HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 299
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 184/20, Urteil v. 10.02.2021, HRRS 2021 Nr. 299
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 30. September 2019 aufgehoben in Bezug auf
den Angeklagten S., soweit die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen unterblieben ist,
den Angeklagten K. mit den zugehörigen Feststellungen.
Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung dieses Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist; die weitergehende Revision des Angeklagten K. wird verworfen.
Im Umfang der jeweiligen Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten S. „wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen, davon in 10 Fällen tateinheitlich mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in 1 Fall darüber hinaus tateinheitlich mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wobei der gesondert Verfolgte D. einen Gegenstand mit sich führte, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt war, sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 3 Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten S. in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass zwei Jahre der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Den Angeklagten K. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Eine Unterbringung dieses Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es nicht angeordnet. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten der beiden Angeklagten eingelegten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision, die sie bezüglich des Angeklagten S. auf das Unterbleiben von Maßnahmen der Vermögensabschöpfung beschränkt hat, die Verletzung materiellen Rechts. Der Angeklagte K. beanstandet mit seinem auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel insbesondere, dass die Jugendkammer von der Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat insgesamt Erfolg, diejenige des Angeklagten K. lediglich im Hinblick auf die unterlassene Anordnung der Unterbringung.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Die Angeklagten sowie weitere Mitangeklagte handelten in wechselnder Zusammensetzung und mit unterschiedlichen Tatbeiträgen mit Marihuana, um sich eine nicht nur unerhebliche und vorübergehende Einnahmequelle unter anderem zur Finanzierung ihres Eigenbedarfs an Betäubungsmitteln zu erschließen.
I. Spätestens Anfang April 2018 bestand zwischen dem Angeklagten S. und den vier Mitangeklagten ein verfestigtes Vertrauensverhältnis im Sinne einer Bandenstruktur. Sie schlossen sich zusammen, um für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Taten des Handeltreibens mit Marihuana auf dem Markt unter Anführung des Angeklagten S. zu begehen. An ihn wurden die durch den Verkauf erzielten Einnahmen ausgekehrt. Im Einzelnen bezogen sich seine Handlungen auf - zumeist von ihm selbst vorgenommene - 14 Bestellungen von jeweils 500, 1.000 beziehungsweise 2.000 Gramm Marihuana zwischen dem 10. April und dem 5. Juli 2018, an dessen Weiterveräußerung andere Bandenmitglieder beteiligt waren. Dabei verkaufte der Angeklagte S. in zehn dieser Fälle einen Teil unabhängig von der Bande an Großabnehmer. Zudem überließ er bei einer der Taten einem „Straßenläufer“ einen Teleskopschlagstock, den dieser weisungsgemäß bei dem Handel mit einer Teilmenge von rund 50 Gramm Marihuana mit sich führte, um sich gegen einen (weiteren) Überfall zur Wehr zu setzen. Ferner verkaufte der Angeklagte S. in der ersten Aprilhälfte 2018 zwei Kilogramm Amphetamin an einen Onkel des Angeklagten K. Am 5. und 6./7. April 2018 erwarb der Angeklagte S. überdies jeweils insgesamt 1,5 Kilogramm Marihuana zum Weiterverkauf.
II. Der Angeklagte K. hatte Schulden beim Angeklagten S. infolge von Betäubungsmittelkäufen. Er hatte im Alter von 16 Jahren mit dem täglichen Konsum von Marihuana begonnen und den Konsum im Jahr 2015 dahin reduziert, dass er bis zu seiner Inhaftierung im September 2018 zwar weiter täglich, aber nur noch abends Marihuana rauchte. Ab Ende 2017 war er auf Anweisung des Angeklagten S. und eines Mitangeklagten im Betäubungsmittelhandel tätig. Er war ab April 2018 an den Absatzaktivitäten der Bande beteiligt, ohne dass sich zwischen ihm und den anderen (Mit-)Angeklagten ein verfestigtes Vertrauensverhältnis entwickelt hatte. Es handelte sich bei ihm „um einen austauschbaren 'Straßenläufer' und keinen Vertrauten“. Er portionierte täglich in der Wohnung eines Mitangeklagten zwischengelagertes Marihuana in verkaufsfertige Tüten und veräußerte abgepackte Mengen an Kleinabnehmer. Obwohl er nicht an der Bandenabrede beteiligt war, zahlte ihm der Angeklagte S. regelmäßig einen Teil der erwirtschafteten Gewinne und Eigenbedarfsmengen von etwa 14 Gramm Marihuana pro Woche als Entlohnung für seine „Angestelltendienste“ aus. Der Angeklagte K. war zwischen dem 12. April 2018 und dem 25. Mai 2018 am Verkauf von fünf Lieferungen Marihuana, bezogen auf Teilmengen von vier Mal 400 Gramm und ein Mal 900 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils zehn Prozent Tetrahydrocannabinol, beteiligt. Darüber hinaus vermittelte er zwischen dem 1. und 14. April 2018, dass ein Onkel von ihm, der einen Betäubungsmittelhandel betrieb, dem Angeklagten S. zwei Kilogramm Amphetamin auf Kommissionsbasis abkaufte (s.o.). Der Angeklagte K. hoffte, dadurch seine Schulden beim Angeklagten S. zu verringern.
III. Das Landgericht ist hinsichtlich der unterbliebenen Einziehung des Wertes von Taterträgen beim Angeklagten S. davon ausgegangen, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als allgemein verbindliches Verfassungsprinzip auch über den § 74f StGB hinaus zu beachten sei und § 73c StGB daher faktisch zur Ermessensvorschrift werde. Die Einziehung von Wertersatz erscheine bei dem mittellosen, betäubungsmittelabhängigen Angeklagten unangemessen und sei schlechthin keinem Strafzweck zu dienen geeignet.
Die - insofern nicht sachverständig beratene - Jugendkammer hat eine Unterbringung des Angeklagten K. in einer Entziehungsanstalt mit der Begründung abgelehnt, dass sie bereits eine intensive Neigung, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht feststellen könne.
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die sich hinsichtlich des Angeklagten S. gegen das Unterbleiben einer Einziehung des Wertes von Taterträgen und hinsichtlich des Angeklagten K. insbesondere gegen die Verneinung eines Handelns als Bandenmitglied wendet, hat Erfolg.
1. Die beanstandete Einziehungsentscheidung betreffend den Angeklagten S. ist aufzuheben.
a) Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel hinsichtlich dieses Angeklagten wirksam auf die unterbliebene Einziehung des Wertes von Taterträgen beschränkt. Eine solche Beschränkung ist möglich, da ihr keine Wechselwirkung zwischen der Einziehungsentscheidung und der Strafzumessung entgegensteht. Bei der Einziehung von Taterträgen oder ihres Wertes nach §§ 73, 73c StGB handelt es sich nicht um eine Strafe oder strafähnliche Maßnahme, so dass sie, wie der Verfall nach alter Rechtslage, den Strafausspruch in der Regel nicht berührt und einer Beschränkung der Revision jedenfalls dann zugänglich ist, wenn die Entscheidung - wie hier - losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft werden kann (s. BGH, Urteil vom 8. Februar 2018 - 3 StR 560/17, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 25 mwN).
Das Landgericht hat im Rahmen seiner Strafzumessungserwägungen die etwaige Einziehung in der gegebenen Konstellation zu Recht nicht berücksichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2015 - 5 StR 486/14, NStZ-RR 2015, 281 f.). Soweit es im Rahmen seiner Erwägungen zur Einziehung die (Gesamt-)Freiheitsstrafe von acht Jahren angeführt hat, hat es damit nicht eine etwaige Auswirkung der Einziehungsfrage auf die Strafhöhe, sondern lediglich umgekehrt eine solche der Strafe auf die Einziehung hergestellt. Nach den konkreten Urteilsgründen, die auch dem Aufbau nach klar zwischen Straferwägungen und der Entscheidung über die Einziehung differenzieren, ist es nicht von einer einheitlichen Sanktionsentscheidung ausgegangen (s. dazu etwa BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 246/04, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 16).
b) Die Jugendkammer hat in Bezug auf den erwachsenen Angeklagten S. zu Unrecht von der Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB abgesehen. Entgegen ihrer Auffassung ist eine entsprechende Anordnung, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen und keine Ausnahmetatbestände (§ 73e StGB) vorliegen, nach der geltenden Gesetzeslage zwingend. Danach ist für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Erkenntnisverfahren kein Raum.
Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, der die Anordnung in §§ 73, 73c StGB ohne Weiteres vorsieht, dem Tatgericht insoweit kein Ermessen einräumt und die Prüfung der Verhältnismäßigkeit in § 74f Abs. 1 Satz 1 StGB nur eröffnet, sofern die Einziehung nicht vorgeschrieben ist. Dementsprechend ging der Gesetzgeber davon aus, dass gegen den Täter die Einziehung des Wertersatzes auch bei (vermeintlicher) Entreicherung anzuordnen ist (BT-Drucks. 18/9525 S. 57). Dem sind sowohl die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteile vom 15. Mai 2018 - 1 StR 651/17, BGHR StGB § 73c Verhältnismäßigkeit 1; vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18, NStZ-RR 2019, 22, 23) als auch das überwiegende Schrifttum (vgl. etwa 12 13 MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 73c Rn. 12; Schönke/Schröder/Eser/ Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73c Rn. 8; Köhler, NStZ 2017, 497, 498; aA BeckOK StGB/Heuchemer, 48. Ed., § 74f Rn. 4) gefolgt. Nach dem Gesamtkonzept des Regelungsgefüges ist eine unangemessene Belastung des Angeklagten dadurch ausgeschlossen, dass nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO eine Vollstreckung unterbleibt, soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist oder die Vollstreckung sonst unverhältnismäßig wäre (s. dazu BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - 3 StR 577/17, BGHR StGB § 73 Abs. 1 Verhältnismäßigkeit 1). Vor diesem Hintergrund besteht für eine verfassungskonforme Auslegung weder ein Anlass, noch ist sie angesichts der eindeutigen Gesetzeslage zulässig (vgl. allgemein BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - 1 BvR 2142/11, BVerfGE 138, 64 Rn. 86).
Da das Landgericht keine exakten Feststellungen dazu getroffen hat, in welcher Höhe der Angeklagte S. Gelder aus den Betäubungsmittelverkäufen erhalten hat, ist es dem Senat verwehrt, die Einziehung von Wertersatz entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst anzuordnen. Insofern bedarf es ergänzender Feststellungen. Die bisherigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und daher nicht aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO).
2. Das Urteil kann hinsichtlich des Angeklagten K. auf die zu seinen Lasten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft bereits deshalb keinen Bestand haben, weil die Begründung dafür nicht trägt, dass er nicht als Mitglied einer Bande im Sinne des § 30a Abs. 1 BtMG gehandelt habe.
a) In den Urteilsgründen finden sich rechtliche Wertungen zur Bande bereits in der Beweiswürdigung. Nach Darlegung der allgemeinen rechtlichen Maßstäbe hat das Landgericht vor allem darauf abgestellt, dass sich zwischen dem Angeklagten K. und den Mitangeklagten kein besonderes, über eine Geschäftsbeziehung hinausgehendes Vertrauensverhältnis entwickelt habe. Insbesondere die Bandenanführer hätten mit ihm privat nichts zu tun haben wollen sowie ihn als „Angestellten“ und nicht als Teil von ihnen angesehen. Zudem zeige sein Ortswechsel im Juni 2018, dass nur eine lockere, austauschbare, nicht auf Dauer angelegte Verbindung bestanden habe.
b) Die angeführten Gesichtspunkte reichen nicht aus, um eine Bandenmitgliedschaft zu verneinen. Angesichts der Verbindung rechtlicher Erwägungen mit der Beweiswürdigung ist bereits nicht ersichtlich, ob das Landgericht die Aspekte wie ein fehlendes „besondere Vertrauensverhältnis“, die mit einem Angestellten vergleichbare Rolle und die „Flucht“ des Angeklagten K. als beweiswürdigende Indizien oder als rechtliche Argumente gegen eine Einbindung des Angeklagten K. in eine Bandenabrede angesehen hat. Im einen wie im anderen Fall ist die Begründung nicht rechtsfehlerfrei.
aa) Bei einer Bande handelt es sich, wie von der Jugendkammer zutreffend zugrunde gelegt, um die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung. Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich allein nach der deliktischen Vereinbarung, der so genannten Bandenabrede. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat, sondern geht dieser regelmäßig voraus. Mitglied einer Bande kann dabei auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen. Ferner ist nicht erforderlich, dass sich sämtliche Bandenmitglieder untereinander kennen und gemeinsam an der Abrede beteiligt waren (insgesamt BGH, Beschluss vom 5. Juni 2019 - 1 StR 223/19, BGHR BtMG § 30a Bande 13 mwN).
Demnach ist es in rechtlicher Hinsicht nicht maßgeblich, ob zwischen Bandenmitgliedern ein besonderes, über eine Geschäftsbeziehung hinausgehendes Vertrauensverhältnis besteht. Ferner kann Bandenmitglied auch sein, wer eine untergeordnete Rolle innehat (vgl. etwa zu einem „Läufer“ BGH, Urteil vom 8. Juli 2015 - 2 StR 139/15, juris Rn. 6; zur Mitgliedschaft auch von „austauschbaren“ Personen BGH, Urteil vom 25. Januar 1996 - 5 StR 402/95, BGHR BtMG § 30a Bande 2). Besondere Anforderungen an die Dauer des in Aussicht genommenen Zusammenwirkens bestehen nicht. Sie kann selbst bei einer kurzen, im Einzelnen noch nicht genau bestimmten Zeitspanne in Betracht kommen (s. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 178).
bb) Sollte die Jugendkammer die Beteiligung des Angeklagten K. in tatsächlicher Hinsicht abgelehnt haben, bietet die Beweiswürdigung mangels Abwägung der maßgeblichen für und gegen eine Bandenabrede sprechenden Umstände (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 2019 - 2 StR 87/19, StV 2020, 243 Rn. 21 mwN; vom 4. März 2010 - 3 StR 559/09, juris Rn. 17) hierfür keine ausreichende Grundlage. Die herangezogenen Gesichtspunkte sind aus den bereits dargelegten Gründen für die Beteiligung an einer Bandenabrede nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die demgegenüber für eine Beteiligung sprechenden Umstände, wie etwa die gleichartigen Tatabläufe, das arbeitsteilige Zusammenwirken, der zeitliche Zusammenhang sowie die Anzahl der verübten Taten (vgl. etwa BGH, Urteile vom 6. November 2019 - 2 StR 87/19, StV 2020, 243 Rn. 21; vom 23. April 2009 - 3 StR 83/09, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 1 Bande 9 Rn. 10), hat das Landgericht nicht näher in den Blick genommen. Auch die wiedergegebene Bewertung, der Angeklagte sei „als ein 'Angestellter' innerhalb der Geschäftsstruktur“ angesehen worden, deutet auf eine Übereinkunft hin, künftig sich ergebende Gelegenheiten zu gemeinsamen Straftaten zu nutzen.
c) Die den Angeklagten K. betreffenden Taten bedürfen daher einer neuen tatgerichtlichen Beurteilung. Da er nach den ausdrücklich von der Jugendkammer getroffenen Feststellungen nicht an der Bandenabrede beteiligt war, kamen weder eine Schuldspruchumstellung durch den Senat noch ein Aufrechterhalten der Feststellungen in Betracht (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 3. September 2014 - 1 StR 145/14, juris Rn. 24 f.).
II. Die Revision des Angeklagten K. führt lediglich insofern zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung, als von der Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des landgerichtlichen Urteils hat in Bezug auf den Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten K. ergeben.
a) Die insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen.
aa) Der Angeklagte wirkte jeweils als Mittäter mit eigener Gewinnerzielungsabsicht an den Drogengeschäften mit. Dies gilt auch für die von ihm vermittelte Veräußerung von zwei Kilogramm Amphetamin angesichts der Bedeutung seines konkreten Tatbeitrags, seines Tatinteresses und seines Willens zur Tatherrschaft (vgl. allgemein BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 - 1 StR 640/18, NStZ-RR 2019, 117 f.). So stellte er erst den Kontakt zwischen seinem Onkel sowie dem Angeklagten S. her und wollte durch die Tat die bei diesem bestehenden Schulden reduzieren. Zudem bürgte er im Nachhinein für die Kaufpreisschuld seines Onkels. Dass das Landgericht keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des gehandelten Amphetamins getroffen hat, ist für den Schuldspruch unbeachtlich, da nach den Umständen und der Menge von zwei Kilogramm auszuschließen ist, dass die Grenze zur nicht geringen Menge unterschritten wurde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Mai 2016 - 3 StR 138/16, StV 2017, 293 Rn. 5; vom 12. Mai 2016 - 1 StR 43/16, NStZ-RR 2016, 247).
bb) Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, der Angeklagte K. habe sechs in Tatmehrheit (§ 53 StGB) zueinander stehende Taten begangen, ist zutreffend.
Da sich seine den Marihuanahandel betreffenden Tatbeiträge nicht allein auf den Abverkauf einzelner Kleinstmengen aus den größeren Lieferungen bezogen, sondern auch auf die Portionierung der zwischengelagerten Betäubungsmittel, leistete er wesentliche Tatbeiträge hinsichtlich der jeweiligen gesamten Teilmenge. Die auf eine Gesamtmenge bezogenen Betätigungen sind nach den Grundsätzen der Bewertungseinheit zusammenzufassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2005 - 3 StR 150/05, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 23; vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712).
Eine darüberhinausgehende Verknüpfung der einzelnen Mengen scheidet in der gegebenen Konstellation aus. Zwar verbindet ein sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb einer früheren als auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienendes Aufsuchen des Lieferanten als natürliche Handlung die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiellrechtlichen Sinne (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1). Es ist aber für jeden Mittäter, der an einer Deliktserie mehrerer Personen beteiligt ist, gesondert zu prüfen und zu entscheiden, ob einzelne Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 - 3 StR 529/19, StV 2020, 661 Rn. 9; Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 181 f. mwN). Weil der Angeklagte K. für die Veräußerung jeder der einzelnen Betäubungsmittellieferungen individuelle Beiträge erbrachte und sich diese nicht im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit überschnitten, er insbesondere an der Bezahlung der größeren Liefermengen nicht beteiligt war, ist in Bezug auf diese Realkonkurrenz gegeben. Darauf, ob das Konkurrenzverhältnis bei anderen Mittätern teilweise anders bewertet werden könnte, kommt es nicht an. Unabhängig davon ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen, dass zuvor „auf Kommission“ gelieferte Betäubungsmittel bei der Übergabe weiterer Mengen gezahlt wurden.
b) Der Strafausspruch begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken.
Allerdings ist es in der Regel erforderlich, den Wirkstoffgehalt von Betäubungsmitteln in Gewichtsprozenten anzugeben oder als Gewichtsmenge zu bezeichnen, da das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge bestimmt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Mai 2020 - 2 StR 44/20, juris Rn. 6; vom 7. Dezember 2011 - 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339 mwN). Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des veräußerten Amphetamins fehlen. Indes beruht das Urteil nicht zu Lasten des Angeklagten darauf; denn es ist nach den besonderen hiesigen Umständen ausgeschlossen, dass das Landgericht bei ordnungsgemäßer Feststellung der Wirkstoffmenge auf eine geringere Strafe erkannt hätte. So hat es für das Handeltreiben mit zwei Kilogramm Amphetamin dieselbe Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten bestimmt wie für die anderen Taten, die den Handel mit 400 Gramm und 900 Gramm Marihuana zum Gegenstand hatten. Dabei hat es ausdrücklich darauf abgestellt, wegen der erheblichen Aufklärungshilfe und Selbstbelastung die Einzelstrafe nicht höher zu bemessen als die übrigen Einzelstrafen. Dass es selbst bei einem geringen Wirkstoffgehalt des Amphetamins eine im Vergleich zu den anderen Strafen niedrigere Strafe festgesetzt hätte, scheidet hier aus.
2. Die Nichtanordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält hinsichtlich des Angeklagten K. rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Die Jugendkammer hat keine Anhaltspunkte dafür erkennen können, dass der Angeklagte eine intensive Neigung besitzt, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Zwar habe er bereits im Alter von 16 Jahren mit dem täglichen Dauerkonsum von Marihuana begonnen, diesen jedoch im Jahr 2015 dahin reduziert, dass er nur noch abends konsumiert habe. Ein zunehmender Konsum, Toleranzentwicklungen, ein psychischer Drang, erhebliche Entzugssymptome, eine verminderte Kontrollfähigkeit, erhebliche Leistungseinbußen oder eine Einengung des allgemeinen Lebens seien nicht festzustellen.
b) Für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Wenngleich erhebliche Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs haben und in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hangs aus. Das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz stehen der Annahme eines Hangs ebenfalls nicht entgegen. Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 - 3 StR 166/18, juris Rn. 12 mwN).
c) Nach diesen Maßstäben sind die Ausführungen des Landgerichts nicht geeignet, einen Hang auszuschließen. Die meisten der von ihm angeführten Gesichtspunkte, wie beispielsweise fehlende Toleranzentwicklung, fehlende Minderung der Kontrollfähigkeit und fehlende Leistungseinbußen, beziehen sich eher auf eine körperliche Sucht als auf einen Hang (vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2017 - 3 StR 438/17, juris Rn. 2 ff.). Es geht selbst von einem „missbräuchliche[n] Betäubungsmittelkonsum“ des Angeklagten K. aus. Es hat nicht in den Blick genommen, dass eine soziale Gefährdung und Gefährlichkeit eines Betäubungsmittelkonsumenten insbesondere im Bereich der Beschaffungskriminalität in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2020 - 3 StR 415/19, NStZ-RR 2020, 168, 169). Dies hat jedoch nahegelegen, weil der Angeklagte den Feststellungen zufolge bereits im Jahr 2017 mit dem Betäubungsmittelhandel unter anderem deshalb begonnen hatte, um seinen Eigenbedarf an Marihuana sicherzustellen, und er aus den Taten regelmäßig Eigenbedarfsmengen als Entlohnung erhielt. Auch nachdem er nach den Taten seinen Wohnort gewechselt hatte, um dem kriminellen Umfeld zu entkommen, konsumierte er weiterhin Marihuana.
d) Da aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht auszuschließen ist, dass neben einem Hang auch die weiteren Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vorliegen, ist über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt - nunmehr unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu zu verhandeln und zu entscheiden.
III. Die Sache bedarf nach alldem im Umfang der Aufhebung der neuen Verhandlung und Entscheidung. Da sich das Verfahren inzwischen nur noch gegen Erwachsene richtet, verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer zurück (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 - 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267).
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 299
Externe Fundstellen: NStZ 2022, 302
Bearbeiter: Christian Becker