HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 571
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 452/18, Beschluss v. 20.03.2019, HRRS 2019 Nr. 571
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 25. April 2018, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Einziehung von Taterträgen dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 7.000 € angeordnet wird, wofür der Angeklagte als Gesamtschuldner haftet.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Prozessvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses liegt vor. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift sowie auf den in dieser Sache am heutigen Tag ergangenen Senatsbeschluss betreffend den Mitangeklagten C. (BGH, Beschluss vom 20. März 2019 - 3 StR 452/18) Bezug.
2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Zu den mit der Revision vorgebrachten Beanstandungen des Strafausspruchs gilt Folgendes:
Soweit sie einen Rechtsfehler darin sieht, dass die Jugendkammer sich bei der Bemessung der Jugendstrafe „vorrangig von dem Erziehungsgedanken [hat] leiten lassen“, nimmt sie im Ansatz zutreffend Bezug auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, nach denen dem Erziehungsgedanken bei der Bestimmung von Art und Dauer der Sanktion für die Tat des zum Zeitpunkt der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils im strafrechtlichen Sinne erwachsenen Angeklagten ein mit dem Fortschreiten des Lebensalters immer geringer werdendes Gewicht zukommt (BGH, Beschlüsse vom 5. April 2017 - 1 StR 76/17, NStZ-RR 2017, 231; vom 8. März 2016 - 3 StR 417/15, NStZ 2016, 680, 681; vom 20. August 2015 - 3 StR 214/15, NStZ 2016, 101; vom 17. März 2006 - 1 StR 577/05, NStZ 2006, 587, 588; Urteil vom 31. August 2004 - 1 StR 213/04, juris Rn. 12 mwN).
Das macht es indes nicht insgesamt rechtsfehlerhaft, den Erziehungsgedanken überhaupt zu berücksichtigen. In ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und auch in den oben zitierten Entscheidungen ist vielmehr stets betont worden, dass der Erziehungsgedanke bei der Bemessung der Jugendstrafe grundsätzlich immer einzustellen sei; die Urteilsgründe müssen in jedem Fall erkennen lassen, dass ihm die ihm zukommende Beachtung geschenkt worden ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 19. April 2016 - 1 StR 95/16, NStZ 2016, 683). Soweit andere Strafzwecke, etwa derjenige eines gerechten Schuldausgleichs, ebenfalls in Ansatz zu bringen sind, ist vom Tatgericht im Rahmen einer umfassenden Abwägung festzulegen, welches Gewicht den einzelnen Zumessungserwägungen im Einzelfall zukommt (BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 - 2 StR 150/18, NStZ 2018, 728, 729).
Dies ergibt sich auch aus folgenden Erwägungen: Nach § 1 Abs. 2 JGG, gegebenenfalls im Zusammenhang mit § 105 Abs. 1 JGG, kommt das am Erziehungsgedanken ausgerichtete (vgl. § 2 Abs. 1 JGG) Jugendstrafrecht unabhängig vom Alter des Täters im Zeitpunkt der Aburteilung zur Anwendung, wenn er bei Begehung der Tat Jugendlicher oder Heranwachsender war. Selbst im Erwachsenenalter begangene Straftaten sind nach den aufgezeigten Regeln des Jugendstrafrechts zu beurteilen, wenn sie gleichzeitig mit Verfehlungen abgeurteilt werden, auf die das Jugendstrafrecht anzuwenden ist und der Schwerpunkt der Taten auf letzteren liegt (vgl. § 32 Satz 1 JGG). Auch die Neuregelung des § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG und die dazu abgegebene Gesetzesbegründung zeigen, dass der Erziehungsgedanke aus Sicht des Gesetzgebers auch bei Tätern im Alter über 21 Jahren relevant ist, weil die Erhöhung der maximalen Jugendstrafe auf 15 Jahre gegen Heranwachsende wegen Mordes, deren Vollstreckung weit in das Erwachsenenalter hineinreicht, nur verhängt werden soll, wenn dies „auch unter Berücksichtigung des leitenden Erziehungsgedankens“ geboten ist (BT-Drucks. 17/9389 S. 20; vgl. zum Ganzen auch BGH, Beschluss vom 29. November 2017 - 2 StR 460/16, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 12).
Soweit der Senat in zwei jüngeren Entscheidungen offen gelassen hat, ob die bisherige Rechtsprechung dahin weiter zu entwickeln sei, dass bei der Verhängung von Sanktionen gegen Straftäter, die zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung bereits das 21. Lebensjahr vollendet haben und somit im strafrechtlichen Sinne als erwachsen gelten, der Erziehungsgedanke nicht mehr nur von geringem Gewicht sein könne, sondern insgesamt kein taugliches Strafzumessungskriterium mehr darstelle (BGH, Beschlüsse vom 8. März 2016 - 3 StR 417/15, NStZ 2016, 680, 681; vom 20. August 2015 - 3 StR 214/15, NStZ 2016, 101, 102), gibt der vorliegende Fall keinen Anlass, diese Frage nunmehr zu entscheiden. Denn aus den nachfolgenden Gründen stellt auch eine etwaige Überbetonung des Erziehungsgedankens durch die Jugendkammer keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten dar. Insoweit gilt:
Es ist auszuschließen, dass das Landgericht auf eine niedrigere Jugendstrafe erkannt hätte, wenn es den Erziehungsgedanken nicht oder nur in geringerem Umfang bei der Strafbemessung berücksichtigt hätte. Mit dem (teilweisen) Zurücktreten des Erziehungsgedankens wäre insbesondere der Strafzweck des gerechten Schuldausgleichs - gleichsam wie im Erwachsenenstrafrecht - mehr in den Vordergrund gerückt. Angesichts des in § 250 Abs. 2 StGB vorgegebenen Strafrahmens von fünf bis 15 Jahren und eingedenk des Umstands, dass hier aufgrund der von dem Angeklagten ausgehenden Initiative zur Begehung und der von ihm geleisteten Planung der Tat, der schweren psychischen Tatfolgen für seine Kolleginnen, der aufgewendeten kriminellen Energie und des von ihm enttäuschten Vertrauens seines Arbeitgebers und seiner Kolleginnen ein minder schwerer Fall im Sinne von § 250 Abs. 3 StGB bei der Anwendung von Erwachsenenstrafrecht trotz der von der Jugendkammer aufgeführten strafmildernden Faktoren nicht in Betracht gekommen wäre, hätte eine geringere Berücksichtigung des Erziehungsgedankens oder gar seine Außerachtlassung gerade nicht für die Verhängung einer (noch) niedrigeren Jugendstrafe gesprochen.
3. Die Einziehungsentscheidung kann keinen Bestand haben, soweit gegen den Angeklagten B. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in einer den Betrag von 7.000 € übersteigenden Höhe angeordnet worden ist. Mitverfügungsgewalt über die Beute in der Gesamthöhe von 23.000 € hatten nur der Mitangeklagte C. und der gesondert Verfolgte K., von dem der Angeklagte B. später seinen Beuteanteil in Höhe von 7.000 € erhielt; nur in dieser Höhe hatte er demnach Verfügungsgewalt über die Tatbeute und damit, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB auch etwas durch die Tat erlangt. In dieser Höhe haftet er neben dem Mitangeklagten C. und dem gesondert Verfolgten K. Der Senat konnte die geringere Haftung des Angeklagten und die Gesamtschuld in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst anordnen.
4. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 571
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 188; StV 2019, 466; StV 2020, 821
Bearbeiter: Christian Becker