HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 926
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 50/21, Beschluss v. 16.06.2021, HRRS 2021 Nr. 926
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 9. November 2020 unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
soweit der Angeklagte in den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
im Gesamtstrafenausspruch und
im Ausspruch über die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Seine auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision ist aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, was die Verfahrensrügen und den Schuld- und Strafausspruch zum sexuellen Missbrauch (Fall II.1. der Urteilsgründe) angeht.
Dagegen hält die Verurteilung wegen zweifachen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht (Fälle II.2. und II.3. der Urteilsgründe) sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen des Landgerichts suchte der Angeklagte, der im Tatzeitraum unter Führungsaufsicht stand, entgegen einer ihm erteilten Weisung jeweils ein Schwimmbad auf. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt ein Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht wegen des verfassungsrechtlich verankerten Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) nur dann dem Straftatbestand des § 145a StGB, wenn sich aus dem Wortlaut des führungsaufsichtsgerichtlichen Beschlusses klar und unmissverständlich ergibt, dass es sich bei der in Rede stehenden Weisung um eine solche nach § 68b Abs. 1 StGB handelt, die gemäß § 145a Satz 1 StGB strafbewehrt ist (zuletzt: Senat, Beschluss vom 12. Januar 2021 - 3 StR 362/20 -, juris Rdn. 11; Senat, Urteil vom 24. Juni 2020 - 3 StR 287/19 -, juris Rdn. 18 m.w.N.). Dafür ist zwar einerseits eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 68b Abs. 1 StGB nicht erforderlich; andererseits reicht eine solche ohne weitere Erläuterungen regelhaft aber auch nicht aus (BGH, Beschluss vom 19. August 2015 - 5 StR 275/15 -, juris Rdn. 6). Wegen der Gefahr von Missverständnissen und Unklarheiten kann die verfassungsrechtlich gebotene Klarstellung des strafbewehrten Charakters der Weisungen im Führungsaufsichtsbeschluss insbesondere auch nicht durch eine mündliche Belehrung gemäß § 268a StPO oder §§ 453a, 463 Abs. 1 StPO ersetzt werden (Senat a.a.O.; BGH a.a.O., Rn. 7).
Gemessen daran tragen die Urteilsgründe eine Verurteilung wegen Verstößen gegen die Weisung während der Führungsaufsicht nicht. Ob der verfahrensgegenständliche Führungsaufsichtsbeschluss die genannten Voraussetzungen erfüllt, lässt sich dem Urteil, in dem der Beschluss über die Weisungen während der Führungsaufsicht nur auszugsweise mitgeteilt wird, nicht entnehmen (UA S. 7). Wie dargelegt, genügt die in dem Führungsaufsichtsbeschluss betreffend die Untersagung des Aufenthalts in Schwimmbädern ausweislich der Urteilsgründe lediglich in einem Klammerzusatz enthaltene bloße Bezugnahme auf § 68b Abs. 1 Nr. 2 StGB ebenso wie die durchgeführte mündliche Belehrung des Angeklagten über die Strafbarkeit eines Weisungsverstoßes nicht. Der nach den Urteilsgründen bestehende Mangel an Klarheit und Unmissverständlichkeit der Fassung des Führungsaufsichtsbeschlusses wird auch nicht dadurch geheilt, dass dem Angeklagten die Strafbarkeit eines Weisungsverstoßes bewusst war (UA S. 7).“
Dem schließt sich der Senat an. Auch die Formulierung, die Kenntnis des Angeklagten ergebe sich „aus dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer (…), aus dem hervorgeht, dass der Angeklagte auf die Strafbewehrung von Verstößen gegen die erteilten Weisungen, einschließlich des Betretungsverbots von Schwimmbädern, hingewiesen worden“ sei (UA S. 18), schafft keine Gewissheit darüber, ob der Beschluss selbst die Strafbewehrung der Weisung unmissverständlich klarstellt.
Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe bringt den Gesamtstrafenausspruch und die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu Fall. Zwar sind deren formelle Voraussetzungen nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 StGB schon durch die Verurteilung wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern (Fall II.1. der Urteilsgründe) erfüllt. Denn die Strafkammer hat für diese Tat eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt. Bei der nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB vorgenommenen Gesamtabwägung und bei der Prüfung der hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten hat das Landgericht jedoch, wie der Generalbundesanwalt ebenfalls zutreffend dargelegt hat, alle drei Straftaten in den Blick genommen. Deshalb ist nicht sicher auszuschließen, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch auf den Verurteilungen wegen der Weisungsverstöße beruht. Die Feststellungen zum Tatgeschehen der Fälle II.2. und II.3. der Urteilsgründe sowie zur Gesamtstrafe und zur Anordnung der Sicherungsverwahrung sind von der rechtsfehlerhaften Annahme eines zweifachen Weisungsverstoßes im Sinne des § 145a StPO nicht betroffen und bleiben aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich und zum Inhalt des Führungsaufsichtsbeschlusses auch geboten.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 926
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 308
Bearbeiter: Christian Becker