HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1070
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 419/19, Urteil v. 30.07.2020, HRRS 2020 Nr. 1070
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 2. Oktober 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässigen unerlaubten Umgangs mit Abfällen (Einzelfreiheitsstrafe 1 Jahr) unter Auflösung der Gesamtstrafe und Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, von der als Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vier Monate als vollstreckt gelten. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Umgangs mit Abfällen und rügt die unterbliebene Prüfung einer Strafbarkeit wegen Beihilfe zum unerlaubten Betreiben von Anlagen. Darüber hinaus beanstandet sie den Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung. Der Angeklagte wendet sich mit seiner ebenfalls mit der Sachrüge begründeten Revision gegen seine Verurteilung.
Während das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg hat, erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegründet.
1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte langjährig zuletzt als Mitgesellschafter der Ru. GmbH und der B. GmbH sowie als Geschäftsführer der von ihm gegründeten Ö. GmbH in der Entsorgungsbranche tätig und unterhielt Geschäftsbeziehungen zur Ruh. GmbH, die eine Mineralölraffinerie betrieb.
In dem Raffineriebetrieb der Ruh. GmbH fielen täglich 80 bis 90 Tonnen Ölpellets an, die einer Entsorgung zugeführt werden mussten. Die Ölpellets, die eine körnige Konsistenz aufwiesen und sich aus Pelletisierungsöl, Ruß und Wasser zusammensetzten, enthielten große Mengen an Mineralölkohlenwasserstoffen sowie der Schwermetalle Nickel und Vanadium. Aufgrund dieser Beschaffenheit und der bei großen Lagermengen bestehenden Gefahr der Selbstentzündung waren die Ölpellets für eine Deponierung nicht geeignet. Die Kosten für eine fachgerechte thermische Entsorgung beliefen sich auf mindestens 500 € pro Tonne.
Der Angeklagte bezog über die Unternehmen B. GmbH und Ö. GmbH Ölpellets von der Ruh. GmbH und erhielt dafür 93 bis 120 € je Tonne als Entgelt. Die Lieferung der Ölpellets erfolgte bis Februar 2009 als Abfall unter der Abfallschlüsselnummer 06 13 03 ? Industrieruß ? und von April 2009 bis Oktober 2009 unter der Bezeichnung als Nebenprodukt. Die Ölpellets wurden teils nach Vermischung mit anderen Materialien vom Angeklagten als Ersatzbrennstoff weitergehandelt, wobei sich der Absatz der Pellets zunehmend schwieriger gestaltete, weil es wiederholt zu Bränden in Folge von Selbstentzündungen der Ölpellets kam. Um vor diesem Hintergrund dem Entsorgungsdruck nachkommen zu können, der aus der gegenüber der Ruh. GmbH übernommenen täglichen Abnahmeverpflichtung von 40 Tonnen Pellets resultierte, änderte der Angeklagte die Vorgehensweise im Umgang mit den Ölpellets.
Von den im Tatzeitraum von 2010 bis 2013 von der Ruh. GmbH übernommenen Ölpellets wurden auf Veranlassung des Angeklagten, nachdem die Pellets bei der Ru. GmbH des Angeklagten zunächst gesiebt und mit anderen Materialien vermischt und zum Teil weiterhin als Ersatzbrennstoff weitergehandelt worden waren, eine Gesamtmenge von 17.611,64 Tonnen als Abfall unter der Abfallschlüsselnummer 19 12 12 ? sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen) ? an die R. GmbH geliefert. Bei der R. GmbH erfolgte erneut eine Vermischung mit weiteren Stoffen, um nunmehr die Abfallschlüsselnummer 19 12 09 ? Mineralien (z.B. Sand, Steine) ? verwenden zu können. Anschließend wurden die vermischten Ölpellets zu einer von einem weiteren Unternehmen betriebenen Tongrube transportiert, wo das Gemisch verkippt und einplaniert wurde. Des Weiteren ließ der Angeklagte insgesamt 7.508,58 Tonnen Ölpellets, die zuvor anderweitig eingelagert sowie zum Teil bereits vermischt und als Abfälle nach Schlüsselnummer 19 12 09 ? Mineralien (z.B. Sand, Steine) ? deklariert waren, ebenfalls an die R. GmbH liefern. Dort wurden die Pellets ? soweit noch nicht geschehen ? mit anderen Materialien vermischt und anschließend in der Tongrube deponiert.
Keines der in den Entsorgungsweg eingebundenen Unternehmen besaß eine Genehmigung zur Annahme oder Behandlung von gefährlichen Abfällen. Die in der Tongrube deponierten Ölpellets haben bislang noch zu keinem konkret feststellbaren Umweltschaden geführt. Es besteht aber die Gefahr, dass mit Kohlenwasserstoffverbindungen kontaminiertes Sickerwasser durch Versickern oder im Falle eines oberirdischen Wasserabflusses in tiefere Erdschichten und letztlich ins Grundwasser gelangt.
Im Zuge der Lieferungen der Ölpellets an die R. GmbH war dem Angeklagten bekannt, dass die Pellets über dieses Unternehmen einer Beseitigung zugeführt werden. Die letztendlich erfolgte Deponierung der Ölpellets hielt er für möglich und nahm sie in Kauf. Dabei ging der Angeklagte davon aus, dass die Ölpellets keine Stoffe enthielten, die einer Deponierung entgegenstehen und zwingend eine thermische Entsorgung gebieten. Aufgrund dieser Fehlvorstellung über die Inhaltsstoffe hielt er die Einordnung der Ölpellets als Industrieruß seitens der Ruh. GmbH für zutreffend. Letztlich beschäftigte sich der Angeklagte nicht weiter mit der Frage, wie mit den Ölpellets verfahren wurde, da es ihm allein darauf ankam, die Ölpellets selbst „absteuern“ und so seiner vertraglichen Pflicht gegenüber der Ruh. GmbH nachkommen zu können.
2. Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass sich der bedingte Vorsatz des Angeklagten auch darauf bezog, dass die in der Tongrube abgelagerten Ölpellets nach ihrer Beschaffenheit und Menge geeignet waren, die in § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB geschützten Umweltmedien Boden und Grundwasser nachhaltig zu verunreinigen. Da der Angeklagte als Entsorgungsfachmann nach seinen Fähigkeiten bei Beachtung der objektiv erforderlichen Sorgfalt aber in der Lage gewesen sei, die Umweltgefährlichkeit der Ölpellets im Sinne des § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB zu erkennen, hat es ihn des fahrlässigen unerlaubten Umgangs mit Abfällen gemäß § 326 Abs. 1 Nr. 4a, Abs. 5 Nr. 1 StGB schuldig gesprochen.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Beweiserwägungen der Strafkammer, mit denen sie einen auf die Umweltgefährlichkeit der Ölpellets im Sinne des § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB bezogenen bedingten Vorsatz des Angeklagten verneint hat, halten unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 ? 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20 f. mwN; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 117 ff. mwN) einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles Willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn sich der Täter entweder des Risikos eines Erfolgseintritts nicht bewusst ist oder er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten.
Beide Elemente des bedingten Vorsatzes müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung setzt eine Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls voraus, bei welcher die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Gegebenheiten zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement darstellt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 22. März 2012 ? 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183 Rn. 26; vom 1. März 2018 ? 4 StR 399/17, BGHSt 63, 88 Rn. 17 ff. jeweils mwN).
2. Die Feststellung der im Einzelfall vorsatzrelevanten Umstände, deren Bewertung im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sowie die Gesamtwürdigung selbst obliegen dem Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung ist vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen. Einer solchen rechtlichen Prüfung halten die Beweiserwägungen des Landgerichts, mit welchen es einen auf die Eignung der Ölpellets zur nachhaltigen Verunreinigung des Bodens und des Grundwassers bezogenen bedingten Vorsatz des Angeklagten verneint hat, nicht stand. Denn die Gesamtwürdigung der Strafkammer erweist sich in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft.
a) Das Landgericht hat die Ablehnung eines bedingten Vorsatzes maßgeblich unter anderem darauf gestützt, dass von der Ruh. GmbH durch die wiederholte Umdeklarierung der Ölpellets ein erheblicher Aufwand betrieben wurde, um die Gefährlichkeit der Pellets nicht unmittelbar ersichtlich zu machen. Die Lieferung der Pellets als Nebenprodukt und die Verwendung der Abfallschlüsselnummer für Industrieruß hätten für sämtliche mit den Ölpellets befassten Personen eine zutreffende Einschätzung als gefährlicher Abfall deutlich erschwert. Bei diesen Erwägungen hat die Strafkammer nicht bedacht, dass weder aus der Einordnung eines Stoffes als Nebenprodukt nach § 4 KrWG noch aus der unterbliebenen Bezeichnung mit einer in der Abfallverzeichnis-Verordnung für gefährliche Abfälle vorgesehenen Schlüsselnummer auf die fehlende Eignung des betreffenden Stoffes zur nachhaltigen Schädigung eines der in § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB geschützten Umweltmedien geschlossen werden kann.
Die Einordnung als Nebenprodukt nach § 4 KrWG hat zur Folge, dass ein Stoff oder Gegenstand, so lange die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KrWG, insbesondere eine weitere rechtmäßige Verwendung, vorliegen, nicht den abfallrechtlichen Regelungen unterliegt (vgl. Jacobj in Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl., § 4 Rn. 15). Über die Umweltgefährlichkeit des Stoffes oder Gegenstands besagt die Einordnung nichts.
Die Bezeichnung von Abfällen mit einer in der Abfallverzeichnis-Verordnung für gefährliche Abfälle vorgesehenen Abfallschlüsselnummer führt dazu, dass die Abfälle nach § 3 Abs. 5 KrWG (früher § 3 Abs. 8 KrW-/AbfG) als gefährliche Abfälle im Sinne des Abfallrechts bestimmt sind und den besonderen Überwachungsanforderungen des § 48 KrWG (früher § 41 KrW-/AbfG) unterliegen. Da die Strafvorschrift des § 326 Abs. 1 StGB nicht an die abfallrechtliche Klassifizierung als gefährlicher Abfall nach der Abfallverzeichnis-Verordnung anknüpft, sondern die an taugliche Tatobjekte zu stellenden tatbestandlichen Anforderungen selbst bestimmt, sind der Tatbestand des § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB und die Kennzeichnung nach der Abfallverzeichnis-Verordnung in ihrer Reichweite nicht deckungsgleich. Die abfallrechtliche Bezeichnung als gefährlicher Abfall stellt zwar ein Indiz für dessen Umweltgefährlichkeit im Sinne des § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB dar (vgl. Heine/Schittenhelm in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 326 Rn. 6; Saliger in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 4. Aufl., § 326 Rn. 32; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 326 Rn. 19). Umgekehrt kann aus der Verwendung einer für nicht gefährliche Abfälle vorgesehenen Schlüsselnummer aus der Abfallverzeichnis-Verordnung jedoch nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass dem betreffenden Abfall nach Art, Beschaffenheit oder Menge die Eignung fehlt, eines der in § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB tatbestandlich bezeichneten Umweltmedien nachhaltig zu schädigen.
b) Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass dem Angeklagten aufgrund der von ihm betriebenen Weitervermarktung von Ölpellets als Ersatzbrennstoff der hohe Brennwert der Pellets bekannt war, und hat diesen Umstand in subjektiver Hinsicht nur zur Begründung eines Fahrlässigkeitsvorwurfs gegen den Angeklagten herangezogen. Der beim Angeklagten vorhandene Wissensstand über die Eigenschaften der Ölpellets hätte aber als vorsatzrelevanter Gesichtspunkt auch im Rahmen der Vorsatzprüfung Berücksichtigung finden müssen, zumal es aus der Perspektive eines ausgebildeten Entsorgungsfachmanns überaus nahelag, dass der hohe Brennwert und der dem Angeklagten ebenfalls bekannte Mineralölgeruch der Pellets auf einen hohen Gehalt an umweltschädlichen Kohlenwasserstoffen zurückzuführen war.
c) Nach den zur Tatvorgeschichte getroffenen Feststellungen entzündete sich am 17. November 2009 eine durch Unternehmen des Angeklagten bei einer Fremdfirma eingelagerte Menge von 25.000 Tonnen Ölpellets und verursachte einen Brand. Den in Brand geratenen und wieder gelöschten Teil der Ölpellets ließ der Angeklagte als gefährlichen Abfall nach der Abfallverzeichnis-Verordnung mit der Schlüsselnummer 19 02 09* ? feste brennbare Abfälle, die gefährliche Stoffe enthalten ? entsorgen. Auch diese auf Veranlassung des Angeklagten erfolgte Gefährlichkeitsbewertung wäre unbeschadet des Umstands, dass sich die Kennzeichnung auf diejenigen Ölpellets beschränkte, die den Brand- und Löscheinwirkungen ausgesetzt gewesen waren, in die erforderliche Gesamtbetrachtung zur Feststellung des kognitiven Elements eines auf die Umweltgefährlichkeit im Sinne des § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB bezogenen bedingten Vorsatzes einzustellen gewesen.
d) Gleiches gilt für die vom Angeklagten veranlasste Aufbereitung der Ölpellets bei der Ru. GmbH. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils ließ der Angeklagte die im Tatzeitraum von der Ruh. GmbH übernommenen Ölpellets bei der Ru. GmbH zunächst sieben und anschließend mit anderen Materialien, wie Bleicherde, Ruß, Aktivkohle, Anoden und Graphit, mischen, um sie einfacher als Ersatzbrennstoff verkaufen zu können. Dieser Mischvorgang, der nach Ansicht der Strafkammer dazu führte, dass eine Verbindung zur Raffinerie der Ruh. GmbH nicht mehr offenkundig und der Rückschluss auf einen Ölgehalt der Pellets für alle weiteren Abnehmer erschwert war, wurde aber nicht nur bei den kleineren, vom Angeklagten als Ersatzbrennstoff weitergehandelten Ölpellets, sondern auch bei den größeren Pellets vorgenommen, die als Abfälle unter der Abfallschlüsselnummer 19 12 12 ? sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen) ? an die R. GmbH abgegeben wurden. Bei dieser Sachlage wäre vom Tatrichter zu erwägen gewesen, ob die mit finanziellem Aufwand verbundene Aufbereitung der anschließend als Abfälle abgegebenen Ölpellets von vornherein dem Zweck diente, die umweltschädliche Beschaffenheit der Pellets zu verschleiern, um letztlich eine nicht genehmigte Deponierung zu ermöglichen.
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Die von der Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung angesprochene Änderung des § 326 StGB im Tatzeitraum ist für die rechtliche Würdigung ohne Bedeutung, da die von der Strafkammer angenommene Tatalternative des Ablagerns unverändert geblieben ist.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Der neue Tatrichter wird eine mögliche Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Betreiben von Anlagen nach § 327 Abs. 2 Nr. 1 und 3 StGB in den Blick zu nehmen und ferner zu prüfen haben, ob der Angeklagte im Rahmen des § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB über die im angefochtenen Urteil angenommene Tatmodalität des Ablagerns hinaus weitere Begehungsalternativen verwirklicht hat.
Zur konkurrenzrechtlichen Bewertung des strafbaren Verhaltens des Angeklagten wird es erforderlich sein, nähere Feststellungen zu den konkreten Tatbeiträgen des Angeklagten zu treffen, um auf dieser Grundlage entscheiden zu können, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen für die Annahme eines uneigentlichen Organisationsdelikts (vgl. Fischer, aaO, vor § 52 Rn. 25 mwN; Eschelbach in Satzger/Schluckebier/Widmaier, aaO, § 52 Rn. 32 mwN) oder gegebenenfalls einer tatbestandlichen Handlungseinheit (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2001 ? 2 StR 356/00) vorliegen.
2. Erlittene Untersuchungshaft ist regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird. Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine strafmildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 25. Oktober 2018 ? 4 StR 312/18, NStZ 2019, 81; vom 2. Februar 2017 ? 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106; vom 20. August 2013 ? 5 StR 248/13, NStZ 2014, 31), die konkret festzustellen sind.
3. Die Zubilligung einer Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nach der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Vollstreckungslösung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 ? GSSt 1/07, BGHSt 52, 124) setzt Feststellungen des Tatrichters zu Art, Ausmaß und Ursache der Verfahrensverzögerung voraus, die es dem Revisionsgericht ermöglichen, im Sinne einer Schlüssigkeitsprüfung nachzuvollziehen, ob die festgestellten Umstände die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 MRK tragen und sich die gewährte Kompensation innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums hält (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 ? 2 StR 392/13, NStZ-RR 2014, 21). Diesen Anforderungen werden die bisherigen Urteilsausführungen nicht gerecht, da sie sich zum Verlauf der Ermittlungen, der nach Ansicht des Landgerichts eine Anklageerhebung bereits im Jahr 2014 gemeinsam mit den Tatvorwürfen aus dem Parallelverfahren ermöglicht hätte, nicht näher verhalten.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1070
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 13; NStZ-RR 2020, 315
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner