HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 912
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 194/19, Beschluss v. 12.06.2019, HRRS 2019 Nr. 912
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 19. Dezember 2018
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte S. des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Bestimmen von Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, in weiterer Tateinheit mit Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, der Angeklagte J. des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in neun Fällen schuldig sind;
hinsichtlich der gesamtschuldnerisch angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin geändert, dass gegen den Angeklagten S. die Einziehung in Höhe von 38.300 €, gegen den Angeklagten S. in Höhe von 20.540 € angeordnet ist und die gesamtschuldnerische Haftung entfällt;
aufgehoben, soweit die Einziehung von 4,3 Gramm Haschisch sowie des Wertes von Taterträgen in Höhe von 320 € angeordnet worden ist; diese Anordnungen entfallen.
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht Lüneburg hat den Angeklagten S. wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon im ersten Fall wegen tateinheitlichen Führens einer Schusswaffe und sonstiger Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind, sowie Bestimmens, als Person über 21 Jahren, einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln“, den Angeklagten J. wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen, wobei er jeweils eine Schusswaffe und sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind, mit sich führte“, jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Darüber hinaus hat die Strafkammer Einziehungsentscheidungen getroffen; sie hat unter anderem die Einziehung verschiedener sichergestellter Betäubungsmittel sowie „des Wertes des Erlangten“ in Höhe von 38.300 € gegen beide Angeklagte als Gesamtschuldner und in Höhe von weiteren 320 € gegen den Angeklagten S. angeordnet.
Die jeweils auf die allgemeine Sachrüge und vom Angeklagten J. zudem auf die Rüge der Verletzung formellen Rechts gestützten Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Revision des Angeklagten S.
a) Das Landgericht hat, wie sich aus der rechtlichen Würdigung (UA S. 12/13) und Strafzumessung (UA S. 17, 19) ergibt, den Angeklagten S. im Fall II.2a der Urteilsgründe - zutreffend - wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BtMG, § 52 StGB) verurteilt. Insoweit war der Schuldspruch lediglich klarstellend neu zu fassen.
Der Angeklagte S. verwirklichte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tateinheitlich zudem den Tatbestand der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG). Denn er bediente sich für den Weiterverkauf der Betäubungsmittel zeitweilig des 16-jährigen gesondert verfolgten V. Zu diesem Zwecke übergab er dem Minderjährigen eine näher bestimmte Menge Marihuana zum Weiterverkauf und eine weitere Teilmenge zum Eigenkonsum. Mit Blick auf den verschiedenartigen Unrechtsgehalt der Tatbestände tritt die Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige nicht hinter dem Bestimmen zum Handeltreiben zurück (KPV BtMG/Patzak, 9. Aufl., § 30a Rn. 52).
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 analog StPO). Die Vorschrift des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der geständige Angeklagte insoweit bei einem entsprechenden Hinweis besser als geschehen hätte verteidigen können.
b) Auch die durch das Landgericht getroffenen Einziehungsentscheidungen halten rechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand.
aa) So tragen die Feststellungen der angefochtenen Entscheidung die Anordnung der Einziehung von 4,3 Gramm Haschisch nicht. Denn an keiner Stelle des Urteils ist ausgeführt, welcher der abgeurteilten Taten diese Betäubungsmittelmenge zuzuordnen ist bzw. bei welchem der Angeklagten sie sichergestellt wurde. Auch die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 320 €, welche das Landgericht auf § 74c StGB mit Blick auf die durch den Angeklagten S. selbst konsumierten Betäubungsmittel stützt, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Die Einziehung von Wertersatz nach § 74c StGB setzt voraus, dass dem Täter der ursprünglich einziehungsbetroffene Gegenstand zur Zeit der Tat gehörte oder zustand. Feststehen muss daher, dass der Täter diesen Gegenstand im Geltungsbereich einer Rechtsordnung erworben hat, die den Eigentumserwerb nicht verbietet. Dies ist für - wie hier - im Inland erworbene Betäubungsmittel wegen der entgegenstehenden Vorschrift des § 134 BGB nicht der Fall (BGH, Beschlüsse vom 11. Juni 1985 - 5 StR 275/85, BGHSt 33, 233; vom 17. März 2010 - 2 StR 67/10, NStZ 2011, 100; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 74c Rn. 5).
bb) Hinsichtlich der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 38.300 € erweist sich betreffend den Angeklagten S. im Ergebnis lediglich die angeordnete gesamtschuldnerische Haftung als rechtsfehlerhaft.
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift Folgendes ausgeführt:
„Hingegen kann die Anordnung der Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 38.300 € im Ergebnis bestehen bleiben. Das Landgericht hat seine Einziehungsentscheidung insoweit zwar zu Unrecht neben § 73c StGB auch auf § 74c StGB gestützt. Eine Einziehung von Wertersatz nach § 74c StGB setzt stets voraus, dass die verbrauchten Tatobjekte dem von der Anordnung Betroffenen gehörten. Dies ist für - wie hier - im Inland erworbene Betäubungsmittel nicht der Fall, da ein Eigentumserwerb gemäß § 134 BGB nicht möglich ist (vgl. noch zu § 74c StGB aF BGH, NStZ-RR 2009, 320; BGH, NStZ 2011, 100; zur aktuellen Rechtslage ebenso Fischer, 66. Auflage, § 74c Rn. 5; Heuchemer in BeckOK StGB, 41. Edition, § 74c Rn. 5; Volkmer in Körner/Patzak/Volkmer, 9. Auflage, § 33 Rn. 80). Einzuziehen war bei dem Beschwerdeführer demnach gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB lediglich der Wert der von ihm tatsächlich aus der Tat II. 2. a erzielten Erlöse aus dem Betäubungsmittelhandel. Hieraus ergibt sich folgende Berechnung: [6.400 g Marihuana (Gesamtlieferumfang, UA S. 12) - 1.120 g Eigenkonsum (32 Wochen x 7 Tage x 5 g/Tag, UA S. 6, 12) - 16 g für Verkaufstätigkeiten an den gesondert Verfolgten V. abgegebenes Marihuana (8 Fälle x 2 g, UA S. 7-8)] x 10 €/g Verkaufspreis (UA S. 7) = 52.640 €.
Von diesem Betrag sind die bei dem Mitangeklagten J. sichergestellten 25.700 € nicht abzuziehen, da die beiden Mitangeklagten als Teilnehmer einer Handelskette auf verschiedenen Stufen nicht als Gesamtschuldner haften, sodass die gegen den Mitangeklagten J. gerichtete Einziehung dieses Betrages dem Beschwerdeführer nicht zugutekommt. Denn Ziel der aus Einziehungsanordnungen gemäß §§ 73, 73c StGB resultierenden Zahlungsansprüche ist nicht die einmalige Abschöpfung des - regelmäßig beim Endabnehmer schließlich erreichten - höchsten Handelspreises. Vielmehr soll bei jedem Einzelnen, der aus einer rechtswidrigen Tat etwas erlangt hat, dieses weggenommen werden und zwar, da es sich um eine präventive Maßnahme eigener Art handelt, nach dem Bruttoprinzip. Bei einer Handelskette kann deshalb die Summe der Beträge, hinsichtlich derer gegen die verschiedenen Händler die Einziehung angeordnet wurde, den maximalen Handelspreis des umgesetzten Betäubungsmittels um ein Mehrfaches übersteigen. Dies dann über das Rechtsinstitut der Gesamtschuldnerschaft zu begrenzen und auszugleichen, widerspräche dem Zweck der Einziehung (vgl. noch zum Verfall BGHSt 51, 65, 71-72, Rn. 26; vgl. ebenso zur aktuellen Rechtslage Köhler/Burkhard, Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung - Teil 2/2, NStZ 2017, 665, 669). Es verbleibt demnach bei einem Einziehungsbetrag gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB von 52.640 €. Einer entsprechenden Korrektur der getroffenen Einziehungsentscheidung über lediglich 38.300 € steht indes das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO entgegen (vgl. zur Geltung des Verbots der reformatio in peius auch für Einziehungsentscheidungen Senat, Beschluss vom 21. August 2018, 3 StR 145/18, Rn. 4, juris; Senat, Beschluss vom 22. Januar 2019, 3 StR 48/18, Rn. 6, juris).“
Dem ist zuzustimmen.
2. Revision des Angeklagten J.
Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 StPO).
Aus der rechtlichen Würdigung (UA S. 11/12) und der Strafzumessung (UA S. 13) ergibt sich, dass das Landgericht den Angeklagten J. wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in neun Fällen verurteilt hat. Insoweit war der Schuldspruch klarstellend neu zu fassen.
Im Übrigen hat die rechtliche Nachprüfung zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten J. ergeben.
Lediglich die Einziehungsentscheidungen halten rechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand. Aus den vorstehend ausgeführten Gründen tragen die Feststellungen des Urteils die Einziehung von 4,3 Gramm Haschisch nicht. Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 38.300 € erweist sich auch betreffend den Angeklagten J. zum Teil als rechtsfehlerhaft.
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift Folgendes ausgeführt:
„Das Landgericht hat insoweit zu Unrecht das von dem Beschwerdeführer und dem Mitangeklagten S. Erlangte pauschal berechnet, ohne zu berücksichtigen, welche Erlöse dem Angeklagten J. tatsächlich zugeflossen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat indes nur erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen können (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2018, 5 StR 623/17, 5 StR 624/17, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 6. März 2019, 5 StR 543/18, Rn. 10, juris). Ungehinderten Zugriff auf die Betäubungsmittelerlöse hatte der Beschwerdeführer ausweislich der Urteilsgründe jedoch erst dann und insoweit, als der Mitangeklagte S. den von ihm erzielten Erlös abzüglich je 100 € im Versteck des Beschwerdeführers hinterlegte (UA S. 8).
Zu Unrecht hat das Landgericht zudem auch § 74c StGB zur Begründung seiner Einziehungsentscheidung herangezogen. Eine Einziehung von Wertersatz nach § 74c StGB setzt stets voraus, dass die verbrauchten Tatobjekte dem von der Anordnung Betroffenen gehörten. Dies ist für - wie für den Angeklagten J. nicht ausschließbar - im Inland erworbene Betäubungsmittel nicht der Fall, da ein Eigentumserwerb gemäß § 134 BGB nicht möglich ist (vgl. noch zu § 74c StGB aF BGH, NStZ-RR 2009, 320; BGH, NStZ 2011, 100; zur aktuellen Rechtslage ebenso Fischer, 66. Auflage, § 74c Rn. 5; Heuchemer in BeckOK, 41. Edition, 17 § 74c Rn. 5; Volkmer in Körner/Patzak/Volkmer, 9. Auflage, § 33 Rn. 80). Hinzu kommt, dass eine Einziehung gemäß § 74c Abs. 1 StGB wegen Veräußerung des an sich einzuziehenden Gegenstandes sowie zugleich der aus der Veräußerung dieses Gegenstandes erzielten Erlöse gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB zu einer unzulässigen Verdoppelung der Einziehung führten. Denn auch die Betäubungsmittel hätten im Falle ihrer Sicherstellung nur einmal eingezogen werden können.
Einzuziehen war bei dem Beschwerdeführer demnach gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB lediglich der Wert der von ihm tatsächlich aus den Taten II. 1 ah erlangten Erlöse aus dem Betäubungsmittelhandel. Hieraus ergibt sich folgende Berechnung: [6.400 g Marihuana (Gesamtlieferumfang an den Mitangeklagten S., UA S. 12) - 1.120 g Eigenkonsum des Mitangeklagten S. (32 Wochen x 7 Tage x 5 g/Tag, UA S. 6, 12) - 16 g für Verkaufstätigkeiten an den gesondert Verfolgten V. abgegebenes Marihuana (8 Fälle x 2 g, UA S. 7-8)] x 10 €/g Verkaufspreis (UA S. 7) - 6.400 € Einbehalt des Mitangeklagten S. (64 Fälle x 100 €, UA S. 6) = 46.240 €. Von diesem Erlös sind die bei dem Beschwerdeführer rechtsfehlerfrei gemäß § 73 Abs. 1 StGB eingezogenen 25.700 €, die aus denselben Taten stammen (UA S. 21), abzuziehen, sodass 20.540 € verbleiben. Nur insoweit kann eine Einziehung gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB erfolgen; die darüber hinausgehende Einziehungsanordnung ist ersatzlos aufzuheben.“
Dem ist zuzustimmen.
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
4. Angesichts des geringen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Angeklagten mit den Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 912
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 382
Bearbeiter: Christian Becker