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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 298

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 344/17, Beschluss v. 28.11.2017, HRRS 2018 Nr. 298


BGH 3 StR 344/17 - Beschluss vom 28. November 2017 (LG Duisburg)

Betrug (Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe; keine Mittäterschaft bei untergeordneten Unterstützungshandlungen; fehlende Feststellungen zu konkreten Einnahmequellen bei der Annahme von gewerbsmäßigem Handeln; keine Mittäterschaft nach Beendigung der Tat).

§ 25 Abs. 2 StGB; § 263 Abs. 1 / Abs. 3 Nr. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Werden Betrugstaten begangen, indem mittels gefälschter Rechnungen und Überweisungen Gelder auf von den Tätern kontrollierte Zielkonten transferiert werden, handelt es sich regelmäßig um Beihilfe (und nicht um Mittäterschaft), wenn lediglich Passfotos für Passfälschungen zur Verfügung gestellt und gefälschte Kreditkarten bei der Bank unter Leistung einer Unterschrift abgeholt werden.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 21. Februar 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

im Schuldspruch, soweit die Angeklagte in den Fällen C.3.c) und d) der Urteilsgründe verurteilt worden ist;

im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung (Fälle C.3. der Urteilsgründe), wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung (Fall C.2. der Urteilsgründe) und wegen Verstoßes gegen die Passpflicht in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt im Bundesgebiet (Fall C.1. der Urteilsgründe) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und mehrere Verfahrensrügen gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I. Die Verfahrensrügen bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen ohne Erfolg.

II. Während die Verurteilungen der Angeklagten wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und wegen der Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz materiellrechtlich nicht zu beanstanden sind, hält der Schuldspruch wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Nach den unter C.3. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen schloss sich die Angeklagte mit zwei gesondert Verfolgten sowie weiteren nicht identifizierten, in Nigeria aufhältigen Personen zusammen, um in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen durch Manipulationen von Rechnungen und Zahlungserinnerungen beziehungsweise durch Fälschung von Überweisungsträgern Gelder von Konten von Privatleuten und Unternehmen auf Zielkonten überweisen zu lassen, die von der Gruppierung zu diesem Zweck eingerichtet worden waren und die deren Zugriff unterlagen. Dabei kam der Angeklagten insbesondere die Aufgabe zu, das Geld, das von einem der gesondert Verfolgten von einem solchen Konto abgehoben wurde, an die Hinterleute in Nigeria weiterzuleiten und für die Gruppenmitglieder zu sichern. In Ausführung dieses von den gesondert Verfolgten, der Angeklagten und den unbekannt gebliebenen Mitgliedern gefassten Tatentschlusses kam es unter Beteiligung der Angeklagten zu folgenden Taten:

a) Im Fall C.3.c) der Urteilsgründe ließ einer der gesondert Verfolgten eine Passfälschung mit einem Lichtbild der Angeklagten anfertigen, das diese ihm überlassen hatte. Unter Verwendung der Falschpersonalien aus dem Pass wurde „online“ auf nicht bekanntem Wege ein Kreditkartenkonto eröffnet. Die für dieses Konto ausgegebene Kreditkarte holte die Angeklagte bei einer Postfiliale ab, wobei sie im Postidentverfahren eine Unterschrift leistete, die der im Pass ähnelte. Die Kreditkarte sowie den Pass übergab die Angeklagte einem der gesondert Verfolgten, der das Konto durch eine Zahlung von 50 € aktivierte. In der Folge wurden mittels eines gefälschten Überweisungsträgers rund 19.600 € auf das Zielkonto überwiesen. Die Abhebung dieses Betrages misslang, da die Fälschung zwischenzeitlich aufgefallen und die Rückbuchung veranlasst worden war.

b) Im Fall C.3.d) der Urteilsgründe ließen die gesondert Verfolgten einen hierfür angeworbenen spanischen Staatsangehörigen ein Zielkonto errichten. Nachdem ein auf dieses Konto zunächst eingegangener Gutschriftbetrag von rund 18.700 € nach Entdeckung der Manipulation des Überweisungsträgers zurückgebucht worden war, veranlassten die unbekannten Hintermänner mit Hilfe einer Rechnungsfälschung die Überweisung von rund 8.000 € auf das Konto. Einem der gesondert Verfolgten gelang es, von diesem Betrag 4.000 € abzuheben. Das Geld übergab er der Angeklagten zur Weiterleitung an die Hinterleute in Nigeria. Diese benachrichtigte daraufhin ihren in Nigeria lebenden Lebensgefährten, der in Nigeria 4.000 € an die Hintermänner übergab und die Angeklagte anwies, die bei ihr verbliebenen 4.000 € einem Mann zu überbringen, der dafür Fahrzeuge an den Lebensgefährten verkaufte.

2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen zweifachen mittäterschaftlich begangenen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges nicht.

a) Im Fall C.3.c) der Urteilsgründe belegen die Feststellungen schon nicht, dass die Angeklagte sich als Mittäterin an dem Betrug zu Lasten der überweisenden Firma beteiligt hat. Auch ergeben sie kein gewerbsmäßiges Handeln der Angeklagten.

aa) Bei Beteiligung mehrerer Personen an einer Straftat, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung der anderen Beteiligten und umgekehrt deren Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst und auch keine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft oder Beihilfe anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26).

Daran gemessen begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild stellen sich die Tätigkeiten der Angeklagten als den Tatbeiträgen der gesondert Verfolgten untergeordnete Unterstützungshandlungen dar. Diese erschöpften sich im Überlassen eines Passbildes, das der gesondert Verfolgte nutzte, eine Passfälschung zu veranlassen, sowie in der Abholung der Kreditkarte unter Vorlage des gefälschten Passes, die die Angeklagte zusammen mit der PIN einem der gesondert Verfolgten übergab, der nach Eingang der Überweisungsgutschrift die Karte zur Abhebung verwenden wollte. Dass die Angeklagte bei den eigentlichen Betrugshandlungen Tatherrschaft oder zumindest den Willen dazu gehabt hätte, wird aus diesen Handlungen auch unter Berücksichtigung der gemeinsamen Tatplanung nicht erkennbar; denn auch die spätere Tätigkeit der Angeklagten sollte allein im Transfer und der Sicherstellung erlangter Gelder liegen.

bb) Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341, 343 mwN). Es genügt insoweit, dass die Taten mittelbar als Einnahmequelle dienen (BGH, Beschluss vom 29. November 2016 - 3 StR 291/16, StraFo 2017, 122, 123 mwN).

Nach diesen Maßstäben ist ein gewerbsmäßiges Handeln der Angeklagten in diesem Fall durch die Feststellungen nicht belegt. Zwar kam es der Angeklagten danach bei Begehung dieser Tat darauf an, sich eine nicht nur vorübergehende und nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle zu erschließen. Doch kann - über diese formelhaften Ausführungen hinaus - den Urteilsgründen - auch in ihrem Gesamtzusammenhang - nicht entnommen werden, ob und welche finanziellen Vorteile die Angeklagte für die Beteiligung an der Tat erwartete. In den Feststellungen wird lediglich angeführt, dass die Angeklagte „an der Transaktion dadurch“ partizipierte, „dass sie ... einen Geldanteil dafür erhielt, dass sie einen günstigeren Wechselkurs einräumte, als im normalen Bankverkehr zu erlangen gewesen wäre, und sie den Geldtransfer wie beschrieben verschleierte“. Dies ist zum einen deswegen unverständlich, weil eine Abhebung der auf das Zielkonto überwiesenen Beträge gerade nicht möglich war, so dass auch kein wie auch immer gearteter „verschleierter“ Geldtransfer nach Nigeria stattfinden konnte. Zum anderen bleibt aber auch für sich genommen nicht nachvollziehbar, welchen finanziellen Vorteil die Angeklagte dadurch zu erzielen trachtete, dass sie „einen günstigeren Wechselkurs einräumte“. Soweit die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung ausführt, dass der Angeklagten ein „kleiner Teil der Tatbeute als Geldanteil einschließlich von Wechselkursgewinnen zufließen sollte“, macht dies ebenfalls nicht verständlicher, welche nicht unerhebliche Einnahmequelle die Angeklagte sich durch ihre Beteiligung an den Taten der Gruppierung zu erschließen erstrebte. Den bisherigen Feststellungen lässt sich daher ein gewerbsmäßiges Handeln der Angeklagten nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen.

b) Auch im Fall C.3.d) der Urteilsgründe kann die Verurteilung wegen mittäterschaftlichen Betruges keinen Bestand haben. Hier belegen die Feststellungen schon nicht, dass sich die Angeklagte an dem von den gesondert Verfolgten begangenen Betrug mit einem eigenen Tatbeitrag beteiligt hätte. Nach den Feststellungen wurde die Angeklagte erst tätig, nachdem einer der gesondert Verfolgten von dem aufgrund betrügerischer Machenschaften gutgeschriebenen Geldbetrag 4.000 € abgehoben und ihr übergeben hatte. Mit der Abhebung des Geldes war der Betrug aber nicht nur vollendet (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 19. April 2016 - 3 StR 52/16, wistra 2016, 442), sondern auch - da die Tatbeute damit endgültig gesichert war - beendet. Nach Beendigung der Tat kommt jedoch auch eine sukzessive Mittäterschaft nicht mehr in Betracht (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 7. März 2017 - 3 StR 517/16, NStZ-RR 2017, 134, 135). Denkbar wäre daher nach den bisherigen Feststellungen allenfalls, dass die Angeklagte Beihilfe zum Betrug beging, indem sie andere Tatbeteiligte durch das Versprechen der Weiterleitung der Beute psychisch in ihrem Entschluss bestärkte, was aber im Einzelnen konkret belegt werden müsste. Zum anderen wären Anschlussdelikte nach §§ 257, 259 ff., 261 StGB in Betracht zu ziehen.

Nach alledem kann die Verurteilung wegen zweifachen banden- und gewerbsmäßigen Betruges keinen Bestand haben. Der Wegfall der für diese Taten verhängten Einzelstrafen entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Die Sache bedarf daher in diesem Umfang erneuter Verhandlung und Entscheidung.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 298

Bearbeiter: Christian Becker