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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 426

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 563/18, Beschluss v. 05.02.2019, HRRS 2019 Nr. 426


BGH 3 StR 563/18 - Beschluss vom 5. Februar 2019 (LG Kleve)

Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (Erkennbarkeit einer Person bzw. Teile derselben auf dem Bild; keine Tatbestandsmäßigkeit bei Bildern unkenntlichen Inhalts).

§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB dient dem Schutz des durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleisteten höchstpersönlichen Lebensbereichs des Einzelnen durch Eingriffe mittels Bildaufnahmen. Die Vorschrift erfasst nur solche Bildaufnahmen, auf denen erkennbar eine Person - ganz oder teilweise - abgebildet ist. Ermöglicht die Bildqualität schon nicht die Feststellung, dass es sich um die Abbildung einer Person bzw. Teile derselben handelt, ist der Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht eröffnet, da eine Verletzung des Schutzgutes der Norm durch die Anfertigung von Bildern unkenntlichen Inhalts nicht zu besorgen ist.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 5. September 2018

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vergewaltigung schuldig ist;

im Strafausspruch aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten;

im Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass Zinsen seit dem 6. September 2018 zu zahlen sind. Von einer Entscheidung über den im Adhäsionsverfahren angebrachten Zinsantrag wird im Übrigen abgesehen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es ihn verurteilt, an die Neben- und Adhäsionsklägerin 2.500 € Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 5. September 2018 zu zahlen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte neben einer Vergewaltigung der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen schuldig gemacht hat. Der Senat ändert den Schuldspruch daher entsprechend ab.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts führte der Angeklagte am 7. Oktober 2017 in der Wohnung des Zeugen C. in M., während die Nebenklägerin Marah B. schlief, zwei Finger in deren Scheide ein; er roch und leckte daran, nachdem er sie wieder aus der Scheide herausgezogen hatte. Im Anschluss rieb er seinen Penis an dem Körper der Nebenklägerin, die zwischenzeitlich zwar erwacht war, dies jedoch nicht zu erkennen gab, und versuchte ihr unter das T-Shirt an die Brüste zu fassen. Überdies führte er erneut seine Finger in die Scheide der Zeugin ein, richtete sich auf und fertigte mit seinem Smartphone Lichtbildaufnahmen von der Penetrationshandlung. Entsprechend der insoweit vom Landgericht als nicht widerlegt angesehenen Einlassung des Angeklagten waren die Bilder „nichts geworden“ und wurden durch den Angeklagten sofort gelöscht.

2. Das Landgericht ist in seiner rechtlichen Würdigung davon ausgegangen, dass der Angeklagte neben dem Tatbestand der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Nr. 1 und 3, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB) auch den Tatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 1 Nr. 1, § 205 Abs. 1 Satz 2 StGB) verwirklicht habe.

3. Diese rechtliche Würdigung wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen, soweit das Landgericht eine tateinheitliche Verwirklichung des Tatbestands der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen angenommen hat.

Nach der Strafnorm des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB, welche dem Schutz des durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleisteten höchstpersönlichen Lebensbereichs des Einzelnen durch Eingriffe mittels Bildaufnahmen dient (vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 1; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 201a Rn. 3; LK/Valerius, StGB, 12. Aufl., § 201a Rn. 5), macht sich strafbar, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen dieser Vorschrift auch Bildaufnahmen unterfallen, die allein aus sich heraus eine Individualisierung der abgebildeten Person nicht ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2015 - 4 StR 328/14, NStZ 2015, 391 mwN; SSWStGB/Bosch, 4. Aufl., § 201a Rn. 5; LK/Valerius, StGB, 12. Aufl., § 201a Rn. 11; S/S/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 201a Rn. 7; Matt/Renzikowski/Altenhain, StGB, § 201a Rn. 2; Ernst, NJW 2004, 1277, 1278; 4 5 6 Koch, GA 2005, 589, 595; Kargl, ZStW 2005, 324, 340), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn tatbestandlich erfasst werden jedenfalls nur solche Bildaufnahmen, auf denen erkennbar eine Person - ganz oder teilweise - abgebildet ist. Ermöglicht die Bildqualität schon nicht die Feststellung, dass es sich um die Abbildung einer Person bzw. Teile derselben handelt, ist der Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht eröffnet. Denn eine Verletzung des Schutzgutes der Norm - des höchstpersönlichen Lebens- und Geheimbereichs des Einzelnen - ist durch die Anfertigung von Bildern unkenntlichen Inhalts nicht zu besorgen.

Die Feststellungen des Landgerichts erschöpfen sich darin, der Angeklagte habe von der Penetrationshandlung mit seinem Smartphone ein Bild gefertigt, welches nach seiner nicht widerlegten Einlassung „nichts geworden“ sei. Eine nähere Beschreibung, ob und gegebenenfalls was auf dem Bild tatsächlich erkennbar war, fehlt jedoch.

Der Senat schließt angesichts der Einlassung des Angeklagten, er habe das Bild zwischenzeitlich gelöscht, aus, dass in einer neuen Verhandlung weitergehende Feststellungen möglich wären, die eine Verurteilung wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen rechtfertigen könnten, und ändert den Schuldspruch dementsprechend selbst (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des Strafausspruches, weil nicht auszuschließen ist, dass die Strafrahmenwahl und die Strafzumessung durch die fehlerhafte rechtliche Würdigung beeinflusst worden sind. Indes können die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den bereits getroffenen nicht in Widerspruch treten dürfen, sind möglich.

II.

Die Adhäsions- und Nebenklägerin hat Anspruch auf Prozesszinsen aus dem rechtsfehlerfrei zuerkannten Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 2.500 € gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1, § 187 Abs. 1 BGB analog erst ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2018 - 4 StR 292/18, juris Rn. 2 mwN). Rechtshängigkeit ist vorliegend mit der Adhäsionsantragstellung in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2018 eingetreten, so dass Prozesszinsen ab dem 6. September 2018 zu zahlen sind. Der Schriftsatz des Vertreters der Adhäsions- und Nebenklägerin vom 31. August 2018 war nicht geeignet, die Rechtswirkungen des § 404 Abs. 2 StPO herbeizuführen, da in diesem die Anträge lediglich angekündigt wurden.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 426

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 143; StV 2019, 670

Bearbeiter: Christian Becker