HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1397
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 205/24, Beschluss v. 20.08.2024, HRRS 2024 Nr. 1397
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 7. Februar 2024
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass er der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt und eine Anrechnungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Generalbundesanwalt hat zur Begründung seines Antrags das Folgende ausgeführt:
„II. Aufgrund der ergangenen Gesetzesänderung zum Umgang mit Cannabis ist allerdings der Schuldspruch zu berichtigen.
1. Das zum 1. April 2024 in Kraft getretene Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (CanG, BGBl. I Nr. 109) hat Cannabisprodukte dem Anwendungsbereich des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) entzogen (BT-Drs. 20/8704, S. 185) und hierfür eigene Regelwerke geschaffen; das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG; BGBl. I Nr. 109) sowie das Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken (MedCanG; BGBl. I Nr. 109).
2. Mangels Vorliegens einer Übergangsvorschrift ist auf sog. ,Altfälleʻ gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO das mildere Gesetz anzuwenden. Die Ermittlung des mildesten Gesetzes erfolgt durch einen im konkreten Einzelfall vorzunehmenden Vergleich der nach beiden Gesetzen zulässigen Hauptstrafen (vgl. BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, 60. Ed. 1.2.2024, StGB § 2 Rn. 5; LK/Dannecker/Schuhr, 13. Aufl. 2020, § 2 StGB Rn. 134).
3. Hieran gemessen ist vorliegend das Konsumcannabisgesetz das mildere Gesetz iSd § 2 Abs. 3 StGB. Denn der Angeklagte ist seinerzeit der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen worden. Dementsprechend hat das Landgericht bei der Bemessung der tat- und schuldangemessenen Strafe - seinerzeit rechtsfehlerfrei - den nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (drei Monate bis elf Jahren und 3 Monaten, UA S. 19 oben) zugrunde gelegt. Der nach den vorgenannten Vorschriften gemilderte Strafrahmen des § 34 Abs. 3 KCanG beträgt ein Monat bis drei Jahre und neun Monate und stellt damit den tätergünstigeren Strafrahmen dar. Noch milder wäre es, die Indizwirkung des Regelbeispiels zu verneinen. Folglich ist der Schuldspruch dahingehend abzuändern, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis schuldig ist.
4. Der Schuldspruchberichtigung steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte ersichtlich nicht anders und erfolgreicher hätte verteidigen können (vgl. BeckOK StPO/Wiedner, 50. Ed. 1. Januar 2024, StPO § 354 Rn. 43).
III. Damit vermag der Strafausspruch revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand zu halten.
Denn die Kammer hat bei der Strafbemessung - seinerzeit zutreffend - den nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt, der durch das am 1. April 2024 in Kraft getretene KCanG allerdings keine Anwendung mehr für Straftaten findet, die den Umgang mit Cannabisprodukten betreffen (vgl. oben II.). Wie bereits oben dargestellt, ist nunmehr gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO der nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des zum 1. April 2024 in Kraft getretenen § 34 Abs. 1, 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG zugrunde zu legen, der einen milderen Strafrahmen vorsieht, sofern nicht bereits die Indizwirkung des Regelbeispiels verneint wird.
Auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Kammer strafmildernd gewichtet hat, dass es sich bei Marihuana um eine ,weiche Drogeʻ handelt (UA S. 20 oben), kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kammer auf eine mildere Strafe erkannt hätte.
Die Feststellungen können jedoch bestehen bleiben und widerspruchfrei ergänzt werden; Erwägungen, die unter Geltung des Konsumcannabisgesetzes nicht mehr ohne Weiteres Berücksichtigung finden können (wie die Einordnung als sog. ,weiche Drogeʻ [s. UA 20 oben], die bereits im reduzierten Strafrahmen Niederschlag gefunden hat, vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2024 - 6 StR 116/24 Rn. 5), betreffen allein Wertungsfragen. Dem neuen Tatrichter steht es frei, der untergeordneten Rolle des Angeklagten stärkeres Gewicht als bisher beizumessen (vgl. UA S. 20 unten, 21 f.). Darüber hinaus kann der neue Tatrichter prüfen, ob der Angeklagte - wie von der Revision vorgetragen (RB S. 5) - durch die Untersuchungshaft besonders belastet ist.“
Dem schließt sich der Senat an.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1397
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede