HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1126
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 114/22, Beschluss v. 25.05.2022, HRRS 2022 Nr. 1126
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 27. Oktober 2021
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, des Erwerbs von Betäubungsmitteln sowie des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sieben Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einziehung wie folgt abgeändert:
aa) Die Einziehung der Küchenwaage digital Marke Clatronic, der Feinwaage St. Pauli, der weiteren Feinwaage, des Verpackungsmaterials sowie des Mobiltelefons Marke Samsung mit SIM-Karte wird aufgehoben; insoweit wird mit Zustimmung des Generalbundesanwalts von der Einziehung abgesehen.
bb) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen wird aufgehoben, soweit diese einen Betrag von 29.825 Euro übersteigt; insoweit entfällt die Einziehung.
cc) Die Einziehung der in der Wohnung der gesondert Verfolgten O. sichergestellten 4.390 Euro wird aufgehoben; insoweit entfällt die Einziehung; jedoch wird hinsichtlich eines Betrages von 1.721 Euro die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, wegen „unerlaubten“ Erwerbs von Betäubungsmitteln sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sieben Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt, den Vorwegvollzug von zwei Jahren und zwei Monaten sowie eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von drei Jahren angeordnet und Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch wegen tateinheitlichen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis im Fall II.11 der Urteilsgründe sowie die konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle II.10 und II.11 der Urteilsgründe halten sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Im Fall II.11 der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG schuldig gesprochen. Die tateinheitliche Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis wird von den Feststellungen nicht getragen, weil ihnen nicht zu entnehmen ist, dass der Angeklagte ein Fahrzeug im Straßenverkehr führte. Aus den Feststellungen ergibt sich lediglich, dass sich der Angeklagte an diesem Tag mit einem Abnehmer für seine Drogen auf dem Parkplatz eines Verbrauchermarktes traf. Zwar geht aus den Darlegungen im Rahmen der Beweiswürdigung hervor, dass sich das mit einem Peilsender versehene Fahrzeug des Angeklagten zunächst an einer Bunkerwohnung und dann an der Anschrift des Verbrauchermarktes befand. Hieraus ergibt sich aber nicht, dass der Angeklagte das Fahrzeug führte, zumal das Landgericht auch in zwei anderen Fällen nicht ausgeschlossen hat, dass das Fahrzeug zumindest zeitweise von einer anderen Person gefahren wurde.
b) Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle II.10 und II.11 der Urteilsgründe als zwei zueinander in Tatmehrheit stehender Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hält rechtlicher Prüfung nicht stand, vielmehr liegt insoweit nur eine Tat vor.
Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte am 16. Dezember 2020 abends 500 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 11% THC, die er in eine Bunkerwohnung brachte (Fall II.10 der Urteilsgründe). Am 17. Dezember 2020 veräußerte der Angeklagte 500 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 11% THC, nachdem sich sein Fahrzeug zuvor an dieser Bunkerwohnung befunden hatte (Fall II.11 der Urteilsgründe).
Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht zugunsten des Angeklagten eine Bewertungseinheit zwischen dem Erwerbsund dem nachfolgenden Verkaufsgeschäft annehmen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2022 - 4 StR 403/21 Rn. 4). Denn es liegt nahe, dass es sich bei dem veräußerten Marihuana um das am Vortag erworbene Betäubungsmittel gehandelt hat.
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Hinsichtlich sämtlicher Betäubungsmitteldelikte ist die ausdrückliche Bezeichnung als „unerlaubt“ entbehrlich (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2021 - 3 StR 19/21 Rn. 10).
d) Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der für den Fall II.11 der Urteilsgründe verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Der Senat schließt angesichts der weiteren Einzelstrafen von u. a. zweimal drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe, zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe, zweimal zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe sowie zwei Jahren Freiheitsstrafe aus, dass das Landgericht ohne die weggefallene Einzelstrafe zu einer niedrigeren Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre. Ebenso kann die Anordnung der Sperrfrist auch nach Wegfall des Fahrens ohne Fahrerlaubnis im Fall II.11 der Urteilsgründe bestehen bleiben, da das Landgericht die Anordnung der Maßregel maßgeblich auf die in Vorstrafen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zum Ausdruck kommende Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Trunkenheit im Verkehr gestützt hat.
2. Die Einziehungsentscheidung hält nicht in vollem Umfang revisionsrechtlicher Prüfung stand.
a) Der Senat sieht aus prozessökonomischen Gründen mit Zustimmung des Generalbundesanwalts von der Einziehung der drei Waagen, des Verpackungsmaterials und des Samsung-Handys gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO ab. Die Urteilsausführungen belegen nicht hinreichend, dass es sich bei den Gegenständen um Tatmittel im Sinne von § 74 Abs. 1 StGB handelt.
b) Die Einziehung des Wertes „des Erlangten“ in Höhe von 34.372 Euro gemäß §§ 73, 73c StGB ist um 4.547 Euro auf 29.825 Euro herabzusetzen.
Bei der Tat II.5 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen zwar die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 4.275 Euro, die der Angeklagte für die Veräußerung von 750 Gramm Marihuana für 5,70 Euro pro Gramm erhielt. Soweit der Abnehmer der Betäubungsmittel vom Angeklagten später in A. 740 Gramm Marihuana im Tausch gegen 710 Gramm Marihuana aus der vom Abnehmer beanstandeten ersten Lieferung erhielt, ist die weitere vom Landgericht in den Einziehungsbetrag aufgenommene Bezahlung in Höhe von 4.047 Euro nicht festgestellt. Hinsichtlich der vom Angeklagten erhaltenen 710 Gramm Marihuana scheidet auch eine Einziehung des Wertes von Tatobjekten gemäß § 74c Abs. 1 StGB aus, da der Angeklagte durch das Geschäft im Inland an diesen Tatobjekten i.S.v. § 33 Satz 1 BtMG, § 74 Abs. 2 StGB kein Eigentum erwerben konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2019 ? 5 StR 269/19 Rn. 7; Beschluss vom 10. Juni 2020 ? 3 StR 37/20 Rn. 5).
Bei der Tat II.14 der Urteilsgründe erlangte der Angeklagte für die festgestellte Handelsmenge von 500 Gramm Marihuana bei einem Verkaufspreis von 4,90 Euro je Gramm 2.450 Euro und damit 500 Euro weniger als vom Landgericht in die im Übrigen zutreffende Berechnung des Einziehungsbetrages eingestellt.
c) Die auf § 73a Abs. 1 StGB gestützte erweiterte Einziehung des in der Wohnung der gesondert Verfolgten O. sichergestellten Bargeldbetrages von 4.390 Euro hält rechtlicher Prüfung nicht stand; allerdings tragen die Urteilsgründe hinsichtlich eines Betrages von 1.721 Euro die Anordnung der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 i.V.m. § 73c Abs. 1 StGB.
aa) Nach den Feststellungen handelte es sich bei dem sichergestellten Bargeld des Angeklagten in Höhe von 4.390 Euro um den Restbetrag aus der Abhebung eines Kontoguthabens, das zum einen auf eine Versicherungsleistung für einen Schaden an dem Pkw Porsche Panamera des Angeklagten in Höhe von 3.041,90 Euro vom 11. November 2020 und zum anderen auf die Erstattung des Reisepreises für eine stornierte Flugreise in Höhe von 1.721 Euro am 12. November 2020 zurückging. Die Flugreise und den ? im Urteil gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 3 StVG eingezogenen ? Porsche hatte der Angeklagte mit Geldern bezahlt, die aus anderen als den verfahrensgegenständlichen Straftaten stammten.
bb) Das Landgericht hat die erweiterte Einziehung des sichergestellten Bargelds rechtsfehlerhaft auf § 73a Abs. 1 StGB gestützt. § 73a StGB (in der seit 1. Juli 2017 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, BGBl. I S. 872) sieht lediglich eine Einziehung derjenigen Gegenstände vor, die selbst durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt sind. Das neue Vermögensabschöpfungsrecht hat die Regelung des § 73d Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB aF nicht übernommen und enthält damit keine Rechtsgrundlage für die erweiterte Einziehung des mit dem Erlös aus einer anderen Straftat erworbenen Surrogats (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2019 ? 5 StR 603/18 Rn. 4; Beschluss vom 21. September 2021 ? 3 StR 158/21 Rn. 14). Bei dem Bargeld des Angeklagten aus den Abhebungen von seinem Girokonto handelt es sich um ein (weiteres) Surrogat von Gegenständen, die der Angeklagte mit dem Erlangten aus anderen Straftaten erworben hatte.
cc) Allerdings tragen die Urteilsgründe hinsichtlich eines Betrages von 1.721 Euro die Anordnung der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 i.V.m. § 73c Abs. 1 StGB.
Taugliches Zugriffsobjekt der erweiterten Wertersatzeinziehung gemäß § 73a Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB ist ein Gegenstand nur dann, wenn er oder sein Surrogat bei Begehung der die Einziehung eröffnenden Anknüpfungstat noch im Vermögen des Täters oder Teilnehmers vorhanden war (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2020 ? 6 StR 258/20 Rn. 7; Beschluss vom 21. September 2021 ? 3 StR 158/21 Rn. 13; Urteil vom 1. Juni 2021 ? 1 StR 675/18 Rn. 15). Zum Zeitpunkt der Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten zwischen dem 27. November 2020 und 13. Januar 2021 (Fälle II.2 bis II.16 der Urteilsgründe) befand sich der Betrag aus der Stornierung der Flugreise in Höhe von 1.721 Euro seit der Gutschrift am 12. November 2020 bis zur Sicherstellung am 13. Januar 2021 im Vermögen des Angeklagten.
In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2021 ? 3 StR 158/21 Rn. 7) erkennt der Senat selbst auf die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.721 Euro.
Hinsichtlich der Versicherungsleistung für den Porsche Panamera ist kein Raum für eine erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen. Denn den Porsche Panamera hat das Landgericht als Tatobjekt gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 3 StVG, § 74 Abs. 2 StGB eingezogen. Insoweit hat die Einziehung nach § 74 StGB Vorrang (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2020 ? 6 StR 258/20 Rn. 5 mwN).
3. Im Übrigen hat die Prüfung keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
4. Angesichts des geringen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1126
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede