HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 411
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 486/18, Beschluss v. 17.01.2019, HRRS 2019 Nr. 411
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 8. Mai 2018, auch soweit es die nicht revidierenden Mitangeklagten K., S. und Sch. betrifft, im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, hinsichtlich der Mitangeklagten K. jedoch nur, soweit die Einziehung den Betrag von 20.235,60 € übersteigt.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 14 Fällen unter Auflösung der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Chemnitz vom 19. Mai 2016 verhängten Gesamtgeldstrafe und Einbeziehung der dort verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Wegen überlanger Verfahrensdauer gelten von der Strafe vier Monate als vollstreckt. Ferner hat das Landgericht die Einziehung eines „Geldbetrags“ gegen den Angeklagten in Höhe von 55.749,62 €, gegen die nicht revidierende Mitangeklagte K. in Höhe von 50.235,60 €, gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten S. in Höhe von 30.000 € und gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten Sch. in Höhe von 60.378,41 € angeordnet. Von einer weiter gehenden Einziehungsentscheidung hat es gemäß § 421 Abs. 1 StPO abgesehen.
Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Dagegen hat die Revision hinsichtlich der Einziehungsentscheidung - gemäß § 357 Satz 1 StPO auch (teilweise) zugunsten der nicht revidierenden Mitangeklagten - Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte faktischer Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Ende 2010 gegründeten E. GmbH, deren Geschäftszweck die Entwicklung, Herstellung und der Vertrieb von Windkraftanlagen mit vertikalem Rotor war. Die Gesellschaft konnte wegen ungelöster technischer Probleme keine funktionsfähige Windkraftanlage herstellen. Bereits die vom Angeklagten betriebene Vorgesellschaft En. Co. KG mit demselben Geschäftszweck hatte jahrelang erfolglos versucht, eine funktionsfähige Windkraftanlage zu entwickeln, weshalb sie im September 2010 Insolvenz angemeldet hatte.
Im Zeitraum Anfang 2010 bis zum 25. Februar 2013 wandte sich der Angeklagte an den Geschädigten V., um ihn zu einer Investition in der Größenordnung von 600.000 € zu bewegen. Er überzeugte ihn davon, dass die Investition erforderlich sei, um eine verkaufsfertige Serienreife der Windkraftanlagen zu erreichen. Die ungelösten technischen Probleme und die Insolvenz der Vorgesellschaft verschwieg er, vielmehr erklärte er ihm wahrheitswidrig, es existiere eine funktionsfähige Windkraftanlage in Bayern. Der Geschädigte stellte der Gesellschaft daraufhin ein Darlehen in Höhe von 633.800 € ohne Sicherheiten zur Verfügung. Hiervon überwies er 610.000 € auf das Geschäftskonto der E. GmbH, auf das der Angeklagte zugreifen konnte. Nach Fälligkeit des Darlehens im März 2013 zahlte die E. GmbH den Darlehensbetrag nicht zurück, was der Angeklagte von Anfang an für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hatte.
Im Zeitraum August 2011 bis zum 23. August 2013 koordinierte der Angeklagte entweder persönlich oder über die nicht revidierenden Mitangeklagten den Verkauf von Windkraftanlagen und anderen technischen Geräten an 13 weitere Geschädigte. Der Angeklagte bzw. die nicht revidierenden Mitangeklagten behaupteten gegenüber den Geschädigten wahrheitswidrig, die E. GmbH könne eine funktionsfähige Windkraftanlage bzw. technische Geräte gegen Anzahlung liefern. Die ungelösten technischen Probleme verschwiegen sie oder stellten sie als weit weniger gravierend dar, als es tatsächlich der Fall war. Die Geschädigten leisteten Anzahlungen im Gesamtumfang von 763.233,76 €, die sie zum größten Teil auf das Geschäftskonto der E. GmbH einzahlten. Zwei Geschädigte überwiesen insgesamt 20.712,25 € direkt auf das Privatkonto des Angeklagten und ein Geschädigter weitere 20.235,60 € auf das Privatkonto der nicht revidierenden Mitangeklagten K. Die E. GmbH erbrachte weder eine Leistung noch zahlte sie die Anzahlungen zurück, was der Angeklagte von Anfang an für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hatte.
Dem Angeklagten kam es einerseits darauf an, das Vermögen der E. GmbH zu erhöhen, um die Entwicklung der Windkraftanlagen und technischen Geräte voranzutreiben, und andererseits, die laufenden Kosten seines allgemeinen Lebensbedarfs durch Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen zu decken. Er und die nicht revidierenden Mitangeklagten K. und S. erhielten monatliche Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen im Gesamtumfang von jeweils mindestens 30.000 € (24 Monate x 1.250 €/Monat). Zudem beglich der Angeklagte aus den Mitteln der E. GmbH eine private Verbindlichkeit gegenüber seiner Patentanwältin in Höhe von 25.749,62 €. Der nicht revidierende Mitangeklagte Sch. vereinnahmte Provisionszahlungen der GmbH in Höhe von insgesamt 60.387,41 €.
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte durch die monatlichen Entnahmen und die Begleichung der Verbindlichkeit gegenüber der Patentanwältin insgesamt 55.749,62 € aus den Betrugstaten erlangt habe. Dieser habe die Vermögenswerte zumindest „mittelbar“ aus den Anzahlungen der Geschädigten erhalten, weil die E. GmbH kein einziges Geschäft abgeschlossen habe, bei dem sie eine Gegenleistung für die Anzahlungen erbracht habe.
2. Die Einziehungsentscheidung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht nicht tragfähig begründet hat, dass der Angeklagte durch die Betrugstaten oder für die Taten etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt hat.
a) Der Täter oder Teilnehmer hat einen Vermögenswert durch eine rechtswidrige Tat erlangt, wenn ihm dieser durch die Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er die tatsächliche Verfügungsgewalt über ihn ausüben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 5 StR 185/18, Rn. 20; Urteil vom 18. Juli 2018 - 5 StR 645/17, NStZ-RR 2018, 278, 279 mwN; Urteil vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn. 23 mwN).
Handelt der Täter als Organ, Vertreter oder Beauftragter (§ 14 StGB) eines Unternehmens mit dem Ziel, dass infolge der Tat bei dem Unternehmen eine Vermögensmehrung eintritt, ist nicht der Täter, sondern das Unternehmen im Erfolgsfall Drittbegünstigter im Sinne des § 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB. Eine Vermögensmehrung bei einem Drittbegünstigten schließt grundsätzlich eine gegen den Täter anzuordnende Einziehung aus (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2018 - 3 StR 620/17, Rn. 26; Urteil vom 29. November 2017 - 2 StR 271/17, Rn. 14). Regelmäßig ist davon auszugehen, dass die juristische Person über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die vom Privatvermögen des Täters zu trennen ist. Die dem Vermögen einer juristischen Person zugeflossenen Vermögenswerte sind daher auch dann nicht ohne weiteres vom Täter im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB durch die Tat erlangt, wenn dieser eine legale Zugriffsmöglichkeit auf das Gesellschaftsvermögen hat. Für die Anordnung einer Einziehung gegen den Täter bedarf es in derartigen Fällen einer über die faktische Verfügungsgewalt hinausgehenden Feststellung, dass dieser selbst durch die Tat etwas erlangt hat, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat. Umstände, die eine solche Feststellung rechtfertigen, können etwa darin zu sehen sein, dass der Täter die juristische Person lediglich als einen formalen Mantel nutzt und eine Trennung zwischen seiner eigenen Vermögenssphäre und derjenigen der Gesellschaft tatsächlich nicht vornimmt, oder jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wird. Wird der Vermögensvorteil hingegen von der Gesellschaft vereinnahmt, so kann nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass sich der Zufluss auf die Höhe einer späteren Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen auswirkt. In solchen Fällen sind die Einziehungsanordnungen gegen die Gesellschaft zu richten (vgl. zu § 73 StGB aF: BVerfG, Beschlüsse vom 3. Mai 2005 - 2 BvR 1378/04, BVerfGK 5, 217, 221; vom 17. Juli 2008 - 2 BvR 2182/06, WM 2008, 1588, 1589; und vom 29. Mai 2006 - 2 BvR 820/06, Rn. 27, NJW 2005, 3630, 3631; BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256; und vom 29. November 2017 - 2 StR 271/17, Rn. 15; vgl. zu § 73 Abs. 1 StGB nF: BGH, Beschlüsse vom 7. September 2016 - 2 StR 352/15, BGHR StGB § 73 Erlangtes 22; vom 31. Juli 2018 - 3 StR 620/17, juris Rn. 26; vom 23. Oktober 2018 - 5 StR 185/18, Rn. 24; und vom 14. November 2018 - 3 StR 447/18).
b) Gemessen daran ist bereits nicht festgestellt, dass der als faktischer Geschäftsführer für die E. GmbH handelnde Angeklagte selbst durch die Betrugstaten etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt hat.
aa) Den Feststellungen kann ebenso wenig wie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnommen werden, dass es sich bei dem Vermögen der E. GmbH und dem Privatvermögen des Angeklagten nur um scheinbar getrennte Vermögensmassen handelte bzw. der Angeklagte eine Trennung zwischen den Vermögensmassen tatsächlich nicht vornahm.
Weder der Umstand, dass der Angeklagte faktischer Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der E. GmbH war und in dieser Funktion legal auf das Geschäftskonto der Gesellschaft zugreifen konnte, noch die regelmäßigen, dem üblichen Umfang entsprechenden Entnahmen sowie die Begleichung der privaten Verbindlichkeit gegenüber der Patentanwältin genügen den dargelegten Anforderungen für die Annahme einer Verfügungsgewalt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2016 - 2 StR 352/15, Rn. 14; Urteil vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256 mwN).
bb) Die Feststellungen ergeben auch nicht, dass die aus den Betrugstaten stammenden Gelder sogleich an den Angeklagten weitergeleitet wurden.
Die monatlichen Entnahmen stellen zunächst nur eine Vergütung für die vom Angeklagten entfaltete Tätigkeit für die E. GmbH dar. Eine andere Beurteilung käme nur in Betracht, wenn das durch die Tat Erlangte lediglich unter dem Deckmantel einer Vergütung gezielt an den Angeklagten weitergeleitet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2016 - 2 StR 352/15; Urteil vom 23. Oktober 2013 - 5 StR 505/12, NStZ 2014, 89, 93, Rn. 48 [Geschäftsführergehalt]). Entsprechende Feststellungen enthält das Urteil nicht.
Aus der Urteilsbegründung ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine sofortige Weiterleitung des Gesellschaftsvermögens zur Begleichung der privaten Verbindlichkeit des Angeklagten gegenüber der Patentanwältin. Den Feststellungen ist lediglich zu entnehmen, dass der Angeklagte die private Verbindlichkeit aus den Mitteln der E. GmbH beglichen hat, nicht aber, dass er hierfür die Gesellschaft etwa als formalen Mantel genutzt hat.
cc) Schließlich bleibt auch offen, ob das Gesellschaftsvermögen der E. GmbH ausschließlich aus Zuflüssen der hier abgeurteilten Betrugstaten bestand. Das angefochtene Urteil verhält sich nicht dazu, ob die Gesellschaft über legale Einkommensquellen verfügte oder etwa legale Gelder in das Gesellschaftsvermögen einflossen. Infolgedessen kann - entgegen der Annahme des Landgerichts - gerade nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass sich die betrügerischen Mittelzuflüsse der Gesellschaft auf die späteren Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen ausgewirkt haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2006 - 2 BvR 820/06, Rn. 27).
3. Dies führt zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen zu ermöglichen.
4. Die Aufhebung der Einziehungsanordnung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierenden Mitangeklagten zu erstrecken, soweit den Einziehungsentscheidungen derselbe Rechtsfehler zugrunde liegt. Das ist hinsichtlich der nicht revidierenden Mitangeklagten K. und S. der Fall, soweit sich die Einziehung auf deren Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen in Höhe von jeweils 30.000 € erstreckt, sowie hinsichtlich des nicht revidierenden Mitangeklagten Sch., soweit sich die Einziehungsentscheidung auf die Provisionszahlungen in Höhe von 60.387,41 € bezieht. Demgegenüber ist eine Erstreckung auf die Einziehungsentscheidung gegen die nicht revidierende Mitangeklagte K. nicht veranlasst, soweit die Anordnung die Direktzahlung auf ihr Privatkonto in Höhe von 20.235,60 € umfasst.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 411
Externe Fundstellen: StV 2019, 735
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner