HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 937
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 144/18, Urteil v. 12.07.2018, HRRS 2018 Nr. 937
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 10. Oktober 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe eines 18.000 € übersteigenden Geldbetrages abgesehen worden ist. Jedoch bleiben die Feststellungen zu dem entwendeten Bargeld, zur entwendeten Tasche der Marke MCM und deren Wert, zur entwendeten schwarzen Aktentasche aus Leder und deren Wert sowie zu den entwendeten Schmuckstücken aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und die „Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 18.000 € als Wertersatz“ angeordnet. Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der allein das Unterbleiben einer weitergehenden Einziehungsanordnung angegriffen wird, hat Erfolg.
Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt und gewertet:
1. Am 11. Juni 2013 hebelten die wegen dieser Tat bereits rechtskräftig (vor dem 1. Juli 2017) verurteilten Zeugen D. und T. gemäß dem mit dem Angeklagten verabredeten Tatplan die Balkontür des freistehenden Einfamilienhauses des Ehepaares W. auf; der Angeklagte und der ebenfalls rechtskräftig (vor dem 1. Juli 2017) verurteilte Zeuge We. warteten im Fluchtwagen. D. steckte in dem Haus mehrere Ringe aus Gold ein. T. nahm zwei Herrenarmbanduhren an sich. Zudem entwendeten sie den Ehering des Zeugen Wei. Die beiden Mittäter entdeckten zwei Tresore, die sie indes nicht öffnen konnten. Der Angeklagte und seine Mittäter fassten daher den Entschluss, die Rückkehr des Ehepaares W. abzuwarten und ihnen mit Gewalt die Tresorschlüssel abzunehmen. Zu diesem Zweck nahm der Angeklagte ein Fleischermesser an sich. Er und T., mit Strumpfhosen maskiert, stürzten sich auf den Zeugen Wei. bei dessen Rückkehr; einer der beiden stieß Wei. gegen den Rücken, worauf dieser auf den Boden stürzte. Mit dem Fleischermesser bedrohte der Angeklagte abwechselnd die Eheleute, sodass Wei. aus Angst um sein Leben und das Leben seiner Ehefrau schließlich dem Angeklagten einen Tresorschlüssel übergab, sodass letztlich der Tresor geöffnet werden konnte. Der Angeklagte nahm aus dem Tresor 30.000 € Bargeld, eine hellbraune Tasche im Wert von 100 € und mehrere Schmuckstücke an sich. Er verstaute die Wertsachen in einem Korb und einer schwarzen Aktentasche aus Leder im Wert von rund 300 €, die ebenfalls dem Ehepaar W. gehörte. T. gab dem Zeugen Wei. eine der Herrenarmbanduhren zurück.
Schließlich fuhr der Angeklagte mit seinen drei Mittätern zu seinem Anwesen. Vom Bargeld verschwieg er 15.000 €, die er für sich behielt. Die restlichen 15.000 € verteilte er an seine drei Mittäter und den unbekannt gebliebenen Tippgeber zu gleichen Teilen; dementsprechend vereinnahmte der Angeklagte weitere 3.000 € für sich. Den Schmuck veräußerte er gemäß der Abrede mit seinen Mittätern an T. s Vater für 15.000 €. Davon behielt der Angeklagte 3.000 € für sich.
Die Versicherung der Eheleute W. erkannte einen Schmuck- und Bargeldschaden in Höhe von 70.730 € an. Nach Sicherstellung gab die Polizei an das Ehepaar W. acht Schmuckstücke zurück.
2. Das Landgericht hat auf Einziehung des Wertes von Taterträgen nur in dem Umfang des endgültigen Anteils des Angeklagten an der Tatbeute erkannt. Im Übrigen habe der Angeklagte an dem Bargeld und den Wertsachen nur kurzfristig und transitorisch Verfügungsmacht erlangt. Demnach hat das Landgericht dem Angeklagten vom entwendeten Bargeld nur 18.000 € zugerechnet. Zugunsten des Angeklagten hat es den - der Höhe nach nicht mitgeteilten - Wert der von den Geschädigten zurückerlangten Schmuckstücke (§ 73e Abs. 1 StGB) vollständig von seinem Anteil am Erlös aus dem Verkauf des Schmucks abgezogen. Eine weitergehende Einziehungsanordnung scheitere auch daran, dass gegen die rechtskräftig verurteilten T., D. und We. keine Entscheidung zur Rückgewinnungshilfe unter Annahme einer gesamtschuldnerischen Haftung ergangen ist, sodass der Rückgriff des Angeklagten bei seinen Mittätern im Gesamtschuldnerinnenverhältnis nicht gewährleistet sei.
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft zu Recht.
1. Der Senat erachtet die Revision trotz fehlenden ausdrücklichen Antrags (§ 344 Abs. 1 StPO) für zulässig: Der Revisionsbegründung vom 10. Januar 2018 sind Anfechtungsumfang und -ziel noch hinreichend deutlich zu entnehmen. Die daraus ersichtliche Beschränkung des Rechtsmittels auf die unterbliebene Anordnung einer weitergehenden Einziehungsentscheidung ist wirksam (BGH, Urteil vom 8. Februar 2018 - 3 StR 560/17, NJW 2018, 2141 Rn. 4 mwN).
2. In der Sache erweist es sich aus mehreren Gründen als rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht von einer weitergehenden Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1, § 73d StGB nF abgesehen hat. Es hat im Ausgangspunkt zwar zutreffend nach Art. 316h EGStGB die Vorschriften der §§ 73 ff. StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) angewendet (dazu BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - 3 StR 42/18, NStZ 2018, 400). Es hat indes den Umfang des Erlangten rechtsfehlerhaft bestimmt.
a) Nach § 73 Abs. 1 StGB nF ist jeder Vermögenswert abzuschöpfen, den der Tatbeteiligte „durch“ die rechtswidrige Tat erlangt hat, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine Verfügungsgewalt übergegangen und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutekommen ist (BT-Drucks. 18/9525, S. 62; BGH, Urteil vom 8. Februar 2018 - 3 StR 560/17, NJW 2018, 2141, 2142 Rn. 10; Köhler, NStZ 2017, 497, 503). Wie nach alter Rechtslage ist bei Bestimmung des „erlangten Etwas“ nicht abzuziehen, was der Tatbeteiligte, der zunächst die uneingeschränkte alleinige Verfügungsmacht über die erlangte Tatbeute hat, später bei deren Aufteilung an seine Komplizen weitergibt (zum neuen Recht: BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 - 5 StR 623/17, juris Rn. 8; Köhler, NStZ 2017, 665, 669; zum alten Recht: BGH, Urteile vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 46; vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 68, 72; vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 252; zur Anordnung von Wertersatzverfall in voller Höhe der vereinnahmten Geldbeträge nach § 73a StGB aF bei wirtschaftlicher Mitverfügungsgewalt von Mittätern siehe BGH, Beschlüsse vom 13. November 1996 - 3 StR 482/96, NStZ-RR 1997, 262; vom 10. September 2002 - 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199; vgl. auch BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11, NJW 2012, 92, 93: Berücksichtigung der Weggabe der Beuteanteile an die Mittäter nur im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StPO; ferner BGH, Beschluss vom 10. April 2013 - 2 StR 19/13, juris Rn. 19 [nicht tragend] unter Bezugnahme auf das Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, WM 2002, 2413).
Der Angeklagte erlangte in Abwesenheit seiner Mittäter am gesamten Bargeld und an dem dem Tresor entnommenen Schmuck sowie an den beiden Taschen die alleinige Verfügungsgewalt. Der tatsächliche Vorgang ist maßgeblich (siehe nur BT-Drucks. 18/9525, S. 62); es kommt mithin nicht darauf an, wie die Tatbeute später aufgeteilt werden sollte. Zudem bestimmte der Angeklagte, der 15.000 € verschwieg, in welchem Umfang die Tatbeute für die Aufteilung später zur Verfügung stand. Sein - rechtsfehlerfrei - festgestellter Besitz geht weit über einen „transitorischen“ (dazu nur BGH, Urteile vom 27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11, NJW 2012, 92, 93; vom 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18, juris Rn. 12; Beschlüsse vom 27. Oktober 2009 - 5 StR 242/09, NStZ 2011, 87; vom 8. August 2013 - 3 StR 179/13, NStZ-RR 2014, 44, 45) hinaus. Damit ist die Einziehungsanordnung auf weitere 12.000 € (Bargeld) sowie auf den Wert des Schmucks aus dem Tresor und der beiden Taschen zu erstrecken.
b) Bargeld, Schmuck und Taschen waren nicht mehr gegenständlich im Vermögen des Angeklagten vorhanden; daher ist für die Wertersatzeinziehung deren Wert zum Zeitpunkt der Entziehung des Besitzes am 11. Juni 2013 zu bestimmen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1, § 73d StGB). Der - regelmäßig geringere - Hehlerwert ist unerheblich.
c) Der für den Schmuck erzielte Kaufpreis von 15.000 € als Surrogat (§ 73 Abs. 3 Nr. 1 StGB) ist nicht zusätzlich zum Wert der Taterträge einzuziehen (BGH, Urteil vom 8. Februar 2018 - 3 StR 560/17, NJW 2018, 2141, 2142 Rn. 9 f.).
d) Dass Entscheidungen zur Rückgewinnungshilfe nach altem Recht bei den Mittätern des Angeklagten unterblieben sind, steht einer weitergehenden Einziehungsentscheidung nicht entgegen.
aa) In Höhe von 18.400 € besteht ohnehin keine Gesamtschuld nach § 830 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 840 Abs. 1, §§ 421 ff. BGB. Am verschwiegenen Bargeld in Höhe von 15.000 € erlangten die Mittäter und der Tippgeber des Angeklagten keine Mitverfügungsgewalt. Dies gilt zudem für das Bargeld in Höhe von 3.000 €, welches der Angeklagte beim Verteilen sogleich für sich einbehielt. Auch über die Taschen konnten die anderen zu keinem Zeitpunkt verfügen.
bb) Eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 840 Abs. 1, §§ 421 ff. BGB kommt nur in dem Umfang in Betracht, in welchem der Angeklagte die Tatbeute weitergab. Indes haftet der Angeklagte den Geschädigten zivilrechtlich im Außenverhältnis auf Schadensersatz jedenfalls unmittelbar in dem Umfang, in dem seine Verfügungsmacht über die entwendeten Gegenstände festgestellt ist. Die Mithaftung seiner Mittäter kann er im Außenverhältnis nicht einwenden; dann kann aber für die strafprozessuale Abschöpfung nichts anderes gelten. Die Möglichkeit, im Innenverhältnis bei seinen Mittätern Regress zu nehmen (§ 426 Abs. 1 BGB bzw. § 426 Abs. 2 i.V.m. §§ 992, 823 Abs. 1 BGB; § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 239, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB; § 826 BGB), wird dem Angeklagten nicht dadurch verwehrt, dass die gesamtschuldnerische Haftung in den gegen seine Mittäter ergangenen Urteilen nicht zum Ausdruck gekommen ist. Die Kennzeichnung der Haftung als gesamtschuldnerisch soll verhindern, dass das aus der Tat Erlangte mehrfach entzogen wird (BGH, Urteil vom 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18, juris Rn. 12); dies ändert aber nichts an der vollen Haftung des Angeklagten im Außenverhältnis.
Die Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11 (NJW 2012, 92, 93) steht nicht entgegen; denn sie ist, wie ausgeführt, zur Ermessensvorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB aF ergangen. Etwaige Unbilligkeiten wären bei der Vollstreckung zu berücksichtigen (§ 459g Abs. 5 Satz 1 StPO). Das neue Tatgericht wird die gesamtschuldnerische Haftung in dem derart eingeschränkten Umfang zumindest in den Urteilsgründen festzustellen haben (dazu nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 52).
e) Dem Senat ist eine das Verfahren abschließende Urteilsergänzung analog § 354 Abs. 1 StPO verwehrt. Dem steht bereits entgegen, dass der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage auf die Revision des Angeklagten das Urteil aufgehoben hat (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die bisherigen Feststellungen zum Umfang der Tatbeute als solchen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Hierzu nicht in Widerspruch tretende ergänzende Feststellungen sind möglich und auch geboten.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 937
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 335; StV 2018, 780
Bearbeiter: Christian Becker