HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 113
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 374/13, Beschluss v. 17.12.2013, HRRS 2014 Nr. 113
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 25. Februar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, bezüglich des Angeklagten H., soweit er verurteilt wurde.
Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gemeinschaftlich begangenen Betruges in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, den Angeklagten J. zudem wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in zwölf Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren und sechs Monaten (Angeklagter H.) bzw. vier Jahren und sechs Monaten (Angeklagter J.) verurteilt; im Übrigen wurde der Angeklagte H. freigesprochen. Mit den Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.
Die Revisionen der Angeklagten dringen mit gleichlautenden Verfahrensrügen, mit denen sie jeweils die rechtsfehlerhafte Ablehnung von drei Beweisanträgen geltend machen, zu dem unter II. A der Urteilsgründe geschilderten Tatkomplex durch.
1. Den beiden Rügen liegt das folgende Verfahrensgeschehen zugrunde:
Das Landgericht hat drei Beweisanträge der Angeklagten wegen (tatsächlicher) Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Mit diesen hatten sie die Vernehmung von zwei Notariatsangestellten und eines Angestellten eines Autohauses zum Beweis der Tatsache begehrt, dass im Jahr 2006 Personen mit den Namen O., H. M. bzw. F. G. - jeweils unter Vorlage eines österreichischen Personalausweises - in deren Notariaten bzw. in dessen Autohaus gewesen seien und notarielle Kaufverträge über ein Grundstück unterzeichnet bzw. einen VW Touareg erworben hätten. Zur Begründung der Beweisanträge hatten sie ausgeführt, dass die Zeugen bekunden würden, die ihnen gegenüber aufgetretene Person mit dem Namen O., H. M. bzw. F. G. sei nicht der Angeklagte H. und darüber hinaus identisch mit der Person gewesen, welche auf den in diesem Verfahren gegenständlichen gefälschten österreichischen Personalausweisen abgebildet sei.
Das Landgericht hat die - zulässigen - Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt, die von den Angeklagten aus den Beweistatsachen gezogenen Schlussfolgerungen seien nicht nachvollziehbar, zwingend daher erst recht nicht. Denn es sei "nicht ersichtlich, welchen Zusammenhang mit der Urteilsfindung es haben soll, wenn unbekannte Dritte außerhalb der hier verhandelten Lebenssachverhalte unter Verwendung gefälschter österreichischer Personalausweise im Geschäftsleben aufgetreten sein sollen"; auch erschließe sich nicht, "welche Rückschlüsse das auf die hier verhandelten Straftaten haben soll".
2. Die Ablehnung der Beweisanträge begegnet durchgreifenden Bedenken.
a) Zwar ist der Ansatz zutreffend, dass eine Hilfstatsache in tatsächlicher Hinsicht (auch) dann bedeutungslos ist, wenn nicht erkennbar ist, warum die Beweisbehauptung den behaupteten Schluss zulässt, wenn also letztlich ein Zusammenhang zwischen der Beweisbehauptung einerseits und dem Anklagevorwurf andererseits fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2013 - 1 StR 553/12, NStZ 2013, 352, 353; LR-Becker, 26. Aufl., § 244 Rn. 220 Fn. 1134 mwN). Allgemeinabstrakte Grundsätze darüber, in welcher Beziehung die Beweistatsache zu dem Verfahrensgegenstand stehen muss, wenn sie für seine Beurteilung Bedeutung haben soll, lassen sich kaum aufstellen. Im Kern kommt es darauf an, ob im konkreten Fall nach allgemeiner - oder jedenfalls richterlicher - Erfahrung der aufgezeigte Zusammenhang erkennbar ohne Weiteres sicher zu verneinen ist (BGH, aaO; vgl. Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., S. 451).
b) Gründe, aus denen sich eine solche Bedeutungslosigkeit hier ergibt, legt das Landgericht nicht dar; es teilt vielmehr lediglich seine Wertung fehlender Nachvollziehbarkeit der Schlussfolgerungen und fehlender Erkennbarkeit des Zusammenhangs mit der Urteilsfindung mit. In einem Beschluss, durch den ein Beweisantrag als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos abgelehnt wird, sind die hierfür maßgeblichen Erwägungen aber zumindest in ihrem Kern konkret darzulegen, um dem Antragsteller zu ermöglichen, sein weiteres Prozessverhalten entsprechend einzurichten (st. Rspr.; BGH, aaO mwN). Dementsprechend hat der Senat, dem im Übrigen eine eigene Beweiswürdigung verwehrt ist, nicht darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls wie hier die Annahme einer solchen Bedeutungslosigkeit zu begründen wäre.
c) Die Gründe für die Bedeutungslosigkeit verstehen sich auch weder von selbst, noch ist offensichtlich, dass der Nachweis der Beweistatsache für die Angeklagten nichts erbracht hätte.
aa) Das Landgericht verkennt bereits, dass das Auftreten weiterer Personen im Geschäftsverkehr unter Verwendung von Personalien, die auch der Angeklagte H. unter Vorlage gefälschter österreichischer Ausweise verwendet haben soll, den - zumindest nicht fernliegenden - Schluss zulässt, diese Personen hätten die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten begangen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Personen - wie behauptet - im Tatzeitraum in derselben Region gehandelt und dabei ebenfalls österreichische Personalpapiere verwendet haben sollen.
bb) Die Beweiswürdigung des Landgerichts weist zwar in Bezug auf die Täterschaft des Angeklagten H. für sich einen sachlich-rechtlichen Mangel nicht auf. Eine erdrückende Beweissituation ist gleichwohl nicht gegeben, die die Darlegung der Gründe für die Bedeutungslosigkeit ausnahmsweise hätte entbehrlich machen können. Denn die Überzeugung des Landgerichts von der Täterschaft des sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache einlassenden Angeklagten ergibt sich lediglich aus einer Gesamtschau mehrerer Indizien, die jedes für sich allein betrachtet jedoch für eine sichere Überzeugungsbildung nicht ausreichten (UA S. 17).
Da eine Bestätigung der unter Beweis gestellten Tatsachen auch nicht ohne Weiteres mit dem bisherigen Beweisergebnis vereinbar war und möglicherweise zu einer anderen Gewichtung weiterer Beweismittel geführt hätte, kann der Senat nicht sicher ausschließen, dass die Verurteilung des Angeklagten H. auf der fehlerhaften Ablehnung der Beweisanträge beruht.
Gleiches gilt bezüglich des Angeklagten J. in Anbetracht des Umstandes, dass die Angeklagten nach den Feststellungen in sämtlichen Fällen aufgrund gemeinsamen, mehraktigen Tatplans mittäterschaftlich vorgegangen sind.
Die Revision des Angeklagten J. führt auf die allgemeine Sachrüge auch zur Aufhebung der Verurteilung in dem unter II. B der Urteilsgründe geschilderten Tatkomplex. Der Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in zwölf Fällen steht möglicherweise ein Verfahrenshindernis entgegen.
1. Der Angeklagte erfüllte im Zeitraum von Juli bis September 2006 in zwölf Fällen nicht die ihm als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der A. GmbH mögliche und zumutbare Verpflichtung, Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung an die zuständigen Einzugsstellen abzuführen. Im Folgenden verkaufte er die Gesellschaft zum 12. Oktober 2006 an den Angeklagten H. und dieser wurde zum Geschäftsführer bestellt.
2. Nach diesen Feststellungen könnten die Taten zum Zeitpunkt der Anklageerhebung bereits verjährt gewesen sein.
Ist der Angeklagte durch den im Oktober 2006 erfolgten Verkauf als Geschäftsführer der Gesellschaft ausgeschieden, erlosch seine Beitragspflicht und die Taten waren beendet (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 266a Rn. 18a). Dann wäre die Verjährungsfrist von fünf Jahren gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB bereits zum Zeitpunkt der Anklageerhebung am 4. Januar 2012 abgelaufen gewesen. Dem am 7. Januar 2007 erlassenen richterlichen Durchsuchungsbeschluss kam eine Unterbrechungswirkung gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht zu, weil der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden sich erkennbar allein auf die unter II. A der Urteilsgründe dargestellten Taten beschränkte.
Der Senat kann den Eintritt der Verjährung nicht abschließend selbst überprüfen. Obgleich nach den Feststellungen eine weitere Geschäftstätigkeit der Gesellschaft unterblieb, war der Angeklagte J. vor dem Hintergrund der festgestellten engen Kooperation mit dem Angeklagten H. möglicherweise auch nach dem Verkauf der von ihm gegründeten Gesellschaft weiter als faktischer Geschäftsführer tätig, so dass die Taten zu einem späteren Zeitpunkt beendet worden sein können. Dies festzustellen ist Aufgabe des Tatrichters.
Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang. Für die neue Verhandlung der Sache weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Die Ausführungen des Landgerichts zu den jeweiligen tatbestandlichen Vermögensschäden in den unter II. A der Urteilsgründe dargestellten Fällen lassen jedenfalls die Annahme eines zu hohen Schadensumfangs besorgen. Die Darlegungen zur Unwirksamkeit der Grundschuldeintragungen sowie zur fehlenden Werthaltigkeit der Grundschulden sind lückenhaft.
a) Es fehlen konkrete Feststellungen zumindest zur Ausgestaltung der jeweiligen Grundschuldbestellungen einschließlich eventueller Erleichterungen der Durchsetzung der Grundpfandrechte und zum Inhalt der maßgeblichen Grundbücher.
b) Daneben geht das Landgericht zwar zutreffend davon aus, dass ein Grundstückskaufvertrag und die Einigung über den Eintritt des Eigentumsübergangs nach § 873 BGB unwirksam sind, sofern ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB vorliegt. Obgleich in diesem Fall die Eintragung der Rechtsänderung das Grundbuch unrichtig macht (Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 873 Rn. 1), führt dieses Scheingeschäft indessen nicht notwendig zur Unwirksamkeit einer später unter Mitwirkung eines Nichtberechtigten erfolgten Eintragung einer Grundschuld in das Grundbuch.
aa) Denn die für die Wirksamkeit einer rechtsgeschäftlichen Verfügung eines Nichtberechtigten nach § 185 Abs. 1 BGB erforderliche Zustimmung des Berechtigten kann nach § 182 Abs. 1 BGB sowohl dem einen als auch dem anderen Teil des an dem Rechtsgeschäft Beteiligten gegenüber erklärt werden. Diese Willenserklärung kann zwar unter der Voraussetzung eines Scheingeschäfts im Sinne des § 117 BGB nichtig sein. Den Urteilsgründen ist jedoch nicht hinreichend zu entnehmen, ob der Angeklagte J. die Zustimmung zu den Grundschuldbestellungen ausschließlich dem Angeklagten H. oder auch den hinsichtlich der Scheinabrede nicht informierten Grundpfandrechtsgläubigern gegenüber erklärte.
bb) Zudem wird nach § 892 BGB die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuches zugunsten des gutgläubigen Erwerbers fingiert, d.h. das eingetragene Recht gilt mit dem eingetragenen Gegenstand und Inhalt und der eingetragene Berechtigte gilt als wahrer Berechtigter (Palandt/Bassenge, aaO, § 892 Rn. 1, 13 f.). Trifft folglich ein Nichtberechtigter, der jedoch im Grundbuch als Berechtigter eingetragen ist, bezüglich des Grundstücks eine rechtsgeschäftliche Verfügung, kommt gutgläubiger Erwerb nach § 892 BGB in Betracht. Die Eintragung ins Grundbuch und der gute Glaube ersetzen das fehlende Recht des Verfügenden. Dies gilt entgegen der Ansicht des Landgerichts auch zugunsten des Ersterwerbers einer Grundschuld.
c) Schließlich erweist sich die Wertung des Landgerichts, die eingetragenen Grundschulden seien nicht werthaltig, weil ihre Verwertung nicht mit unerheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand realisierbar sei, ohne dass der Schuldner dies verhindern könne, als nicht tragfähig begründet.
Die diesbezüglichen Ausführungen, die Zustellungen seien im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens wegen der Verwendung von Personalien nicht existierender Personen bei gleichzeitiger Unkenntnis der Gläubiger von den tatsächlichen Kontaktdaten des Schuldners nicht möglich gewesen, sind nicht ohne Weiteres mit dem Umstand in Einklang zu bringen, dass die Gläubiger in den Fällen II. A 1., II. A 3. und II. A 5. der Urteilsgründe Verwertungserlöse erzielten, weil zu diesem Zeitpunkt die falsche Identität des Kreditnehmers noch nicht bekannt war (vgl. UA S. 31). Es hätte daher näherer Darlegungen zu dem zeitlichen und finanziellen Aufwand der Verwertungen bzw. deren Scheitern bedurft, um die fehlende Werthaltigkeit der Grundschulden hinreichend zu belegen.
2. Das Landgericht hat die Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hinsichtlich der Angeklagten rechtsfehlerfrei abgelehnt. Ihre hierauf abzielenden Revisionsbegründungen zeigen einen Rechtsfehler nicht auf.
HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 113
Externe Fundstellen: NStZ 2014, 168; StV 2014, 263
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel