HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 221
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 259/21, Beschluss v. 02.11.2021, HRRS 2022 Nr. 221
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 10. Juli 2020 im Schuldspruch dahin geändert, dass er des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen schuldig ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Strafkammer hat festgestellt, dass sich der Angeklagte mit einem gesondert Verfolgten Mittäter zusammenschloss, um regelmäßig Kokain in Amsterdam einzukaufen und in der Schweiz gewinnbringend zu veräußern. Er besaß die Kontakte zu den niederländischen Lieferanten, während der Mittäter die Kuriere anwerben und bei der Fahrt überwachen sollte.
In den vom Landgericht als tateinheitliche Einfuhr von und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewürdigten Fällen (II.1. und II.5. der Urteilsgründe) informierte der Angeklagte seinen Mittäter jeweils darüber, dass eine Kokainlieferung anstand. Dieser sorgte daraufhin absprachegemäß dafür, dass sich ein Kurier in die Niederlande begab, dort die Betäubungsmittel in Empfang nahm und sie über die Grenze nach Deutschland verbrachte.
2. Die Annahme täterschaftlich begangener Einfuhr in diesen Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Der Tatbestand der Einfuhr erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport des Betäubungsmittels über die Grenze. Mittäter einer Einfuhr im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB kann ein Beteiligter auch dann sein, wenn das Rauschgift von einer anderen Person in das Inland verbracht wird. Voraussetzung dafür ist aber ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich; von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst. Das bloße Veranlassen einer Beschaffungsfahrt ohne Einfluss auf deren Durchführung genügt für die Annahme von Mittäterschaft regelmäßig nicht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 21. August 2018 - 3 StR 655/17, juris Rn. 5; vom 23. November 2020 - 3 StR 380/20, juris Rn. 3, jeweils mwN).
Vorliegend überließ der Angeklagte die Auswahl und die Überwachung der Kuriere vollständig seinem Mittäter. Er hatte zu den Transportpersonen keinen Kontakt und - bezogen auf das Überqueren der Grenze mit dem Kokain - weder die Tatherrschaft noch den Willen zu einer solchen. Ein Einfluss des Angeklagten auf den Verlauf der Kurierfahrten ist nicht festgestellt. Dass er am Taterfolg interessiert war und die Fahrten veranlasste, vermag unter diesen Umständen nach den aufgezeigten Maßstäben eine Täterschaft in Bezug auf die Einfuhr nicht zu begründen.
3. Der Angeklagte ist jedoch jeweils der (Ketten-)Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 26 StGB). Indem er die Lieferungen ankündigte, veranlasste er gezielt den Mittäter dazu, seinerseits einen Kurier zu der Verbringung des Kokains ins Bundesgebiet zu bestimmen. Dabei wusste der Angeklagte um die wesentlichen Einzelheiten der Einfuhr und wollte sie.
Die Anstiftung zur Anstiftung wird als Anstiftung zur Haupttat bestraft (s. BGH, Urteile vom 8. Juli 1954 - 3 StR 796/53, BGHSt 6, 359, 360 ff.; vom 27. Januar 1955 - StE 22/54, BGHSt 7, 234, 237; vom 1. März 1960 - 5 StR 22/60, BGHSt 14, 156, 157; vom 3. November 1994 - 3 StR 62/94, BGHSt 40, 307, 313; LK/Schünemann/Greco, StGB, 13. Aufl., § 26 Rn. 104 mwN; Schönke/ Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 26 Rn. 15 mwN). Dass der Angeklagte den jeweiligen Haupttäter nicht kannte und es dem Mittäter überließ, diesen auszuwählen, ist unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 - 3 StR 796/53 aaO; Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 26 Rn. 19 mwN).
4. Der Schuldspruch ist in beiden Fällen entsprechend zu ändern (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Es ist auszuschließen, dass das Tatgericht im Fall einer Verurteilung wegen Anstiftung statt wegen Täterschaft bei der Einfuhr geringere Einzelstrafen verhängt hätte. In beiden Fällen ist die Strafe dem gleichen Strafrahmen zu entnehmen.
5. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 221
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2022, 49; StV 2022, 572
Bearbeiter: Christian Becker