HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 136
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 358/21, Beschluss v. 24.11.2021, HRRS 2022 Nr. 136
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 2. Juni 2021, soweit es sie betrifft,
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass schuldig ist
aa) der Angeklagte S. T. des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen,
bb) der Angeklagte H. T. des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in sieben Fällen;
b) im Ausspruch über die Einziehung dahin abgeändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 54.105,00 Euro angeordnet wird und die Angeklagten als Gesamtschuldner haften.
2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen, bei dem Angeklagten S. T. in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, beim Angeklagten H. T. in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln“ jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 65.000 Euro als Gesamtschuldner angeordnet.
Die mit der Sachrüge begründeten Revisionen der Angeklagten führen ? dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend ? zu einer Änderung des Schuldspruchs sowie zu einer Herabsetzung der Einziehungsentscheidung. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der Senat hat die Urteilsformel ? auf der Grundlage der zutreffenden rechtlichen Würdigung der Taten (§ 30a Abs. 1 BtMG) durch das Landgericht ? im Schuldspruch in Abgrenzung zu § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG um den Zusatz „in nicht geringer Menge“ ergänzt und klarstellend neu gefasst. Der Kennzeichnung als „unerlaubt“ bedarf es bei Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz hingegen nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2021 ? 3 StR 19/21, juris).
2. Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen hat nur teilweise Bestand. Insoweit hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„Zwar erweist sich die Berechnung des - zugunsten des Angeklagten abgerundeten - Betrages des Erlangten in Höhe von insgesamt 65.000,00 Euro nicht als für ihn nachteilig. Allerdings hat die Kammer die sichergestellten Bargeldbeträge in Höhe von 1.395,00 Euro (S. T.) und 9.500,00 Euro (H. T., UA S. 13), mit deren außergerichtlicher Einziehung sich die Angeklagten S. und H. T. einverstanden erklärt haben (UA S. 21, 25), nicht berücksichtigt. Dies erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
a) Zur Herkunft der sichergestellten Gelder verhält sich das Urteil lediglich insoweit, als das Landgericht davon ausgegangen ist, dass für die Angeklagten „weitestgehend“ im Hinblick auf die Regelungen der „§§ 73 ff. StGB bzw. § 33 BtMG zur Einziehung ohnehin keine Aussicht bestanden hätte“, die Geldbeträge zurückzuerlangen (UA S. 21, 25). Hieraus wird deutlich, dass die Kammer - ersichtlich nicht näher aufklärbar - eine legale Herkunft der Gelder oder Teile hiervon ebenso wenig ausgeschlossen hat wie deren Herkunft entweder aus den zur Aburteilung gelangten oder aus anderen rechtswidrigen Taten. Dass es sich - jedenfalls auch - um inkriminierte Gelder handeln kann, wird ohne weiteres mit der im Urteil dargestellten Auffindesituation, der zeitlichen Nähe der Sicherstellung zu den Taten (UA S. 13) sowie mit den finanziellen Verhältnissen der beiden Angeklagten (UA S. 5, 7) belegt. Obgleich die Herkunft der Gelder hiernach offenbleibt, sind diese dennoch aufgrund der Einverständniserklärungen zur außergerichtlichen Einziehung von dem errechneten Wertersatzbetrag in Abzug zu bringen:
b) Durch den in diesen Erklärungen liegenden wirksamen Verzicht ist nach den in der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs entwickelten Grundsätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2018 - 5 StR 198/18, BGHSt 63, 305) der staatliche Zahlungsanspruch nach § 73c StGB erloschen und wäre - auch wenn es sich vorliegend um legale Gelder handelte - um die genannten Beträge zu mindern. Das Unterbleiben der Einziehungsanordnung ist dann vorrangig vor einer etwaigen Verrechnung (Senat, Beschluss vom 17. November 2020 - 4 StR 373/20).
c) Soweit es sich um Geldbeträge handelte, die aus den abgeurteilten Taten erlangt wurden, unterlägen diese der Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB mit der Folge, dass insoweit eine Wertersatzeinziehung tatbestandlich ausscheidet (Senat, Beschluss vom 20. Mai 2020 - 4 StR 539/19) und sich der staatliche Zahlungsanspruch nach § 73c StGB in entsprechender Höhe verringert (Senat, Beschluss vom 16. März 2021 - 4 StR 22/21). Der erklärte Verzicht hindert die Einziehungsanordnung nach § 73 Abs. 1 StGB zwar nicht (Senat, Beschlüsse vom 16. März 2021 - 4 StR 22/21; vom 20. Mai 2020 - 4 StR 539/19; jew. mwN), es bedarf einer solchen indes nicht (BGH, Urteil vom 10. April 2018 - 5 StR 611/17, BGHSt 63, 116; Beschluss vom 10. Februar 2021 - 3 StR 486/20, juris Rn. 12 mwN).
d) Selbst wenn das Bargeld ganz oder zum Teil aus rechtswidrigen Taten stammte, war der Kammer die sichere Zuordnung zu den hier abgeurteilten Taten ersichtlich nicht möglich. Der damit grundsätzlich eröffnete Anwendungsbereich der erweiterten Einziehung gemäß § 73a StGB führte vorliegend dennoch zu einer Anrechnung des Bargeldes auf den Einziehungsbetrag. Denn auch dieser Fall ließe nach wie vor die Möglichkeit offen, dass das Geld aus den abgeurteilten Taten stammte. Der gleiche Vermögensvorteil darf aber nur einmal eingezogen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2020 - 3 StR 219/20 - juris Rn. 8 mwN). Ohne die Minderung des einzuziehenden Wertes der Taterträge wäre nicht sichergestellt, dass es nicht zu einer doppelten Abschöpfung desselben Betrages käme (BGH, aaO, Rn. 7 f.).“ Dem stimmt der Senat zu und ändert die Einziehungsentscheidung entsprechend ab.
3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, die Beschwerdeführer teilweise von den durch ihr Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 136
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß