HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 26
Bearbeiter: Fabian Afshar
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 321/21, Urteil v. 03.11.2022, HRRS 2023 Nr. 26
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Oktober 2020 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch vom Vorwurf des zweifachen Mordes wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs zweier halbautomatischer Kurzladewaffen zum Verschießen von Patronenmunition in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz solcher Waffen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen den Strafausspruch sowie - bei verständiger Würdigung der Revisionsbegründungsschrift - gegen die unterbliebene Bestimmung eines Vollstreckungsabschlags wegen der in den Urteilsgründen festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen begab sich der Angeklagte nach telefonischer Vereinbarung am 29. April 2017 in Begleitung eines anderen zu der Wohnung eines Waffenverkäufers. Von diesem kaufte und übernahm er ohne waffenrechtliche Erlaubnis für einen Betrag zwischen 1.300 und 1.500 € zwei Pistolen „Walther“ des Kalibers 7,65 Millimeter, dazu zwei Reservemagazine und Schalldämpfer sowie insgesamt 60 Geschosspatronen. Anschießend verstaute er die Gegenstände im Kofferraum eines Kraftfahrzeugs und fuhr los. Kurz danach stoppte ein Sondereinsatzkommando der Polizei ihn gewaltsam und nahm ihn sowie seinen Begleiter fest.
2. Die materiellrechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat im Umfang der Anfechtung keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben. Das gilt auch für die Entscheidung, die rechtsstaatswidrige Verzögerung des ursprünglich getrennt geführten Verfahrens wegen der der Verurteilung zugrundeliegenden Waffendelikte lediglich festzustellen und von einem Vollstreckungsabschlag abzusehen. Das Landgericht hat hierauf namentlich aufgrund der als nicht gewichtig beurteilten Auswirkungen der staatlich zu verantwortenden überlangen Verfahrensdauer auf den Angeklagten erkannt, der wegen dieses Vorwurfs keine Untersuchungshaft erlitten hatte, vielmehr unabhängig davon wegen des dringenden Verdachts des zweifachen Mordes inhaftiert war. Die Bewertung hält sich im Rahmen des dem Tatgericht insoweit eröffneten Spielraums (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124 Rn. 56; vom 2. März 2022 - 2 StR 541/21, StV 2022, 572 Rn. 9 mwN). Mit Blick auf die Zuschrift des Generalbundesanwalts, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Strafausspruch nach § 349 Abs. 4 StPO beantragt hatte, ist ergänzend zu bemerken:
Die Strafzumessung erweist sich nicht deshalb als rechtsfehlerhaft, weil in den Urteilsgründen nicht strafmildernd berücksichtigt worden ist, dass das Landgericht das als Tatmittel verwendete iPhone eingezogen hat. Explizit zu würdigen wäre die Einziehung gemäß § 74 Abs. 1 Alternative 2, Abs. 3 Satz 1 StGB aufgrund ihres Strafcharakters nur dann gewesen, wenn das - bei Urteilsverkündung mindestens dreieinhalb Jahre alte - Mobiltelefon derart wertvoll gewesen wäre, dass die Maßnahme zwingend als bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der Strafe (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) zu beurteilen wäre (vgl. LK/Schneider, 13. Aufl., § 46 Rn. 16; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 725; ferner - jeweils ein Kraftfahrzeug betreffend - BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2018 - 3 StR 8/18, NStZ 2018, 526; vom 21. November 2018 - 4 StR 332/18, NStZ-RR 2019, 88; vom 5. November 2019 - 2 StR 447/19, juris Rn. 4; vom 20. Oktober 2020 - 4 StR 214/20, juris Rn. 4). Dies liegt fern; daher war die Feststellung des Wertes sachlichrechtlich nicht geboten. Eine Aufklärungsrüge mit dem Inhalt, dass das iPhone aufgrund einer besonderen Beschaffenheit einen - bestimmt zu behauptenden - außergewöhnlich hohen Wert hatte, hat der Beschwerdeführer nicht erhoben.
Ebenso wenig begegnet es Bedenken, dass die Urteilsgründe die festgestellte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung weder bei der Strafrahmenwahl noch bei der Straffestsetzung erwähnen. Vielmehr ist im Rahmen der Strafzumessung die Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung als solche zutreffend außer Betracht geblieben (vgl. grundlegend BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124 Rn. 54 ff.; ferner BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135 Rn. 8; Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 30. Aufl., Rn. 490b). Die bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte des großen zeitlichen Abstands zwischen Tat und Urteil sowie der Länge des Verfahrens (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2017 - GSSt 2/17, BGHSt 62, 184 Rn. 29 mwN; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 745) hat die Schwurgerichtskammer hingegen ausdrücklich berücksichtigt (UA S. 50, 53).
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 26
Bearbeiter: Fabian Afshar