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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1385

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 71/24, Beschluss v. 23.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1385


BGH 3 StR 71/24 - Beschluss vom 23. Juli 2024 (LG Koblenz)

Betäubungsmittelstrafrecht; bewaffnetes Handeltreiben mit Cannabis; Besitz von Cannabis (Eigenkonsum; Freigrenze); zeitliche Geltung von Strafgesetzen (lex mitior; milderes Gesetz).

§ 29 BtMG; § 34 KCanG; § 2 Abs. 3 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 21. November 2023

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Cannabis und mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;

b) im Strafausspruch und im Ausspruch über die Anordnung des Vorwegvollzugs aufgehoben; jedoch werden die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Entscheidung über den Vorwegvollzug getroffen. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hielt der Angeklagte am 24. Mai 2023 in seiner Wohnung verschiedene Drogen vorrätig, die zum größten Teil zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Er wollte sich dadurch im Sinne einer dauerhaften Einnahmequelle neben den Kosten der Lebenshaltung seinen eigenen Rauschgiftkonsum sowie seine Glücksspielsucht finanzieren. Er bewahrte im Schlafzimmer 176,64 Gramm Marihuana mit mindestens 30 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) auf. Weiterhin lagerten dort 90,18 Gramm Kokain, die mindestens 73,9 Gramm Kokainhydrochlorid enthielten. Im selben Raum befanden sich ein Luftgewehr nebst zugehöriger Munition, das der Angeklagte als geübter Schütze binnen 15 Sekunden hätte laden und schussbereit machen können, sowie - ebenfalls zugriffsbereit - eine Machete. Beide Gegenstände dienten zur Sicherung des vorgenannten Rauschmittelvorrats bzw. der Verkaufsgeschäfte. In anderen Räumen der Wohnung hielt der Angeklagte schließlich 345,49 Gramm Amphetamin mit einem Amphetaminbasegehalt von 37,43 Gramm sowie 111,26 Gramm Haschisch mit 23,1 Gramm THC vor. Mit Ausnahme von 8,83 Gramm Marihuana, 10 Gramm Kokain (8,18 Gramm Kokainhydrochlorid) und 10 Gramm Amphetamin (3,36 Gramm Amphetaminbase) waren die Drogen für den Weiterverkauf bestimmt.

Das Landgericht hat hinsichtlich der Verkaufsmenge den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, hinsichtlich der für den eigenen Konsum bestimmten Drogen denjenigen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG als verwirklicht angesehen.

2. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist der - nach der zum Urteilszeitpunkt geltenden Gesetzeslage ebenfalls rechtsfehlerfreie - Schuldspruch zu ändern. Denn nach § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO ist vom Revisionsgericht das zum 1. April 2024 in Kraft getretene Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG; BGBl. I Nr. 109) zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt der Umgang mit Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern allein dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2024 - 5 StR 136/24, NStZ 2024, 416 Rn. 2).

a) Der Angeklagte hat sich danach wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 4 KCanG strafbar gemacht, soweit das für den Weiterverkauf vorgesehene Marihuana und Haschisch betroffen ist.

b) Bezüglich der weiteren zum Verkauf vorrätig gehaltenen Drogen verbleibt es bei einer Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, weil der Angeklagte das Luftgewehr und die Machete jedenfalls zur Verteidigung des Kokains bereithielt. Da dieses nach den Urteilsfeststellungen mit dem Amphetamin einen gemeinsamen Verkaufsvorrat bildete, liegt insoweit eine Bewertungseinheit und in der Folge - vom Landgericht zutreffend erkannt - nur eine Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. April 2023 - 3 StR 47/23, NStZ-RR 2023, 211 f.; vom 5. Juni 2019 - 2 StR 287/18, NStZ 2020, 227 Rn. 6; Patzack/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 30a Rn. 23).

c) Der Besitz des für den Eigenkonsum vorgesehenen Marihuanas ist straflos, weil es sich dabei um weniger als 60 Gramm handelte (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG). Es bedarf insoweit aber keines Teilfreispruchs, da mit der Verurteilung wegen derselben Tat im Übrigen die Erledigung des gesamten Verfahrensgegenstandes einhergeht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 3 StR 176/02, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 14; Urteil vom 24. September 1998 - 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196, 201 f.).

§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

3. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Zwar bestimmt sich die Strafe gemäß § 52 Abs. 2 StGB weiterhin nach dem Strafrahmen des § 30a Abs. 1 und 2 BtMG. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Beachtung der gesetzgeberischen Wertung, nach der ausweislich des milderen Strafrahmens aus § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG dem hier tateinheitlich verwirklichten Delikt ein geringerer Unrechtsund Schuldgehalt zukommt, die Freiheitsstrafe niedriger bemessen hätte.

4. Die Aufhebung des Strafausspruchs entzieht dem Ausspruch über den Vorwegvollzug nach § 67 Abs. 2 StGB die Grundlage.

Der Senat weist für den neuen Rechtsgang darauf hin, dass dem Umstand, Cannabis sei eine „weiche Droge“, keine strafmildernde Wirkung mehr zukommt, weil das Konsumcannabisgesetz ausschließlich den Umgang mit dieser Droge regelt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024 - 6 StR 73/24, juris Rn. 8).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1385

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede