HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 1123
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 350/15, Beschluss v. 15.10.2015, HRRS 2015 Nr. 1123
Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 5. Mai 2015 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den ergänzenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen.
Das Landgericht hatte den Angeklagten am 30. Juni 2014 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 20 Fällen (§ 176 Abs. 1 StGB aF - Fälle II. A. 1. bis 20. der Urteilsgründe -) und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zehn Fällen (§ 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB aF - Fälle II. A. 21. bis 29. der Urteilsgründe - sowie § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB nF - Fall II. B. der Urteilsgründe) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat das Urteil mit Beschluss vom 9. Dezember 2014 (3 StR 502/14) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II. A. 1. bis 29. der Urteilsgründe - Missbrauch der Tochter C. - und über die Gesamtstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen hatte er aufrechterhalten.
Nach neuer Verhandlung hat das Landgericht wiederum eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren ausgesprochen. Auch die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
Die nunmehr ausgesprochenen Einzelstrafen begegnen ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat bei deren Bemessung zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dieser habe vor den hier abgeurteilten Taten - in verjährter Zeit - bereits mehrfach die ältere Tochter E. sexuell missbraucht. Es ist dabei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass auch Taten strafschärfend berücksichtigt werden können, deren Verfolgung ein Verfahrenshindernis wie zwischenzeitlich eingetretene Strafverfolgungsverjährung entgegensteht, wenngleich nicht mit demselben Gewicht wie eine den Schuldspruch tragende Tat (BGH, Beschluss vom 24. November 2000 - 3 StR 481/00, juris Rn. 3 mwN). Jedoch setzt eine solche Verwertung (bislang) nicht abgeurteilter weiterer Straftaten stets voraus, dass diese prozessordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass ihr wesentlicher Unwertgehalt abgeschätzt und eine unzulässige strafschärfende Berücksichtigung eines bloßen Verdachts ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 1996 - 2 StR 260/96, NStZ-RR 1997, 130).
Dies hat das Landgericht nicht bedacht. Weder das Urteil vom 30. Juni 2014 noch das neue Urteil enthält nähere Feststellungen zu Tathandlungen des Angeklagten zulasten der Tochter E. Vielmehr hat das Landgericht nun ausdrücklich dargelegt, dass sich insoweit „Dauer und Intensität“ nicht ermitteln ließen.
Der Wegfall der Einzelstrafen führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Mit aufzuheben sind die im angefochtenen Urteil unter II. ergänzend getroffenen Feststellungen. Bindend bleiben dagegen die vom Senat in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2014 aufrechterhaltenen Feststellungen des Urteils vom 30. Juni 2014.
Der Senat verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Oldenburg zurück (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 1123
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2016, 8 ; StV 2016, 558
Bearbeiter: Christian Becker