HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 1111
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 419/07, Beschluss v. 23.10.2007, HRRS 2007 Nr. 1111
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 10. Mai 2007 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 2 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden ist; insoweit werden die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt;
b) das genannte Urteil im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in zehn Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung, und des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die übrigen Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in elf Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich mit sexueller Nötigung, und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt:
"Die Revision weist zu Recht auf die Verjährung des Falles II. 2. hin. Die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zum Nachteil der Zeugin Michaela H. (Fall II. Ziffer 2) muss entfallen, weil insoweit Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Die Verjährungsfrist für § 176 Abs. 5 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 2. Januar 1975 oder der gleichlautenden Fassung vom 10. März 1987, der Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht, beträgt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Die Tat wurde im Jahre 1986 bzw. 1987 begangen und ist damit spätestens 1992 verjährt (...), so dass die verjährungsunterbrechenden Maßnahmen (Anordnung der ersten verantwortlichen Vernehmung des Beschuldigten am 15. November 2006, § 78 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, Haftbefehl vom 6. Dezember 2006, § 78 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StGB, und Erhebung der öffentlichen Klage am 31. Januar 2007, § 78 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB) nicht mehr greifen konnten.
Die beantragte Änderung des Schuldspruchs hat keinen Einfluss auf den Strafausspruch. Der Wegfall der Einzelstrafe im Fall II. 2. (Freiheitsstrafe von 3 Monaten) lässt die Gesamtstrafe unberührt, da ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht bei zutreffender Anwendung der Verjährungsregelung eine mildere Gesamtstrafe festgesetzt hätte (vgl. hierzu BGH, [Beschluss] vom 5. Juni 2007 - 4 StR 53/07). Im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten in 13 Fällen zu Einzelfreiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr und sechs Monaten fällt der Wegfall einer Einzelstrafe von drei Monaten nicht ins Gewicht.
Zudem hindert das Verfahrenshindernis der Verjährung den Tatrichter nicht, das im Urteil festgestellte Gesamtverhalten eines Angeklagten zu berücksichtigen und die zu verhängende Strafe dem so ermittelten Unrechtsgehalt anzupassen (vgl. BGH, [Beschluss] vom 28. September 1993 - 1 StR 576/93; BGH, [Beschluss] vom 21. November 1996 - 1 StR 613/96).
Im Übrigen können ausreichend festgestellte verjährte Taten straferschwerend berücksichtigt werden, wenn auch mit geringerem Gewicht (st. Rspr.; vgl. BGH, [Beschluss] vom 8. Oktober 1996 - 1 StR 584/96; BGH, [Beschluss] vom 8. März 2006 -1 StR 67/06; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 19 und 24 m.w.N.). Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist auszuschließen, dass das Landgericht auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs eine geringere Gesamtstrafe festgesetzt hätte".
Dem tritt der Senat bei.
HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 1111
Bearbeiter: Karsten Gaede