HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 627
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 563/15, Urteil v. 28.04.2016, HRRS 2016 Nr. 627
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 5. Juni 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit die Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Mordes durch Unterlassen verurteilt worden sind (Fall II.3 der Urteilsgründe);
b) in den Strafaussprüchen gegen die Angeklagten S. und G. und
c) im Gesamtstrafenausspruch gegen den Angeklagten F. .
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revisionen der Angeklagten G. und F. werden verworfen.
4. Die Angeklagten G. und F. tragen die durch ihre Revisionen entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin, der Angeklagte F. darüber hinaus die Kosten seines Rechtsmittels. Hinsichtlich des Angeklagten G. wird von einer Auferlegung von Kosten und Auslagen im Übrigen abgesehen.
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, des versuchten Mordes durch Unterlassen, der Brandstiftung und der Sachbeschädigung schuldig gesprochen und den Angeklagten F. zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren, den Angeklagten G. unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu der Jugendstrafe von fünf Jahren sowie den Angeklagten S. zu der Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertretenen Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts gegen die Schuldsprüche wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung im Fall II.3 der Urteilsgründe und erstrebt insoweit Verurteilungen auch wegen jeweils tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer und versuchten Mordes durch aktives Tun. Des Weiteren beanstandet die Beschwerdeführerin die Höhe der gegen den Angeklagten S. verhängten Jugendstrafe und den Gesamtstrafenausspruch gegen den Angeklagten F. Die Verurteilungen der Angeklagten wegen Sachbeschädigung und Brandstiftung werden von der Staatsanwaltschaft ausweislich der Revisionsbegründungen nicht angegriffen. Die Revisionen der Angeklagten G. und F. richten sich jeweils mit der Sachbeschwerde gegen ihre Verurteilungen. Während sich die Rechtsmittel der Angeklagten als unbegründet erweisen, haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft Erfolg.
Nach den Feststellungen verbrachten die Angeklagten ab Oktober 2014 gemeinsam viel Zeit in der vom Angeklagten G. angemieteten Wohnung. Da G. mit der Zahlung der Miete und der Kaution für die Wohnung in Rückstand war, weshalb die Kündigung des Mietverhältnisses drohte, überlegten die Angeklagten, was sie tun könnten, um die Schulden des G. zu tilgen. Diese Überlegungen führten zu der Idee, einen Taxifahrer zu überfallen. Die Angeklagten besprachen, wie ein solcher Überfall ablaufen könnte und wem welche Aufgabe zukommen solle. Sie überlegten, den Taxifahrer abzulenken, wobei die Fahrertür aufgemacht und in der Verwirrung die Geldbörse vom Angeklagten G. an sich genommen werden sollte. Für den Fall, dass dies nicht möglich wäre, sollte gedroht oder Gewalt angewendet werden. Im Zuge dieser Diskussionen suchten die Angeklagten nach geeigneten Tatwerkzeugen. Nachdem der Angeklagte S. ein HDMI-Kabel in der Wohnung entdeckt, es dem Bruder des Angeklagten G. aus Spaß zu Demonstrationszwecken um den Hals gelegt und etwas zugezogen hatte, wodurch dieser in Luftnot geraten war, entschieden die Angeklagten, das Kabel einzusetzen, um den Taxifahrer bewegungsunfähig zu machen. Für den Fall, dass es nicht gelänge, den Fahrer abzulenken, sollte ein Schlagstock mit rechtwinklig aufgesetztem Griffstück, den der Angeklagte G. in seiner Wohnung hatte, zum Einsatz kommen, um damit zu drohen oder durch einen Schlag zu bewirken, dass der Fahrer die Gesichter der Angeklagten vergisst. Den Angeklagten war bewusst, dass sie ihrem Opfer Schmerzen und Angst zufügen würden; dass jemand zu Tode kommen könnte, bedachten sie nicht.
Der Versuch der Angeklagten, ihr Vorhaben noch in derselben Nacht umzusetzen und einen Taxifahrer zu überfallen, scheiterte, weil kein Taxi anhielt. Anschließend kehrten die Angeklagten zunächst in die Wohnung des G. zurück, die sie in den frühen Morgenstunden wieder verließen, weil sie aus Frustration entschieden hatten, dass in dieser Nacht noch etwas passieren müsse. Im Folgenden fassten sie den Entschluss, den Pavillon und die Weihnachtsdekoration vor einem Café in Brand zu setzen. Zu diesem Zweck gab der Angeklagte S. dem Angeklagten F. sein Sturmfeuerzeug. Während G., der ein eigenes Feuerzeug hatte, ein Loch in die Außenhaut des Pavillons brannte, besprühte der Angeklagte F. die Dekoration mit einem mitgebrachten Deodorant und zündete sie an (II.1 der Urteilsgründe). Sodann begaben sich die Angeklagten in den Hof des in der Nähe gelegenen Pfarrzentrums, wo der Angeklagte F., ohne mit den anderen darüber gesprochen zu haben, eine etwa zur Hälfte mit Papier gefüllte Papiermülltonne vor eine unmittelbar vor dem Gebäude stehende Holzhütte schob. F. öffnete den Deckel der Tonne und zündete das darin entsorgte Papier an. Mit dieser Aktion wollte er erreichen, dass das Feuer auf die Hütte übergreift. Zu diesem Zweck hatte er sich wieder das Sturmfeuerzeug vom Angeklagten S. geben lassen, der das Vorgehen des F. billigte. Der Angeklagte G., der selbst versucht hatte, mit seinem Feuerzeug Feuer zu legen, war mit der Vorgehensweise ebenfalls einverstanden. Als das Papier in der Tonne brannte, entfernten sich die Angeklagten. Durch das Feuer, das von der durch einen Passanten alarmierten Feuerwehr gelöscht werden konnte, wurde die Hütte zerstört (II.2 der Urteilsgründe).
Am folgenden Abend begaben sich die Angeklagten in die Stadt, um ihren Plan, einen Taxifahrer zu überfallen, ins Werk zu setzen, wobei der Angeklagte S. das HDMI-Kabel und der Angeklagte F. den Schlagstock mit sich führte. Nachdem sie am Bahnhof kein Taxi bekommen hatten, suchten die Angeklagten G. und F. eine Spielhalle auf und ließen sich von der Aufsicht telefonisch ein Taxi bestellen, das 30 Minuten später eintreffen sollte. Die bis dahin verbleibende Zeit warteten die Angeklagten gemeinsam vor der Spielhalle.
Als die Nebenklägerin gegen 23.45 Uhr mit dem von ihr gesteuerten Taxi vorfuhr, setzten sich - entsprechend des zuvor abgesprochenen Tatplans - der Angeklagte S. auf die Rücksitzbank links hinter die Nebenklägerin, der Angeklagte F. mit dem in der Kleidung verborgenen Schlagstock rechts neben S. und der Angeklagte G. auf den Beifahrersitz. F. gab als Fahrtziel die Ortschaft A., Richtung Sportplatz an. Während der Fahrt sprachen die Angeklagten untereinander über Belanglosigkeiten, um Normalität vorzutäuschen. Der Angeklagte F., der sich zeitweise mit der Nebenklägerin unterhielt, fragte diese auch nach dem Fahrpreis. Um die Nebenklägerin in Sicherheit zu wiegen, gab er sodann dem Plan entsprechend dem Angeklagten G. 10 Euro sichtbar nach vorne. In A. angekommen fuhr die Nebenklägerin durch den Ort hindurch und an dem letzten Haus des Dorfes vorbei, ehe der Angeklagte F. meinte, sie könne jetzt anhalten. Die Nebenklägerin fuhr anschließend noch eine kleine Steigung in Richtung Sportplatz hoch, um dort das Auto zu wenden. Zu diesem Zweck setzte sie das Taxi auf einem kleinen Schotterstück etwas zurück. In diesem Moment, als sie gerade vorwärts fahren und anhalten wollte, ging alles ganz schnell. Der Angeklagte S., der schon mindestens zehn Minuten das Kabel auf seinem Schoß liegen hatte und nervös auf das Zeichen, dass es losgehen solle, wartete, wertete einen Blick des Angeklagten F. als Startzeichen, obwohl das Taxi erst im Anhaltevorgang war. Das zuvor verabredete Zeichen, ein Anstoßen von F., wartete er nicht mehr ab. Er legte der Nebenklägerin das HDMI-Kabel für sie nicht vorhersehbar um den Hals und zog schnell und fest zu. Die Nebenklägerin, die von dem Angriff völlig überrascht war, versuchte ihre Hände unter das Kabel zu bringen, was ihr auch gelang. Nachdem einer der Angeklagten, die mit der Gegenwehr der Nebenklägerin so nicht gerechnet hatten, gesagt hatte: „Das klappt so nicht“, stieß der Angeklagte F. mit der kurzen Seite des Schlagstocks mindestens zweimal kräftig in Richtung des Hinterkopfes der Nebenklägerin. Während der erste Stoß gegen die Kopfstütze ging, traf der zweite Stoß die Nebenklägerin rechts am Hinterkopf in Höhe des Ohrs, die daraufhin sofort bewusstlos wurde. In der aufgewühlten Atmosphäre und der Ungewissheit, ob der Widerstand der Nebenklägerin schon ganz gebrochen war, forderte F. den Angeklagten G. auf, wie geplant ebenfalls zu schlagen. G., der vom Beifahrersitz aus die Reaktionen der Nebenklägerin anders als die anderen genau wahrnahm und erkannte, dass es keines Einwirkens mehr bedurfte, um den Raub zu beenden, zögerte zunächst, kam dann aber der wiederholten Aufforderung nach und schlug der bewusstlosen Nebenklägerin mindestens zweimal mit der Faust gegen die rechte Wange. Der Angeklagte S. zog das Kabel weiterhin fest zu, wobei durch die Strangulation weder eine tiefe Strangfurche noch Stauungsblutungen hervorgerufen wurden. Die Strangulation und der Treffer mit dem Schlagstock waren konkret nicht lebensbedrohlich. Die Nebenklägerin blieb bewusstlos; die Angeklagten hörten laute Atemgeräusche, die ihnen zeigten, dass sie atmete.
Da die Angeklagten nunmehr erkannten, dass die Lage gesichert war, wies F. den Angeklagten S. an, das Fahrzeug zu verlassen. S. ließ zu diesem Zweck zunächst ein Ende des Kabels los, das F. ergriff. Entsprechend machten sie es mit dem zweiten Kabelende. So sicherten sie die Spannung des Kabels, um bei einem Erwachen der Nebenklägerin reagieren zu können. Sie fürchteten, dass die Nebenklägerin wieder zu Bewusstsein kommt, bevor sie flüchten könnten. Während F., der auf der Rücksitzbank verharrte, das Kabel festhielt und nicht locker ließ, den Druck auf den Hals der Nebenklägerin aber nicht verstärkte, begab sich der zwischenzeitlich ausgestiegene Angeklagte G. zur Fahrertür des Taxis, wo er die Geldbörse der Nebenklägerin mit knapp 300 Euro Bargeld an sich nahm und einsteckte. Den Angeklagten wurden nach der Hektik ihrer Handlungen die Not der Nebenklägerin und ihr Ringen nach Luft bewusst. Dass sie jemanden verletzen würden, hatten sie bewusst in Kauf genommen, wie aber eine bewusstlose und leidende Person aussieht, hatten sie nicht bedacht.
Dem Drängen des Angeklagten G., nun endlich zu flüchten, folgend, stieg der Angeklagte F. ebenfalls aus dem Fahrzeug aus. Gemeinsam rannten die Angeklagten davon, nicht weil sie glaubten, schon von einem Dritten entdeckt zu werden, sondern weil sie damit rechneten, dass die Nebenklägerin aufwacht, oder aber fürchteten, dass sie stirbt. F., der hinter den anderen Angeklagten lief, rief den beiden zu, dass sie einen Rettungswagen rufen müssen. Der Gedanke, dass die Nebenklägerin ohne ihre Hilfe und ohne weiteres Zutun versterben könnte, reifte bei den Angeklagten zur konkreten Möglichkeit. Während sie darüber diskutierten, einen Notarzt zu rufen, schauten sie zurück in Richtung des Taxis. Im Gespräch wurde ihnen klar, dass die Nebenklägerin noch nicht wieder losgefahren war. Der Angeklagte F. kam nun auf den Gedanken, dass die Nebenklägerin sich an ihrem Speichel oder an sonstigen Flüssigkeiten, die sie hochwürgen könnte, verschlucken und ersticken könnte. Da G. und S. fürchteten, durch einen Notruf identifiziert und überführt werden zu können, entschieden sie gemeinsam, die Nebenklägerin sich selbst zu überlassen und mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Mobiltelefon keinen Notruf abzusetzen. Sie liefen weiter in den Wald hinein und nahmen den Tod der Nebenklägerin billigend in Kauf. Der Angeklagte F. trug die Entscheidung bewusst mit, auch er wollte nicht „erwischt“ werden. Noch im Wald teilten sie die Beute, die Geldbörse und Papiere der Nebenklägerin sowie das Kabel und den Schlagstock warfen sie weg.
Die Nebenklägerin erwachte nach ca. sieben Minuten aus der Bewusstlosigkeit. Ihr Hals schmerzte; sie hatte eingenässt, konnte nicht richtig schlucken und glaubte, innerlich verbrennen zu müssen, weshalb sie ausstieg und sich auf den Teer legen wollte, um sich zu kühlen. Als sie realisierte, was ihr geschehen war, setzte sie sich panisch zurück ins Fahrzeug und fuhr in die Ortschaft, von wo aus sie mit ihrem Mobiltelefon die Polizei rief (II.3 der Urteilsgründe).
Das Landgericht hat die Angeklagten im Fall II.3 der Urteilsgründe jeweils des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen schuldig gesprochen. Eine Strafbarkeit der Angeklagten auch wegen tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer nach § 316a Abs. 1 StGB hat es verneint, weil ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs, die an diesem abgelegenen Ort ohnehin zweifelhaft erschienen, von den Angeklagten weder geplant noch gewollt gewesen sei.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind in vollem Umfang begründet. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass das Landgericht eine Verurteilung der Angeklagten jeweils auch wegen tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer mit rechtlich unzutreffenden Erwägungen verneint hat. Dies führt zur Aufhebung der Verurteilungen im Fall II.3 der Urteilsgründe, der Strafaussprüche bei den Angeklagten S. und G. sowie des gegen den Angeklagten F. ergangenen Gesamtstrafenausspruchs.
1. Die Strafvorschrift des § 316a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass bei dem auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit des Fahrers eines Kraftfahrzeugs verübten Angriff die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt werden. Danach ist erforderlich, dass der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als Kraftfahrzeugführer unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen wird. In objektiver Hinsicht ist dies der Fall, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deswegen leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2005 - 4 StR 299/04, BGHSt 50, 169, 172; vom 25. September 2007 - 4 StR 338/07, BGHSt 52, 44, 46). Befindet sich das Fahrzeug beim Verüben des Angriffs in Bewegung, liegt diese Voraussetzung regelmäßig vor, weil dem Führer eines sich fortbewegenden Kraftfahrzeugs die Gegenwehr gegen den Angriff infolge der Beanspruchung durch das Lenken des Fahrzeugs wegen der damit verbundenen Konzentration auf die Verkehrslage und die Fahrzeugbedienung erschwert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2012 - 4 StR 244/12, NStZ 2013, 43; Urteil vom 23. April 2015 - 4 StR 607/14, NStZ 2015, 653, 654 m. krit. Anm. Sowada, StV 2016, 292, 294). Subjektiv ist ausreichend, dass sich der Täter - entsprechend dem Ausnutzungsbewusstsein bei der Heimtücke nach § 211 Abs. 2 StGB - in tatsächlicher Hinsicht der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bewusst ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2005 - 4 StR 299/04 aaO; vom 25. September 2007 - 4 StR 338/07 aaO).
2. An diesen Maßstäben gemessen halten die Erwägungen, mit denen das Landgericht ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs verneint hat, einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen fand der mit dem Kabel geführte Angriff des Angeklagten S. auf die Nebenklägerin zu einem Zeitpunkt statt, als das Taxi noch rollte und die Nebenklägerin infolgedessen mit der Bedienung des Fahrzeugs befasst war. Damit liegen - entgegen der Bedenken des Landgerichts - objektiv die Voraussetzungen für ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs vor, ohne dass es darauf ankommt, dass sich die Tat an einem einsamen Ort ohne weiteres Verkehrsaufkommen ereignete. Soweit die Jugendkammer in subjektiver Hinsicht darauf verweist, dass ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs von den Angeklagten nicht geplant worden sei, stellt sie auf einen unzutreffenden Beurteilungszeitpunkt ab. Denn für die subjektive Tatseite maßgeblich ist nicht ein früherer Tatplan, sondern die konkrete subjektive Vorstellung der Täter bei Ausübung des Angriffs. Schließlich hat die Jugendkammer nicht bedacht, dass für die subjektive Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nicht erforderlich ist, dass der Täter sich durch die verkehrsspezifischen Umstände zielgerichtet einen Vorteil für sein Angriffsvorhaben verschaffen will. Es reicht vielmehr aus, dass er die sich aus den besonderen Verhältnissen des Straßenverkehrs ergebenden tatsächlichen Umstände in der Weise erkennt, dass er sich bewusst ist, ein hierdurch in seinen Abwehrmöglichkeiten beeinträchtigtes Tatopfer anzugreifen.
3. Der Umstand, dass der Angeklagte S. mit seinem noch vor dem Anhalten des Taxis verübten Angriff auf die Nebenklägerin von dem gemeinsamen Tatplan abwich, schließt nicht aus, sein Vorgehen den Angeklagten G. und F. im Wege der (sukzessiven) Mittäterschaft zuzurechnen.
Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, nicht zugerechnet werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Zurechnung keine ins Einzelne gehende Vorstellung von den Handlungen des anderen Tatbeteiligten erfordert. Regelmäßig werden die Handlungen des anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden musste, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn er mit der Handlungsweise seines Tatgenossen einverstanden oder sie ihm zumindest gleichgültig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 5. August 2010 - 3 StR 210/10; vom 26. April 2012 - 4 StR 51/12, NStZ 2012, 563; vom 19. März 2013 - 5 StR 575/12, NStZ 2013, 400). Sukzessive Mittäterschaft kommt in Betracht, wenn ein Täter in Kenntnis und mit Billigung des bisher Geschehenen - selbst bei Abweichungen vom ursprünglichen Tatplan in wesentlichen Punkten - in eine bereits begonnene Ausführungshandlung eintritt und er sich mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet. Sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm die gesamte Tat zugerechnet werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, 281; vom 14. Februar 2012 - 3 StR 446/11, NStZ 2012, 379, 380; vom 22. Mai 2013 - 2 StR 14/13, NStZ-RR 2014, 73; Urteil vom 14. Januar 2016 - 4 StR 72/15, NStZ 2016, 211, 214 Rn. 20). Angesichts dessen, dass der Angeklagte S. mit seinem geringfügig zeitlich vorgezogenen Angriff auf das Tatopfer nur unwesentlich von der gemeinsamen Tatplanung abwich und die Angeklagten im Folgenden den Überfall wie verabredet arbeitsteilig durchführten, liegt es danach nicht fern, dass der Angriff auf die noch mit der Bedienung des in Bewegung befindlichen Taxis befasste Nebenklägerin auch vom Wollen der Angeklagten G. und F. umfasst war oder sich jedenfalls deren Vorsatz sukzessiv auf dieses Vorgehen erstreckte.
4. Die Schuldsprüche wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung haben damit keinen Bestand. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils ist indes auch auf die Verurteilungen jeweils wegen tatmehrheitlich begangenen versuchten Mordes durch Unterlassen zu erstrecken, weil die strafrechtliche Würdigung des Unterlassens von Rettungsbemühungen seitens der Angeklagten im Anschluss an den verübten Überfall nicht unabhängig von der neu vorzunehmenden tatrichterlichen Bewertung des Überfalls selbst erfolgen kann. Sollte der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter zur Feststellung eines mit Tötungsvorsatz begangenen Überfalls der Angeklagten auf die Nebenklägerin gelangen, wäre für eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen kein Raum. Dabei kann offenbleiben, ob in dieser Fallkonstellation bereits keine Pflicht zur Erfolgsabwendung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995 - 1 StR 465/95, NStZ-RR 1996, 131) oder es sich bei dem Verhältnis von Begehungs- zum nachfolgenden Unterlassungsunrecht um eine Konkurrenzfrage handelt (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 13 Rn. 57 mwN; Kudlich in Satzger/ Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 13 Rn. 22 mwN). Jedenfalls fehlte es an der Verdeckung einer anderen Tat (vgl. BGH, Urteile vom 12. Dezember 2002 - 4 StR 297/02, NStZ 2003, 312, 313; vom 14. Dezember 2006 - 4 StR 419/06, NStZ-RR 2007, 111; Beschluss vom 21. April 2009 - 1 StR 73/09, NStZ-RR 2009, 239).
Die Revisionen der Angeklagten G. und F. bleiben ohne Erfolg.
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 16. Dezember 2015 genannten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch bei der Anwendung von Jugendstrafrecht die Erwägungen zur Strafzumessung nicht mit solchen zur Strafaussetzung zur Bewährung vermischt werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 StR 85/08, NStZ 2008, 693; Radtke in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 21 JGG Rn. 3 mwN).
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 627
Externe Fundstellen: NStZ 2016, 607
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede