HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1012
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 379/23, Beschluss v. 16.05.2024, HRRS 2024 Nr. 1012
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2022, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch und im Ausspruch über die Einziehung des Grundstücks aufgehoben; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „vorsätzlicher“ Geldwäsche zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es die Einziehung eines Grundstücks angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der - am 12. April 1997 geborene - Angeklagte und seine Eltern fassten im Jahr 2017 den Entschluss, aus Betrugstaten zum Nachteil des Jobcenters stammendes Geld, welches in das Familienvermögen geflossen war, unter Verschleierung der illegalen Herkunft für den Kauf einer Immobilie einzusetzen. Der Kaufpreis sollte zum Teil aus dem Familienvermögen erbracht und im Übrigen finanziert werden; die monatlichen Raten sollten aus dem Erlös der Betrugstaten zum Nachteil des Jobcenters stammen. In Umsetzung des Plans schied der Angeklagte am 31. August 2017 aus dem Sozialleistungsbezug und den bestehenden Bedarfsgemeinschaften der Familie aus.
Am 20. Juli 2018 schloss der Angeklagte einen Darlehensvertrag über einen Betrag in Höhe von 500.000 € und zudem einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 500.000 €. Die Ansprüche aus dem Bausparvertrag trat er zum Zwecke der Darlehenssicherung an die finanzierende Bank ab. Die monatlichen Belastungen beliefen sich auf einen Betrag von 937,50 €, der an die Bank zu zahlen war, und einen solchen von 1.152 € für den Bausparvertrag. Mit notariellem Kaufvertrag vom 2. August 2018 erwarb der Angeklagte ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 650.000 €. Am 30. Oktober 2018 wurde er als Alleineigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Um die illegale Herkunft des als Eigenkapitalanteil genutzten Geldes zu verschleiern, zahlte der Angeklagte Bargeld in Höhe von insgesamt 182.500 € in kleineren Teilbeträgen über Dritte auf seinem Girokonto bei einer Sparkasse ein. In wenigstens zwölf Fällen übergab er den jeweiligen bemakelten Teilbetrag (insgesamt mindestens 68.500 €) bar an Dritte, die das Geld ihrem jeweiligen Konto gutschreiben ließen und anschließend auf das Girokonto des Angeklagten überwiesen. Dabei gaben sie zur Verschleierung der Herkunft des Geldes einen unzutreffenden Verwendungszweck an. In wenigstens zwei weiteren Fällen überwiesen zunächst Dritte den Betrag an den Angeklagten, der ihn sodann bar aus dem Familienvermögen an sie zurückzahlte. Die Überweisungen wurden im Zeitraum vom 4. Januar 2018 bis 16. Februar 2018 vorgenommen. Am 9. August 2018 transferierte der Angeklagte von seinem Girokonto 205.250 € als Eigenkapital auf sein Darlehenskonto.
2. Das Landgericht hat vor dem Hintergrund, dass sämtliche Tathandlungen (die Übergabe des Geldes an die Dritten und die Überweisung des Geldes auf das Darlehenskonto) demselben Erfolg dienten, nämlich dem Erwerb des Grundstücks unter Verschleierung der Herkunft des hierzu aufgewendeten inkriminierten Geldes, eine natürliche Handlungseinheit und damit eine einheitliche Geldwäschetat angenommen.
Die auf die Sachbeschwerde veranlasste sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils führt zur Aufhebung des Strafausspruchs und des Ausspruchs über die Einziehung des Grundstücks.
1. Der Schuldspruch ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. Der Strafausspruch hält hingegen sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Denn die Strafkammer hat nicht erörtert, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anzuwenden ist, obwohl hierzu Anlass bestand.
Der Angeklagte, der am 12. April 2018 das 21. Lebensjahr vollendete, beging die Tat sowohl als Erwachsener als auch als Heranwachsender gemäß § 1 Abs. 2 JGG. Zum Zeitpunkt der Überweisungen durch Dritte auf das Konto des Angeklagten im Zeitraum vom 4. Januar 2018 bis 16. Februar 2018 und jedenfalls der von ihm zuvor vorgenommenen mindestens zwölf Geldübergaben war er noch nicht 21 Jahre alt und damit Heranwachsender. Daher hätte das Landgericht bei der sich über mehrere Altersstufen erstreckenden natürlichen Handlungseinheit die Frage in den Blick nehmen müssen, ob auf diese Tat gemäß §§ 32, 105 Abs. 1 JGG das Jugendstrafrecht oder das allgemeine Strafrecht anzuwenden ist. § 32 i.V.m. § 105 Abs. 1 JGG ist auch (analog) anwendbar, wenn sich mehrere strafrechtlich bedeutsame Vorgänge, die - wie die Strafkammer zutreffend angenommen hat - im Rechtssinne als eine Tat zu werten sind, über mehrere Altersstufen hinziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 310/17, StV 2019, 470 Rn. 4; vom 11. April 2007 - 2 StR 107/07, StV 2008, 117, 118; vom 18. März 1996 - 1 StR 113/96, BGHR JGG § 105 Abs. 1 Nr. 1 Alter 1; Urteil vom 22. Juni 1988 - 3 StR 93/88, BGHR JGG § 32 Schwergewicht 1; BeckOK JGG/Schlehofer, 33. Ed., § 32 Rn. 2; Eisenberg/Kölbel, JGG, 25. Aufl., § 32 Rn. 3).
Gemäß § 32 JGG kommt es daher maßgeblich darauf an, ob das Schwergewicht bei Tatteilen liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 310/17, StV 2019, 470 Rn. 4; vom 11. April 2007 - 2 StR 107/07, StV 2008, 117, 118; vom 18. März 1996 - 1 StR 113/96, BGHR JGG § 105 Abs. 1 Nr. 1 Alter 1). Diese Beurteilung ist im Wesentlichen Tatfrage, die das Tatgericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat und daher der Nachprüfung durch das Revisionsgericht grundsätzlich entzogen ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2017 - 2 StR 460/16, NStZ 2018, 662, 663; Beschlüsse vom 18. Juni 2015 - 4 StR 59/15, NStZ 2016, 101; vom 14. Februar 2023 - 4 StR 511/22, NStZ-RR 2023, 190, 191). Lässt sich nicht eindeutig erkennen, ob das Schwergewicht bei den vom Angeklagten als Heranwachsender begangenen und nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Straftaten liegt, so ist für alle Taten allgemeines Strafrecht anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1997 - 4 StR 389/97, BGHR JGG § 32 Schwergewicht 4 mwN; vom 7. Dezember 1999 - 1 StR 570/99; vom 27. Mai 2008 - 4 StR 178/08, NStZ-RR 2008, 324; vom 18. Juni 2015 - 4 StR 59/15, NStZ 2016, 101). Stellt das Tatgericht - wie hier - entsprechende Überlegungen deshalb nicht an, weil es übersehen hat, dass die Anwendbarkeit des Jugendgerichtsgesetzes überhaupt im Raum steht, können eigene Erwägungen des Revisionsgerichts die gebotene tatrichterliche Prüfung nicht ersetzen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 2018 - 3 StR 378/18, StV 2020, 393 Rn. 19; vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 310/17, StV 2019, 470 f. Rn. 4; vom 18. Juni 2015 - 4 StR 59/15, NStZ 2016, 101; vom 11. April 2007 - 2 StR 107/07, StV 2008, 117, 118; vom 18. März 1996 - 1 StR 113/96, BGHR JGG § 105 Abs. 1 Nr. 1 Alter 1). Der Erörterungsmangel zieht die Aufhebung der verhängten Strafe nach sich.
3. Die Einziehungsentscheidung hat im Ergebnis ebenfalls keinen Bestand.
a) Ausgehend von der Anwendung von Erwachsenenstrafrecht hat das Landgericht allerdings rechtsfehlerhaft angenommen, dass im vorliegenden Fall § 261 Abs. 1 und 7 Satz 1 StGB aF zur Anwendung kommt. Dabei hat es für die Beurteilung des milderen Rechts nach § 2 Abs. 3 StGB nicht auf einen Vergleich der Strafrahmen, sondern auf die einziehungsrechtlichen Folgen abgestellt. Dieser Ansatz begegnet rechtlichen Bedenken.
aa) Der Tatbestand des § 261 StGB ist vor dem erstinstanzlichen Urteil durch das Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vom 9. März 2021 (BGBl. I S. 327 ff.) neu gefasst worden. Dadurch hat sich der Strafrahmen für das vorsätzlich begangene Grunddelikt insofern geändert, als er nicht mehr bei einer erhöhten Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe beginnt, sondern allgemein Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht.
bb) Vor diesem Hintergrund ist bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht § 261 Abs. 1 StGB nF gemäß § 2 Abs. 3 StGB das mildeste Gesetz. Die mit der Neufassung des Gesetzes verbundenen Erweiterungen hinsichtlich der Nebenfolgen (§ 261 Abs. 10 StGB nF) ändern daran nichts.
Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, welches anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 4. Juli 2018 - 5 StR 46/18, NStZ 2018, 652, 653 mwN). Dabei ist der Grundsatz strikter Alternativität zu beachten. Es kann nur entweder die frühere oder die neue Gesetzesvorschrift in ihrer Gesamtheit angewendet werden; eine Beurteilung teilweise nach der alten und teilweise nach der neuen Vorschrift ist nicht zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 2022 - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 mwN).
Demgemäß ist in aller Regel eine abgestufte Prüfungsreihenfolge einzuhalten. Zunächst muss feststehen, dass bei beiden (oder mehreren) in Betracht kommenden Gesetzesfassungen die Strafbarkeit fortbesteht. Sodann ist unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles das mildeste Gesetz zu ermitteln. Hierbei sind zuerst die nach beiden Gesetzen zulässigen Hauptstrafen miteinander zu vergleichen. Erst wenn sich daraus das mildere Gesetz nicht ergibt, kann es auf Nebenstrafen und Nebenfolgen ankommen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1965 - 3 StR 12/65, NJW 1965, 1723).
Da der Angeklagte den Tatbestand der Geldwäsche sowohl nach § 261 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 3 StGB aF als auch nach § 261 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 7 StGB nF erfüllte, kommt es - bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht - auf einen Vergleich der Hauptstrafen an. Danach ist die geltende Gesetzesfassung des § 261 Abs. 1 StGB das mildeste Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB.
cc) Bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht richtete sich die Einziehung demnach nach der Vorschrift in § 261 Abs. 10 Satz 3 StGB nF, die einen Vorrang der §§ 73 ff. StGB vor einer Einziehung nach § 74 Abs. 2 StGB anordnet (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2023 - 3 StR 459/22, juris Rn. 7; Urteil vom 8. August 2022 - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 9 ff., 24 ff.). Nach dieser Regelung wäre die Immobilie als ein durch die Geldwäsche des Angeklagten erlangter Tatertrag einzuordnen. Sie unterläge dann der - zwingenden - Einziehung nach § 261 Abs. 10 Satz 3 StGB nF i.V.m. § 73 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 2022 - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 24).
b) Bei Anwendung von Jugendstrafrecht, was nicht sicher auszuschließen ist, wären nach dem zuvor Ausgeführten die zu vergleichenden Hauptstrafen im Hinblick auf die jeweils nach § 18 Abs. 1 Satz 1 und 3 JGG vorgesehenen Rechtsfolgen identisch. Insoweit ist die nach altem Recht leicht erhöhte Untergrenze des für Erwachsene geltenden Regelstrafrahmens ohne Bedeutung. Deshalb ist für den Günstigkeitsvergleich nach § 2 Abs. 3 StGB auf die Nebenfolge der Einziehung abzustellen.
Danach käme Tatzeitrecht zur Anwendung, da die Einziehung nach § 74 Abs. 2 i.V.m. § 261 Abs. 7 Satz 1 StGB aF enger gefasst ist und eine Ermessensentscheidung des Tatgerichts vorschreibt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2022 - 3 StR 175/22, NStZ-RR 2023, 8, 9 mwN zu einem Fall einer besonders schweren Geldwäsche, bei welcher der Strafrahmen bei beiden Gesetzesfassungen identisch ist). Demgemäß käme bei einer - hier wohl vorliegenden - Selbstgeldwäsche nur eine Einziehung des hierdurch erlangten Vermögensgegenstands als Tatobjekt in Betracht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2018 - 5 StR 234/18, NJW 2019, 533 Rn. 29; Urteil vom 10. November 2021 - 2 StR 185/20, NJW 2022, 1028 Rn. 56 mwN). Das Hausgrundstück war indes nicht Objekt einer von dem Angeklagten begangenen Selbstgeldwäsche; dies war allein der bemakelte Geldbetrag, der zu dessen Bezahlung aufgewendet wurde (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 2022 - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 23).
c) Nach alledem muss auch über die Einziehung des Hausgrundstückes neu verhandelt und entschieden werden.
4. Die zur Aufhebung des Straf- und Einziehungsausspruchs führenden Gesichtspunkte berühren nicht die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die bestehen bleiben können (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich.
5. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache an eine Jugendkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Juni 2015 - 4 StR 59/15, NStZ 2016, 101; vom 18. März 1996 - 1 StR 113/96, juris Rn. 15; Urteil vom 23. Februar 1954 - 1 StR 723/53, BGHSt 5, 366, 370).
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1012
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede