HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 199
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 240/17, Beschluss v. 28.09.2017, HRRS 2018 Nr. 199
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 6. Dezember 2016 aufgehoben in den Aussprüchen über
a) die Einzelstrafe im Fall II. 1 der Urteilsgründe; jedoch haben die zugehörigen Feststellungen Bestand;
b) die Gesamtstrafe und
c) die Dauer des Vorwegvollzugs mit den jeweils zugehörigen Feststellungen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, sowie wegen Vergewaltigung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit der Maßgabe angeordnet, dass drei Jahre und drei Monate der verhängten Strafe vor der Maßregel zu vollziehen sind, und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Verfahrensbeanstandungen bleiben ohne Erfolg. Näherer Erörterung bedarf lediglich die Rüge nach § 338 Nr. 6 StPO in Verbindung mit §§ 169, 171b GVG. Die Revision sieht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit darin, dass der Schlussantrag des Vertreters des Nebenklägers Z. in einem nicht öffentlichen Teil der Hauptverhandlung angebracht wurde.
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft hatte die zur Verurteilung gelangten Vergewaltigungstaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen F. und S. einerseits und die ebenfalls zur Verurteilung gelangte gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers Z. andererseits gesondert angeklagt. Das Landgericht hat beide Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Geschädigten F., S. und Z. wegen der zu ihrem Nachteil begangenen Taten zur Nebenklage zugelassen.
In der Hauptverhandlung hat das Landgericht die Nebenklägerinnen F. und S. unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG und den Nebenkläger Z. in öffentlicher Verhandlung vernommen. Für die Schlussplädoyers aller Verfahrensbeteiligten hat der Vorsitzende gemäß § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG den Ausschluss der Öffentlichkeit angeordnet.
2. Die Rüge ist zulässig. Sie ist insbesondere nicht nach § 171b Abs. 5 GVG ausgeschlossen. Gemäß § 171b Abs. 5 GVG in Verbindung mit § 336 Satz 2 StPO ist die gerichtliche Entscheidung darüber der revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogen, ob die in § 171b Abs. 1 bis 4 GVG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall vorliegen. Dies steht jedoch einer Überprüfung der Frage, ob eine generelle Befugnis bestand, die Öffentlichkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnitts auszuschließen, nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11, BGHSt 57, 273, 275 [zu § 171b Abs. 3 GVG aF]; Beschlüsse vom 7. Dezember 2016 - 1 StR 487/16, StV 2017, 369; vom 12. November 2015 - 2 StR 311/15, NStZ 2016, 180; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 171b GVG Rn. 16).
3. Die Rüge ist jedoch nicht begründet. Die Entscheidung, für die Dauer der Schlussvorträge aller Verfahrensbeteiligten den Ausschluss der Öffentlichkeit anzuordnen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung ergibt sich aus § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG.
Nach dieser Vorschrift ist die Öffentlichkeit für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in § 171b Abs. 2 GVG genannten Straftaten auszuschließen, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 oder 2 GVG oder des § 172 Nr. 4 GVG ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand.
Dies war hier der Fall. Denn für die Dauer der Vernehmungen der Nebenklägerinnen F. und S. fand die Verhandlung gemäß § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Zudem handelte es sich um ein Verfahren wegen der in § 171b Abs. 2 GVG genannten Straftaten.
a) Der Annahme der Voraussetzungen des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG steht zunächst nicht entgegen, dass die Vergewaltigungstaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen F. und S. einerseits und die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers Z. andererseits ursprünglich gesondert angeklagt waren. Denn die durch Beschluss des Landgerichts vom 3. Juni 2016 erfolgte Verbindung beider Strafsachen zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung gemäß § 4 Abs. 1 StPO hatte ihre Verschmelzung zu einem einheitlichen Verfahren zur Folge (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1990 - 4 StR 616/89, BGHSt 36, 348, 349; KK-StPO/Scheuten, 7. Aufl., § 4 Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 5 Rn. 1).
b) Der Verfahrensweise nach § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG bezüglich aller Schlussanträge steht ebenfalls nicht entgegen, dass nur die zum Nachteil der Nebenklägerinnen F. und S. begangenen Vergewaltigungen, nicht aber auch die zum Nachteil des Nebenklägers Z. verübte gefährliche Körperverletzung Straftaten im Sinne des § 171b Abs. 2 GVG sind.
Denn die Vorschrift des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG geht von einem einheitlichen und unteilbaren Verfahrensbegriff aus. Eine Differenzierung nach dem Inhalt und dem prozessualen Bezug der Schlussvorträge sowie nach der prozessualen Stellung des jeweiligen Verfahrensbeteiligten sieht sie nicht vor. Daher ist, sofern die Voraussetzungen des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG erfüllt sind, die Öffentlichkeit zwingend für die Schlussvorträge aller Verfahrensbeteiligten auszuschließen. Dafür sprechen nicht nur der Wortlaut der Vorschrift sowie ihr Sinn und Zweck, sondern auch die Wahrung der Interessen weiterer Nebenkläger und der Wille des Gesetzgebers, den Öffentlichkeitsausschluss nach dieser Vorschrift praktikabel auszugestalten. Im Einzelnen:
(aa) Bereits der Wortlaut des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG steht einem Verständnis der Vorschrift dahingehend, dass für den Ausschluss der Öffentlichkeit für die Schlussvorträge zwischen den einzelnen Verfahrensbeteiligten zu differenzieren wäre, entgegen. Eine derartige Einschränkung lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift, die das „Verfahren“ insgesamt betrifft, nicht entnehmen. Hiernach genügt es vielmehr, dass jedenfalls eine verfahrensgegenständliche Tat eine solche im Sinne des § 171b Abs. 2 GVG ist.
(bb) Auch Sinn und Zweck des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG gebieten es, dass bei Anwendung dieser Vorschrift nicht zwischen den Schlussvorträgen der einzelnen Verfahrensbeteiligten zu differenzieren ist.
Der Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 171b GVG dient dem Schutz der Persönlichkeitssphäre der Verfahrensbeteiligten, Zeugen und Verletzten. Umstände aus ihrem persönlichen Lebensbereich, insbesondere aus dem Sexualbereich, sollen in der Regel nicht öffentlich erörtert werden müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2016 - 1 StR 487/16, StV 2017, 369; vom 12. November 2015 - 2 StR 311/15, NStZ 2016, 180, 181; vom 17. September 2014 - 1 StR 212/14, NStZ 2015, 181); das Öffentlichkeitsprinzip tritt insoweit hinter den verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Achtung der Privatsphäre zurück (vgl. BT-Drucks. 10/5305, S. 22 f.; KK-StPO/Diemer, aaO, § 171b GVG Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 171b GVG Rn. 1).
Als besondere Ausprägung des Schutzzwecks des § 171b GVG soll die Regelung in Abs. 3 Satz 2 verhindern, dass Umstände, für deren Erörterung die Öffentlichkeit während des bisherigen Verlaufs der Hauptverhandlung ausgeschlossen war, bei den Schlussvorträgen - in denen typischerweise der Inhalt der Hauptverhandlung, mithin auch die den persönlichen Lebensbereich eines Verfahrensbeteiligten oder Zeugen betreffenden Umstände, erneut aufgerollt werden - gleichwohl öffentlich zur Sprache kommen (vgl. BT-Drucks. 17/12735, S. 17 f.; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2016 - 1 StR 487/16, StV 2017, 369, 370; Krauß in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 171b GVG Nachtr. Rn. 13; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 171b GVG Rn. 12).
Diese Gefahr bestünde jedoch, wenn der Schlussvortrag eines Verfahrensbeteiligten, dessen Anschlussberechtigung sich aus anderen als den in § 171b Abs. 2 GVG genannten Straftaten ergibt - wie dies hier für den Nebenkläger Z. der Fall ist -, in öffentlicher Verhandlung stattfände. Denn es steht jedem Verfahrensbeteiligten frei, sich in seinem Schlussvortrag auf den gesamten Inhalt der Beweisaufnahme und damit auch auf andere Taten als diejenigen, die ausschließlich ihn selbst betreffen, zu beziehen und zu ihnen Stellung zu nehmen. Er kann insoweit insbesondere auch solche Umstände erörtern, die die Persönlichkeitsrechte anderer Verfahrensbeteiligter, Zeugen und Verletzter berühren und derentwegen die Öffentlichkeit während des bisherigen Verlaufs der Hauptverhandlung zumindest zeitweise ausgeschlossen war. Durch seinen Schlussvortrag könnten diese Umstände - entgegen dem durch § 171b GVG bezweckten Schutz der Persönlichkeitssphäre - letztlich doch in öffentlicher Verhandlung zur Sprache kommen, wenn nicht während der Dauer sämtlicher Schlussvorträge die Öffentlichkeit ausgeschlossen wäre.
Dies gilt erst recht, wenn - wie im vorliegenden Fall - durchaus Zusammenhänge zwischen den Taten nach § 171b Abs. 2 GVG und den nicht den Katalog dieser Vorschriften betreffenden Taten bestehen.
(cc) Nicht zuletzt aus diesem Grund trägt dieses Verständnis des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG auch den Interessen derjenigen Nebenkläger Rechnung, deren eigene Anschlussberechtigung sich nicht aus einer der in § 171b Abs. 2 GVG genannten Straftaten ergibt. Denn wenn diese Nebenkläger bzw. Nebenklägervertreter ihre Schlussvorträge in öffentlicher Verhandlung halten müssten, wäre zu besorgen, dass sie - in dem Bestreben, die zuvor nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit erörterten Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich anderer Verfahrensbeteiligter nunmehr nicht ihrerseits öffentlich zu erörtern - im auszuschöpfenden Verfahrensstoff eingeschränkt sein könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2016 - 1 StR 487/16, StV 2017, 369, 370 für die entsprechende Situation beim Angeklagten).
(dd) Schließlich steht die Auslegung, dass im Rahmen des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG nicht nach den Schlussvorträgen der einzelnen Verfahrensbeteiligten oder nach dem Prozessstoff zu differenzieren ist, auch im Einklang mit dem aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Willen des Gesetzgebers, eine praktikable Handhabung des Öffentlichkeitsausschlusses nach dieser Vorschrift sicherzustellen. So wurde im Gesetzgebungsverfahren von einer Beschränkung des Öffentlichkeitsausschlusses auf diejenigen Abschnitte der Schlussvorträge, die sich mit den nicht öffentlichen Teilen der Hauptverhandlung befassen, bewusst Abstand genommen, da eine solche Teilung als praktisch nicht durchführbar erachtet wurde (vgl. BT-Drucks. 17/12735, S. 18).
Dies gilt auch für die Schlussvorträge derjenigen Verfahrensbeteiligten, deren Anschlussberechtigung sich aus anderen als den in § 171b Abs. 2 GVG genannten Straftaten ergibt. Denn auch sie können sich, wie bereits ausgeführt, in ihren Schlussvorträgen auf den gesamten Inhalt der Beweisaufnahme und insbesondere auch auf solche Umstände beziehen, für deren Erörterung zuvor zum Zwecke des Schutzes der Persönlichkeitssphäre von Verfahrensbeteiligten, Verletzten oder Zeugen die Öffentlichkeit ausgeschlossen war. Innerhalb ihrer Schlussvorträge müsste daher - je nachdem, ob Umstände angesprochen werden sollen, die zuvor (auch oder ausschließlich) in einem nicht öffentlichen Teil der Hauptverhandlung erörtert wurden - die Öffentlichkeit abwechselnd ausgeschlossen und wiederhergestellt werden. Eine solche Teilung - die auch den Schlussvortrag des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft beträfe - hat der Gesetzgeber zurecht als nicht praktikabel angesehen; sie würde nicht nur dazu führen, dass ein einheitlicher Schlussvortrag - gegebenenfalls mehrfach - unterbrochen werden müsste, um zunächst eine Entscheidung über einen Ausschluss der Öffentlichkeit herbeizuführen, sodann die Öffentlichkeit auszuschließen und sie schließlich wiederherzustellen, sondern wäre zudem in hohem Maße fehleranfällig.
Die Revision hat hingegen mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
1. Die im Fall II. 1 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe hat keinen Bestand. Das Landgericht hat sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn zulasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Straftat unter laufender Bewährung begangen habe (UA S. 61 f.). Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Strafkammer hat festgestellt, dass der Angeklagte diese Tat - eine besonders schwere Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1 StGB aF - „im Frühjahr 2015, vermutlich im April oder Mai 2015“ beging (UA S. 24). Zu diesem Zeitpunkt stand der Angeklagte nicht mehr und auch noch nicht wieder unter Bewährung. Denn die zur Bewährung ausgesetzte Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Herford vom 24. März 2010 war mit Wirkung vom 16. April 2012 erlassen worden, weitere Verurteilungen aus den Jahren 2013 und 2014 betrafen lediglich Geldstrafen und das Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 17. Juni 2015, durch das der Angeklagte zu zwei zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt wurde, lag - wovon aufgrund des nicht genau feststellbaren Tatzeitpunkts zugunsten des Angeklagten ausgegangen werden muss - zeitlich erst nach dieser Tat.
Zwar hat das Landgericht bei der Strafrahmenwahl einen minder schweren Fall gemäß § 177 Abs. 5 StGB aF angenommen, so dass insoweit auszuschließen ist, dass die Strafrahmenwahl auf der fehlerhaften Strafzumessungserwägung beruht. Für die Strafzumessung im engeren Sinne kann der Senat hingegen nicht ausschließen, dass sich die fehlerhafte Strafzumessungserwägung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
Der zur Aufhebung des Strafausspruchs für diese Tat führende Wertungsfehler betrifft die hierzu getroffenen Feststellungen nicht; diese können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
2. Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, die Bildung der Gesamtstrafe unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Tat zu II. 1 der Urteilsgründe vor dem Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 17. Juni 2015 begangen wurde, und unter Beachtung des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO richtig zu fassen.
3. Bereits mit der Aufhebung der Gesamtstrafe entfällt ferner der Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs. Dieser weist allerdings auch für sich genommen einen Rechtsfehler auf.
a) Das Landgericht hat den vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zu vollstreckenden Teil der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten mit drei Jahren und drei Monaten bemessen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich insoweit am Halbstrafenzeitpunkt und der voraussichtlichen Dauer der Unterbringung, die mit zwei Jahren zu beziffern sei, orientiert habe (UA S. 72).
b) Die dieser Berechnung zugrunde liegende Annahme einer zweijährigen Unterbringungsdauer lässt sich nicht damit in Einklang bringen, dass sich die Strafkammer ausdrücklich den Ausführungen des von ihr angehörten psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen hat, der mit Blick auf das Alter des Angeklagten und dessen langjährige Betäubungsmittelabhängigkeit einen Therapiezeitraum von zwei bis drei Jahren als für die Erreichung eines Therapieerfolges notwendig bezeichnet hat (UA S. 72).
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Angeklagte durch die Zugrundelegung einer lediglich zweijährigen Unterbringungsdauer im Hinblick auf die Bemessung der Dauer des Vorwegvollzugs beschwert ist. Denn bei einer voraussichtlichen Therapiedauer von mehr als zwei Jahren - nach der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung von § 64 Satz 2 StGB ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht mehr von vornherein auf zwei Jahre beschränkt, sondern kann auch dann angeordnet werden, wenn ausnahmsweise eine notwendige Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren zu prognostizieren ist (vgl. BT-Drucks. 18/7244, S. 1 f., 24 f.; BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2017 - 3 StR 97/17, NStZ-RR 2017, 310; vom 4. Mai 2017 - 2 StR 570/16, StraFo 2017, 245, 246) - würde sich die Dauer des Vorwegvollzugs der Strafe entsprechend verringern.
Über die voraussichtliche Dauer der Therapiemaßnahme sowie die Dauer des Vorwegvollzugs ist deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - erneut zu befinden.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 199
Externe Fundstellen: BGHSt 63, 23; NJW 2018, 640; NStZ 2018, 620; StV 2018, 206
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede