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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 985

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 141/22, Beschluss v. 26.07.2022, HRRS 2022 Nr. 985


BGH 3 StR 141/22 - Beschluss vom 26. Juli 2022 (LG Duisburg)

Einbruchsdiebstahl in dauerhaft genutzte Privatwohnung (Einbrechen; Konkurrenzverhältnis zu schwerem Bandendiebstahl; Idealkonkurrenz; Tenorierung); Einziehung des Wertes von Taterträgen (gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Tatbeteiligter; Kennzeichnung im Urteilstenor); Verschlechterungsverbot nach § 358 StPO.

§ 73 StGB; § 73c StGB; 243 StGB; 244 Abs. 4 StGB; § 358 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Urteilsformel ist in Fällen des Wohnungseinbruchdiebstahls bei einer dauerhaft genutzten Privatwohnung im Sinne des § 244 Abs. 4 StGB dahin zu fassen, dass sie auf „schweren Wohnungseinbruchdiebstahl“ lautet.

2. Wird die Räumlichkeit durch eine zum ordnungsgemäßen Zugang bestimmte Tür betreten, liegt kein Einsteigen im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor.

3. Der mit einem versuchten oder vollendeten schweren Wohnungseinbruchdiebstahl verbundene Eingriff in die Integrität der dauerhaft genutzten Privatwohnung stellt gegenüber dem schweren Bandendiebstahl gemäß § 244a Abs. 1 StGB ein zusätzliches Tatunrecht dar, weshalb beide Delikte idealkonkurrieren.

4. Es begegnet Bedenken, soweit das Tatgericht die von den Angeklagten geschuldete Summe in einzelne Beträge unterteilt und deren Einziehung jeweils „zugunsten“ namentlich bezeichneter Geschädigter anordnet. Gläubigerin des als Wertersatz eingezogenen Geldbetrags ist allein die Staatskasse. Die Entschädigung der Verletzten ist nach § 459h Abs. 2 StPO Teil des späteren Vollstreckungsverfahrens.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten X. und R. wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 8. Juli 2021

a) soweit es sie betrifft, im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass schuldig sind aa) der Angeklagte X. des schweren Bandendiebstahls in 15 Fällen, davon in neun Fällen in Tateinheit mit schwerem Wohnungseinbruchdiebstahl, in einem Fall mit versuchtem schweren Wohnungseinbruchdiebstahl und in einem Fall mit Sachbeschädigung, und des versuchten schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren Wohnungseinbruchdiebstahl, bb) der Angeklagte R. des schweren Bandendiebstahls in zwölf Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit schwerem Wohnungseinbruchdiebstahl, in einem Fall mit versuchtem schweren Wohnungseinbruchdiebstahl und in einem Fall mit Sachbeschädigung, des versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem schweren Wohnungseinbruchdiebstahl, und des Diebstahls in vier Fällen;

b) soweit es alle Angeklagten betrifft, in den Aussprüchen über die Einziehung von Wertersatz dahin neu gefasst, dass die Einziehung folgender Geldbeträge jeweils als Gesamtschuldner angeordnet wird:

gegen den Angeklagten X. in Höhe von 52.214 €, gegen den Angeklagten R. in Höhe von 57.864,20 € und gegen den Mitangeklagten P. in Höhe von 24.384 €.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

- den Angeklagten X. wegen schweren Bandendiebstahls in 15 Fällen, davon in zehn Fällen in Tateinheit mit „Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung“, und versuchten schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem „Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung“, - den Angeklagten R. wegen schweren Bandendiebstahls in zwölf Fällen, davon in acht Fällen in Tateinheit mit „Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung“, versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem „Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung“, und Diebstahls in vier Fällen.

Dagegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel führen zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und Neufassung der Einziehungsentscheidung. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Landgericht hat in den Fällen des vollendeten oder versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls jeweils rechtsfehlerfrei angenommen, dass sie dauerhaft genutzte Privatwohnungen im Sinne des § 244 Abs. 4 StGB betrafen. Die Urteilsformel ist deshalb insoweit dahin neu zu fassen, dass sie jeweils auf „schweren Wohnungseinbruchdiebstahl“ lautet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. März 2019 - 3 StR 2/19, BGHR StGB § 244 Abs. 4 Urteilsformel 1 Rn. 6; vom 18. Februar 2020 - 3 StR 430/19, juris Rn. 59).

2. Soweit die Strafkammer die Angeklagten in Fall II.B.12. der Urteilsgründe wegen schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit schwerem Wohnungseinbruchdiebstahl verurteilt hat, ist der Schuldspruch dahin zu ändern, dass sie des schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit versuchtem schweren Wohnungseinbruchdiebstahl schuldig sind. Nach den getroffenen Feststellungen versuchten die Angeklagten zunächst erfolglos, ein Fenster einer Doppelhaushälfte aufzuhebeln, bevor sie eine unverschlossene Kellertür entdeckten, durch die sie ins Innere gelangten. Sie betraten die Räumlichkeiten mithin letztlich durch eine zum ordnungsgemäßen Zugang bestimmte Tür. Ein Einsteigen im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB liegt deshalb nicht vor (BGH, Beschluss vom 10. März 2016 - 3 StR 404/15, BGHSt 61, 166 Rn. 12 ff.). Beim Schuldspruch wegen schweren Bandendiebstahls nach § 244a Abs. 1 StGB verbleibt es gleichwohl, weil die Strafkammer rechtsfehlerfrei das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) festgestellt hat. Daneben liegt den Angeklagten - im Hinblick auf das Fenster - ein versuchtes Einbrechen gemäß § 244 Abs. 4, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, §§ 22, 23 StGB zur Last. Der mit diesem versuchten schweren Wohnungseinbruchdiebstahl verbundene Eingriff in die Integrität der dauerhaft genutzten Privatwohnung stellt ein zusätzliches Tatunrecht dar, weshalb beide Delikte idealkonkurrieren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. März 2019 - 3 StR 2/19, BGHR StGB § 244 Abs. 4 Konkurrenzen 1; vom 2. April 2019 - 3 StR 63/19, juris Rn. 4; vom 8. Dezember 2021 - 3 StR 308/21, NStZ-RR 2022, 108).

Die Strafaussprüche können bestehen bleiben. Das Landgericht hat den Strafrahmen rechtsfehlerfrei dem § 244a Abs. 1 StGB entnommen und weder die vermeintliche Verwirklichung eines zweiten Regelbeispiels des § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB noch den tateinheitlichen schweren Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Abs. 4 StGB strafschärfend gewürdigt. Es ist mithin auszuschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung mildere Strafen verhängt hätte.

3. Soweit das Landgericht die Angeklagten in Fall II.B.15. der Urteilsgründe (nur) wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt hat, sind die Schuldsprüche dahin zu ergänzen, dass auch eine hierzu tateinheitlich begangene Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB vorliegt. In diesem Fall hebelten die Angeklagten nach den getroffenen Feststellungen die Tür einer Gaststätte sowie zwei Zigarettenautomaten auf, um an die Beute zu gelangen. Dadurch verursachten sie einen Sachschaden von 2.500 €. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, hat der Geschädigte diesbezüglich Strafantrag gestellt (§ 303c StGB). Die Sachbeschädigung steht mit dem schweren Bandendiebstahl gemäß § 52 StGB in Tateinheit (BGH, Beschluss vom 27. November 2018 - 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253 Rn. 15 ff.).

Das Verschlechterungsverbot des § 358 StPO hindert die Verschärfung des Schuldspruchs nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2020 - 3 StR 430/19, juris Rn. 60 mwN). § 265 StPO steht ebenfalls nicht entgegen, weil sich die geständigen Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

4. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB ist in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden.

Zunächst ist nicht vollumfänglich Gesamtschuldnerschaft angeordnet, obwohl die Angeklagten nach den getroffenen Feststellungen sämtliche Taten mit Mittätern begingen und in keinem Fall einer von ihnen allein über die Tatbeute verfügte. Den Wertersatz für diese haben sie deshalb jeweils als Gesamtschuldner zu leisten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 29. Juni 2021 - 3 StR 126/21, juris Rn. 4 mwN). Die individuelle Benennung anderer Gesamtschuldner in der Entscheidungsformel ist dabei allerdings nicht geboten (s. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2021 - 3 StR 428/20, wistra 2021, 238 Rn. 2; vom 25. August 2021 - 3 StR 100/21, juris Rn. 11; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 333a).

Der Ausspruch über die Wertersatzeinziehung begegnet ferner Bedenken, soweit das Landgericht die von den Angeklagten geschuldete Summe in einzelne Beträge unterteilt und deren Einziehung jeweils „zugunsten“ namentlich bezeichneter Geschädigter angeordnet hat. Dadurch erweckt die Urteilsformel den Eindruck, sie begründe einen Zahlungsanspruch der Tatopfer. Gläubigerin des als Wertersatz eingezogenen Geldbetrags ist jedoch allein die Staatskasse. Die Entschädigung der Verletzten ist nach § 459h Abs. 2 StPO Teil des späteren Vollstreckungsverfahrens. Sie hängt von weiteren Voraussetzungen ab (§ 459k StPO; s. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2021 - 3 StR 308/21, NStZ-RR 2022, 108).

Schließlich hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend darauf hingewiesen, dass der Strafkammer bei der Festsetzung des in Fall B.II.23. vom Angeklagten R. Erlangten ein Tippfehler unterlaufen ist (4.549,20 € anstatt 4.548,20 €), so dass für ihn 1 € in Abzug zu bringen ist. Insgesamt addieren sich die Einziehungsbeträge damit auf die in der Beschlussformel genannten Summen.

Der Ausspruch über die Wertersatzeinziehung ist demnach unter Erstreckung auf den gleichermaßen betroffenen Mitangeklagten (§ 357 Satz 1 StPO) entsprechend zu ändern (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

5. Angesichts des geringen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Angeklagten mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 985

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede