahres 2020 entwickelte der Angeklagte den Wunsch, eines Kindes „habhaft zu werden“, um mit ihm nach Belieben verfahren, es insbesondere „bestrafen“, misshandeln und töten zu können. Zu diesem Zweck nahm er über das Internet Kontakt zu Müttern auf und bot ihnen an, ihr Kind „zu kaufen“. Am 12. Februar 2020 nahm der Angeklagte über eine Internetverkaufsplattform Kontakt zu S. auf, der Mutter einer fünf Jahre alten Tochter. Der Angeklagte bot ihr zunächst 500 € und schließlich ‒ auf ihr vorgetäuschtes Verlangen hin ‒ 1.000 € an, wenn sie ihm ihre Tochter überlasse. In dem Glauben, S. werde ihm ihre Tochter tatsächlich überlassen und sie ihm ‒ wie von ihm gefordert ‒ per Post übersenden, leistete der Angeklagte eine Anzahlung in Höhe von 10 € und teilte ihr seinen Namen und als „Lieferanschrift“ eine Packstation in D. mit. Im weiteren Verlauf der Chatkommunikation entwickelte der Angeklagte immer konkretere Vorstellungen darüber, wie die Übersendung des Kindes per Post bewerkstelligt werden könnte.
Am 13. Februar 2020 bot der Angeklagte S. schließlich mehrfach an, ihre Tochter zu töten, wenn sie dies wünsche. Konkret erklärte er sich ihr gegenüber ernsthaft dazu bereit, ihre Tochter an ihrem sechsten Geburtstag, dem 17. Mai 2020, oder ‒ wenn S. dies wolle ‒ auch früher zu töten. Der Angeklagte bekräftigte seine Bereitschaft im weiteren Chatverlauf immer wieder und bot ihr an, dass sie selbst darüber entscheiden könne, wie ihre Tochter sterbe; sie werde „entweder mit ihren Spielsachen in den Schredder kommen“ oder im Kaminofen oder im Garten verbrannt werden. Der Angeklagte war bereit, sein Tötungsangebot für den Fall der Einwilligung von S. in die Tat umzusetzen; dabei war ihm bewusst, dass das Kind bei einer Umsetzung „der angebotenen Tötungsweisen“ bis zu ihrem Tod Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art erleiden würde, die nach Stärke oder Dauer über das für das zur Tötung Erforderliche hinausgingen.
Als S., die sich bereits am 12. Februar 2020 an die Polizei gewandt hatte und nur zum Schein auf das Angebot des Angeklagten eingegangen war, ab dem 15. Februar 2020 nicht mehr antwortete, erkannte der Angeklagte, dass diese ihre Zusage, ihm ihre Tochter zu übersenden, nicht mehr einhalten würde und bemühte sich in der Folge darum, S. dazu zu bewegen, selbst Experimente mit ihrer Tochter durchzuführen und ihm Fotos davon zu überlassen.
Aufgrund der bei dem Angeklagten bestehenden leichten Intelligenzminderung und der Pädophilie bei gleichzeitigem Alkoholgenuss war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat erheblich im Sinne des § 21 StGB herabgesetzt.
Die Annahme, dass es an einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades fehle, der Angeklagte werde künftig erhebliche Straftaten im Sinne des § 63 StGB begehen und er deshalb für die Allgemeinheit nicht gefährlich sei, hat das Schwurgericht im Wesentlichen mit der Erwägung begründet, dass die Anlasstat, deren Wiederholung jederzeit drohe, nicht als eine den Rechtsfrieden empfindlich störende erhebliche Tat im Sinne des § 63 Satz 1 StGB anzusehen und es äußerst unwahrscheinlich sei, dass der Angeklagte tatsächlich eines Kindes habhaft werden könne, um seine sadistischen Tötungsfantasien in die Tat umzusetzen.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf die unterbliebene Maßregelanordnung nach § 63 StGB beschränkt. Zwar hat die Beschwerdeführerin einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt. Eine Auslegung des Rechtsmittels unter Berücksichtigung des Inhalts der Revisionsbegründungsschrift, die sich ausschließlich gegen die unterlassene Maßregelanordnung wendet, ergibt aber zweifelsfrei den beschränkten Anfechtungswillen der Staatsanwaltschaft (vgl. zu den Maßstäben nur BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 ‒ 4 StR 65/17 Rn. 8; Urteil vom 18. Dezember 2014 ‒ 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88). Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den unterbliebenen Maßregelausspruch ist unter den hier gegebenen Umständen auch wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2019 ‒ 4 StR 530/18 Rn. 10; Urteil vom 12. Juni 2008 ‒ 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563).
2. Die Verfahrensrüge ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, bereits unzulässig.
3. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht das Vorliegen einer Gefährlichkeitsprognose mit rechtsfehlerhaften Erwägungen abgelehnt hat.
a) Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB kommt als außerordentlich beschwerende Maßnahme nur in Betracht, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands zukünftig erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2019 ‒ 4 StR 530/18 Rn. 12 mwN; Urteil vom 10. April 2014 ‒ 4 StR 47/14 Rn. 14). Dabei ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung erheblicher Taten im Sinne des § 63 StGB, also solcher Taten erforderlich, die mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen sind, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. November 2021 ‒ 5 StR 211/21 Rn. 15; Urteil vom 6. Februar 2019 ‒ 5 StR 495/18 Rn. 20; Beschluss vom 23. Mai 2018 ‒ 2 StR 121/18 Rn. 13; Urteil vom 12. Juni 2008 ‒ 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564; Urteil vom 17. August 1977 ‒ 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248). Dabei kann sich ‒ wie in der Regel bei Verbrechen oder bei Gewalt- oder Aggressionsdelikten ‒ eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits aus dem Gewicht des Straftatbestands ergeben, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 ‒ 4 StR 47/14 Rn. 14; Beschluss vom 4. Juli 2012 ‒ 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338; Beschluss vom 22. Februar 2011 ‒ 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 271, 272 mwN). Anderes kann gelten, wenn Verbrechen trotz ihres Deliktscharakters aufgrund ihres konkreten äußeren Erscheinungsbildes von der Allgemeinheit als eher harmlos oder als nur belästigend wahrgenommen werden und überdies nur zu einer geringen Beeinträchtigung des Tatopfers geführt haben; in solchen Fällen kann es an der von § 63 StGB vorausgesetzten Erheblichkeit der Taten fehlen.
Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Taten von dem Angeklagten infolge seines Zustands zukünftig drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2021 ‒ 5 StR 390/20 Rn. 16).
b) Hieran gemessen begegnet die Gefährlichkeitsprognose durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil sie Wertungsfehler enthält und lückenhaft ist.
aa) Die festgestellte Anlasstat ‒ das Sichbereiterklären des Angeklagten, ein sechsjähriges Kind grausam zu töten ‒ wird durch ihre gesetzliche Bewertung als eine das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit und den Rechtsfrieden empfindlich störende und damit grundsätzlich erhebliche rechtswidrige Tat ausgewiesen. Denn es handelt sich dabei um ein nach § 211 Abs. 2, § 30 Abs. 2 Variante 1 StGB strafbares Verbrechen, für welches das Gesetz bei Fehlen zusätzlicher vertypter Milderungsgründe einen Strafrahmen von drei Jahren bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe eröffnet. Auch in Fällen, in denen ‒ wie hier ‒ zusätzlich der vertypte Strafmilderungsgrund verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) vorliegt und das Gericht von der fakultativen Strafrahmenmilderung Gebrauch macht, reicht der Strafrahmen von sechs Monaten bis elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe. Damit ist die vom Angeklagten begangene Anlasstat nach der gesetzlichen Strafdrohung ohne Weiteres mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen.
Zwar kann in die Bewertung der Schwere der Anlasstat, deren künftige Wiederholung nach Auffassung des Landgerichts sehr wahrscheinlich ist, einzustellen sein, dass durch die Tat „niemand ernsthaft geschädigt worden ist“. Diese Erwägung ist aber nicht geeignet, die in der Verwirklichung des Verbrechenstatbestands des Sicherbietens zur Begehung eines Mordes im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB liegende Störung des Rechtsfriedens durchgreifend zu relativieren. Denn der Zweck der Vorschrift ist es, die Gefahren für das von dem Verbrechenstatbestand geschützte Rechtsgut zu bekämpfen, die sich bereits aus der motivationalen Selbstbindung des Täters ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2018 ‒ 2 StR 245/17, BGHSt 63, 161, 169; vgl. auch BT-Drucks. V/4095, S. 13). Dabei kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit die Aussicht besteht, dass das Versuchs- oder Vollendungsstadium des in Rede stehenden Verbrechens erreicht wird. Das von § 211 StGB geschützte Rechtsgut Leben ist im Fall des § 30 Abs. 2 StGB zwar noch nicht unmittelbar, aber doch mittelbar gefährdet, weil sich der Täter nach außen hin auf die Tatbegehung festgelegt und damit zugleich ein Motiv geschaffen hat, welches ihm ein Abstandnehmen von der Tatbegehung erschwert (vgl. Mitsch JR 2019, 257, 265). Dies allein ist aus der Perspektive des Gesetzgebers ausreichend, um eine Strafnorm mit einer erheblichen Strafdrohung zu schaffen.
bb) Darüber hinaus sind die angestellten prognostischen Erwägungen unklar und lückenhaft. Es fehlt an einer Wiedergabe der wesentlichen Ausführungen der Sachverständigen sowie an einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den von ihnen angestellten ‒ ersichtlich abweichenden ‒ prognostischen Erwägungen. Ihre Ausführungen werden in den Urteilsgründen lediglich fragmentarisch dahin wiedergegeben, dass „für den Fall, dass der Angeklagte tatsächlich eines Kindes habhaft werden würde, es sehr wahrscheinlich“ sei, „dass er seine sadistischen Fantasien an diesem auszuleben versuchen würde“ und dabei krankheitsbedingt nicht auf Empathie zu hoffen sei. Soweit das Landgericht weiter ausführt, sich mit seinen eigenen prognostischen Erwägungen „nicht in Widerspruch zum Gutachten der Sachverständigen“ zu setzen, weil diese „für ihre Gefahrenprognose in erster Linie die Situation betrachtet haben, nachdem der Angeklagte bereits eines Kindes habhaft geworden wäre“, vermag der Senat diese tatgerichtliche Wertung weder nachzuvollziehen noch auf Rechtsfehler zu überprüfen.
cc) Schließlich hat das Landgericht auf lediglich mögliche, indes keineswegs bereits sichere positive Entwicklungen abgestellt, die künftig zu einer Verringerung der Gefährlichkeit des Angeklagten führen können. Dies gilt etwa für die Berücksichtigung der Möglichkeit, dass die finanziellen Spielräume des Angeklagten begrenzt und er von seinem Betreuer oder von Familienangehörigen daran gehindert werden könnte, sich im Internet zu betätigen. Gleiches gilt für die Berücksichtigung der nunmehr geäußerten Therapiebereitschaft des Angeklagten. Diese nur möglichen positiven Entwicklungen haben bei der auf den Urteilszeitpunkt zu beziehenden Gefährlichkeitsprognose außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2019 ‒ 4 StR 530/18 Rn. 15 ff.).
dd) Angesichts der vom Landgericht zu Recht als prognostisch ungünstig angeführten Gesichtspunkte (hartnäckige Verfolgung seines Ziels, eines Kindes habhaft zu werden trotz erster polizeilicher Maßnahmen ‒ von seinem Betreuer unbemerkt gebliebene Beschaffung internetfähiger Geräte ‒ Ausbau des Raffinements ‒ Progredienz seines Tuns) vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die unterbliebene Maßregelanordnung auf diesen Rechtsfehlern beruht.
4. Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus bedarf daher erneuter Prüfung und Entscheidung.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Das Tatgericht wird erneut und eingehender als bisher geschehen das Vorliegen eines überdauernden Zustands im Sinne des § 63 StGB zu prüfen haben. Dieser liegt vor, wenn die Annahme verminderter Schuldfähigkeit bei Begehung der Anlasstat allein auf einem Zusammenwirken der leichten Intelligenzminderung mit Verhaltensstörungen sowie der bestehenden Pädophilie mit sadistischen Zügen beruht und die zusätzlich festgestellte Alkoholintoxikation nur eine zusätzlich enthemmende Wirkung ohne relevanten Einfluss auf die Steuerungsfähigkeit hat. Einzelne Formulierungen in den Urteilsgründen [vgl. UA 23: Wiedergabe der sachverständigen Wertung dahin, dass der Angeklagte „aufgrund der Intelligenzminderung mit deutlichen Verhaltensauffälligkeiten sowie des Empathiemangels in Verbindung mit dem Alkoholkonsum“ in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt sei] könnten allerdings darauf hindeuten, dass die Schwelle des § 21 StGB erst bei einem Zusammenwirken des Störungsbilds in Verbindung mit der akuten Alkoholintoxikation zum Tatzeitpunkt überschritten ist. Beruhte die erheblich verminderte Schuldfähigkeit nicht allein auf einem länger andauernden psychischen Defekt, sondern würde erst durch einen aktuell hinzutretenden Genuss berauschender Mittel, insbesondere Alkohol, herbeigeführt, käme die Unterbringung nach § 63 StGB nur in Betracht, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist, an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder aufgrund eines psychischen Defekts alkoholsüchtig ist, der, ohne pathologisch zu sein, in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichsteht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 18. Februar 2021 ‒ 4 StR 429/20 Rn. 7 mwN).
Dies wird die neu zur Entscheidung berufene Kammer zu prüfen haben. Hieran ist es durch den in (Teil-) Rechtskraft erwachsenen Strafausspruch nicht gehindert.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 409
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede