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HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 574

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 422/11, Urteil v. 29.03.2012, HRRS 2012 Nr. 574


BGH 3 StR 422/11 - Urteil vom 29. März 2012 (LG Kleve)

Hinweispflicht des Gerichts nach anfänglicher Behandlung einer Beweistatsache als bedeutungslos (im Laufe des Verfahrens geänderten Einschätzung; zusätzliche Möglichkeiten der Verteidigung; Beruhen); Anforderungen an eine natürliche Handlungseinheit bei Angriffen gegen höchstpersönliche Rechtsgüter; Doppelverwertungsverbot.

§ 244 Abs. 3 StPO; § 337 StPO; § 52 StGB; § 53 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Das Gericht muss die Verteidigung darauf hinweisen, dass sich im Laufe des Verfahrens seine Einschätzung hinsichtlich der Würdigung einer Beweistatsache geändert hat, soweit sich aus der geänderten Auffassung für die Verteidigung zusätzlichen Möglichkeiten zur Einflussnahme auf das Verfahren im Interesse des Angeklagten ergeben können. Das Beruhen auf diesem Verfahrensfehler kann aber im - hier vorliegenden - Einzelfall auszuschließen sein.

2. Unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit liegt eine Tat im sachlich-rechtlichen Sinne vor, wenn mehrere, im Wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches Geschehen darstellt (st. Rspr.). Sie ist gekennzeichnet durch einen solchen unmittelbaren Zusammenhang zwischen mehreren menschlichen, strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen, dass sich das gesamte Tätigwerden an sich (objektiv) auch für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellt.

3. Richten sich die Handlungen des Täters gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer, wird die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sie liegt jedoch bereits nicht nahe. Höchstpersönliche Rechtsgüter sind einer additiven Betrachtungsweise allenfalls in Ausnahmefällen zugänglich. Deshalb können Handlungen, die sich nacheinander gegen höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Personen richten, grundsätzlich weder durch ihre enge Aufeinanderfolge noch durch einen einheitlichen Plan oder Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn ein einheitlicher Tatentschluss gegeben ist und die Aufspaltung des Tatgeschehens in Einzelhandlungen wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhanges, etwa bei Messerstichen oder Schüssen innerhalb weniger Sekunden, willkürlich und gekünstelt erschiene.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 30. Juni 2011, soweit es die Angeklagten betrifft, im jeweiligen Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen schuldig gesprochen und den Angeklagten K. zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten A. zu einer solchen von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts stützen, der Angeklagte A. darüber hinaus auch auf eine Verfahrensbeanstandung. Die Rechtsmittel haben mit den Sachbeschwerden zu den Strafaussprüchen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I. Das Landgericht hat im Wesentlichen festgestellt:

In der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember 2010 waren die Angeklagten sowie der Mitangeklagte und Nichtrevident D. als Türsteher in der Diskothek in M. tätig. Gegen 1.00 Uhr forderte D. nach einem Wortwechsel den Geschädigten Y. auf, die Diskothek zu verlassen, und begleitete ihn zur Tür. Y. war deswegen verärgert. Auf sein Geheiß ging sein Begleiter Mä. zum Eingang der Diskothek zurück und forderte den Angeklagten D. auf, nach draußen zu kommen, um die Sache mit dem Zeugen Y. "Mann gegen Mann" zu klären. Gemeinsam mit den Angeklagten K. und A. begaben sich D., Y. und Mä. vor die Diskothek, wobei allen Beteiligten klar war, dass es nun zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Y. und D. kommen würde. Sogleich begann eine Rangelei zwischen diesen beiden, in deren Verlauf sich - entgegen der Erwartung der drei Angeklagten - der Zeuge Y. als der Überlegene herausstellte.

Es gelang ihm, den Angeklagten D. zu Fall zu bringen, sich auf ihn zu setzen und auf ihn einzuschlagen. Dieser unerwartete Verlauf missfiel den Angeklagten K. und A., so dass sie sich entschlossen, zugunsten des Mitangeklagten D. in die Auseinandersetzung einzugreifen, um das Blatt zu dessen Gunsten zu wenden. Sie traten und schlugen daher gemeinsam gegen Kopf und Körper des Zeugen Y., der währenddessen - von den übrigen Beteiligten unbemerkt - von D. mehrfach mit einem - ohne Wissen der beiden anderen Angeklagten mitgeführten - Faustmesser gestochen wurde. Als der bis dahin an der Auseinandersetzung völlig unbeteiligte Mä. bemerkte, dass sein Freund sich nunmehr drei Gegnern gegenübersah, versuchte er mit den Worten: "Was soll das, ausgemacht war einer gegen einen", dem Geschädigten Y. zur Hilfe zu kommen. Er wurde daraufhin von den Angeklagten A. und K. abgewehrt und geschlagen, wodurch er ein blaues Auge und Prellungen im Rippenbereich erlitt. Gleichwohl leistete er heftigen Widerstand, weswegen die Angeklagten K. und A. zunächst von ihm abließen und sich - vermutlich ins Innere der Diskothek - zurückzogen.

Dies nutzte der Geschädigte Mä., um den Angeklagten D., der zwischenzeitlich die Oberhand gewonnen hatte und auf dem Zeugen Y. saß, von diesem herunterzuziehen und die beiden voneinander zu trennen. Gemeinsam mit Y., der bereits sichtbar aus mehreren Stich- und Schnittverletzungen an den Armen, Beinen und am Oberkörper blutete und sich nur noch humpelnd fortbewegen konnte, flüchtete Mä. in Richtung seines Autos. Die drei Angeklagten waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu sehen. Nachdem die beiden Geschädigten etwa 30 Meter zurückgelegt hatten, wurden sie von allen drei Angeklagten, die sich zwischenzeitlich jeder mit einem Schlagwerkzeug - vermutlich mit Baseballschlägern oder Teleskopschlagstöcken - bewaffnet hatten, verfolgt. Als Mä. sich umdrehte und die Angeklagten K. und A. auf sich zukommen sah, rannte er davon. Währenddessen stürzte sich D. mit gezücktem Messer auf Y. und stach, nunmehr in der Absicht, ihn zu töten, mindestens sechs Mal gezielt auf dessen Hals, Kopf und Rücken ein. Der Zeuge Y. erlitt dadurch und durch die vorangegangenen Stiche zahlreiche erhebliche Verletzungen. Nachdem Y. gestürzt war und D. sein Messer verloren hatte, schlug der Mitangeklagte mit Fäusten weiter auf sein Opfer ein. Die Angeklagten K. und A., denen es nicht gelungen war, den Zeugen Mä. einzuholen, begaben sich jetzt ebenfalls zu dem auf dem Boden liegenden Y. und schlugen mit ihren Schlagwerkzeugen auf diesen ein, wodurch der Geschädigte unter anderem erhebliche Gesichtsschädelverletzungen erlitt.

II. 1. Die Verfahrensrüge des Angeklagten A. versagt. Zwar hat sich die Strafkammer in den Urteilsgründen in Widerspruch zu einem Teil der Begründung gesetzt, mit der sie den Beweisantrag des Angeklagten, den Zeugen V. zum Beweis dafür zu vernehmen, dass der Geschädigte Y. - entgegen seiner Bekundung als Zeuge - intensiv Kampfsport betreibe, wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 StPO zurückgewiesen hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 244 Rn. 56 mwN); denn während sie im Ablehnungsbeschluss die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschädigten Y. und dessen Glaubwürdigkeit selbst bei (unterstellter) Richtigkeit der Beweisbehauptung u.a. deshalb nicht als erschüttert angesehen hat, weil der Geschädigte Erinnerungslücken und Unsicherheiten eingeräumt sowie auf besondere Nachfrage, wer ihn mit einem Stock geschlagen habe, angegeben habe, dies nicht mehr sicher sagen zu können, führt sie in den Urteilsgründen aus, sie habe sich von einem Schlagstockeinsatz durch den Angeklagten A. gegen den Geschädigten Y. auch deshalb überzeugt, weil dieser sich sicher gewesen sei, auch A. habe mit einem Schlagstock auf ihn eingeschlagen.

Indes beruht die Verurteilung des Angeklagten auf diesem Verfahrensfehler nicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Sowohl die antizipierende Beweiswürdigung im Ablehnungsbeschluss als auch die im Urteil mitgeteilte, Schuld- und Strafausspruch tragende Überzeugungsbildung sind - je für sich - frei von Rechtsfehlern.

Der hier maßgebliche Verfahrensfehler liegt deshalb darin, dass die Strafkammer ihre von einem Teil der Begründung des Ablehnungsbeschlusses abweichende Beweiswürdigung dem Antragsteller vor der Urteilsverkündung nicht bekannt gegeben und ihm somit die Möglichkeit genommen hat, sein Verteidigungsverhalten auf diese teilweise Abkehr von der Begründung der Zurückweisung des Beweisantrages einzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1963 - 1 StR 501/62, BGHSt 19, 24, 26 f.; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 139). Der Senat kann aber unter den hier gegebenen Umständen ausschließen, dass der Angeklagte bei einem (rechtzeitigen) Hinweis auf die allein in einem Teilaspekt abweichende Überzeugungsbildung des Landgerichts die Möglichkeit gehabt hätte, durch weitere Anträge oder Darlegungen Schuld- oder Strafausspruch für ihn günstig zu beeinflussen. Die Revision bringt insofern auch nicht vor, wie sich der Angeklagte nach einem solchen Hinweis insoweit erfolgversprechender hätte verteidigen, insbesondere die Glaubwürdigkeit des Geschädigten Y. in entscheidungserheblicher Weise hätte erschüttern können. Dafür ist dem Senat auch sonst nichts ersichtlich. Dies gilt insbesondere für das vom Landgericht widersprüchlich behandelte Sachverhaltsdetail eines Schlagstockeinsatzes durch den Angeklagten A. gegen den Geschädigten Y. ; denn seine das Urteil tragende Überzeugung, dass dieser stattgefunden hat, stützt das Landgericht nicht nur auf die Aussage dieses Geschädigten, sondern auch auf die Angaben des Geschädigten Mä., der sich "auch auf mehrfache Nachfrage 100%ig sicher" gewesen sei, dass gerade der Angeklagte A. mit einem Schlagstock auf den Geschädigten Y. eingeschlagen habe. Zudem ist das von den beiden Verletzten geschilderte Kerngeschehen durch die geständige Einlassung des Mitangeklagten D. bestätigt worden. Dieser hatte sich zunächst dahin eingelassen, dass er zu den Tatbeiträgen der Angeklagten nichts sagen könne, hat nach der Vernehmung der beiden Geschädigten zum Tatgeschehen indes deren Darstellung als zutreffend bezeichnet. All dies belegt, dass das Landgericht bei verfahrensfehlerfreier Vorgehensweise zu keinem anderen Urteil gelangt wäre.

2. Die aufgrund der erhobenen Sachbeschwerden veranlasste Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Dies gilt auch für die konkurrenzrechtliche Bewertung ihrer Taten als jeweils zwei tatmehrheitliche gefährliche Körperverletzungen.

Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts sind die Voraussetzungen einer natürlichen Handlungseinheit nicht gegeben.

a) Unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit liegt eine Tat im sachlichrechtlichen Sinne vor, wenn mehrere, im Wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches Geschehen darstellt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - 4 StR 683/93, StV 1994, 537; Beschluss vom 4. September 1990 - 1 StR 301/90, BGHR StGB § 52 Abs. 1 Entschluss, einheitlicher 1). Sie ist gekennzeichnet durch einen solchen unmittelbaren Zusammenhang zwischen mehreren menschlichen, strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen, dass sich das gesamte Tätigwerden an sich (objektiv) auch für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellt (vgl. LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., vor § 52 Rn. 10 ff.). Richten sich die Handlungen des Täters gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer, wird die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sie liegt jedoch bereits nicht nahe (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., vor § 52 Rn. 7). Denn höchstpersönliche Rechtsgüter sind einer additiven Betrachtungsweise allenfalls in Ausnahmefällen zugänglich. Deshalb können Handlungen, die sich nacheinander gegen höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Personen richten, grundsätzlich weder durch ihre enge Aufeinanderfolge noch durch einen einheitlichen Plan oder Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn ein einheitlicher Tatentschluss gegeben ist und die Aufspaltung des Tatgeschehens in Einzelhandlungen wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhanges, etwa bei Messerstichen oder Schüssen innerhalb weniger Sekunden, willkürlich und gekünstelt erschiene (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009 - 3 StR 87/09, BGHR StGB § 232 Konkurrenzen 1; LK/Rissing-van Saan, aaO, Rn. 14).

b) Nach diesen Maßstäben können die Körperverletzungshandlungen der Angeklagten gegen die beiden Geschädigten im Hinblick auf die Rechtsfigur der natürlichen Handlungseinheit jeweils nicht zu einer einheitlichen Tat zusammengefasst werden. Im Ausgangspunkt wollten sich allein der Mitangeklagte D. und der Geschädigte Y. körperlich auseinandersetzen und taten dies auch. Die Angeklagten sind (im ersten Handlungsabschnitt) erst dann gemeinschaftlich gegen den Geschädigten Y. vorgegangen und haben diesen mit Tritten und Schlägen gegen Kopf und Körper verletzt, als sie erkannt hatten, dass der Mitangeklagte D. zu unterliegen drohte. Als daraufhin der Zeuge Mä. seinem Freund Y. zu Hilfe kommen wollte, haben sich die Angeklagten dem Geschädigten Mä. zugewandt und haben diesen gemeinsam geschlagen, wodurch er ein blaues Auge und Prellungen im Rippenbereich erlitt. Nachdem sich die Angeklagten vom ersten Tatort entfernt und mit Schlagwerkzeugen bewaffnet hatten, verfolgten sie (im zweiten Handlungsabschnitt) zunächst Mä. und wandten sich dann - als sie Mä. nicht einzuholen vermochten - dem am Boden liegenden Geschädigten Y. zu, auf den sie sodann am zweiten Tatort - gemeinschaftlich auch mit dem Mitangeklagten D. - jeweils mit ihren Schlaginstrumenten einschlugen.

Auf der Grundlage dieses Geschehensablaufes, der insbesondere durch mehrere Tatentschlüsse der Angeklagten gekennzeichnet ist, die durch zeitlich aufeinanderfolgende, jeweils neue Sachverhaltsentwicklungen bedingt waren und zu unterschiedlichen Verletzungshandlungen der Angeklagten gegen beide Geschädigte an mehreren Orten führten, stellt sich die Annahme von Tatmehrheit unter keinem Blickwinkel als willkürlich und gekünstelt dar. Danach liegt auch keine der von der Rechtsprechung bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter mehrerer Personen anerkannten Ausnahmen vor; insbesondere beruhen die verschiedenen Angriffe schon nicht auf einem einheitlichen Tatentschluss. Dass das Landgericht die Angeklagten im Hinblick auf die infolge ihres zwischenzeitlichen Rückzuges zum Zwecke der Bewaffnung eingetretene (zeitliche, räumliche und sachliche) Zäsur im Tatgeschehen nicht wegen weiterer, rechtlich selbständiger Straftaten schuldig gesprochen hat, beschwert diese nicht.

3. Die Strafaussprüche können demgegenüber nicht bestehen bleiben.

Mit Recht weisen die Revisionen darauf hin, dass die strafschärfenden Erwägungen, die Angeklagten hätten jeweils den bis dahin unbeteiligten Zeugen Mä. "ohne Not in eine Schlägerei verwickelt" und sie hätten sich "ohne Not in die ... Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten D. und dem Zeugen Y. eingemischt", rechtsfehlerhaft sind; denn damit hat das Landgericht das Fehlen von Strafmilderungsgründen strafschärfend berücksichtigt und bei beiden Angeklagten straferhöhend gewertet, die Taten überhaupt begangen haben (§ 46 Abs. 3 StGB; vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2010 - 3 StR 218/10, StraFo 2010, 466 und vom 15. Januar 2008 - 4 StR 530/07; Fischer, aaO, § 46 Rn. 76). Durchgreifend rechtsfehlerhaft ist weiterhin, dass das Landgericht zu Lasten des Angeklagten K. berücksichtigt hat, er habe es "in der Hand (gehabt), es nicht zu einer Auseinandersetzung kommen zu lassen" und die "ihm gegenüber weisungsgebundenen Angeklagten A. und D. zurückzuhalten", da schon nicht festgestellt ist, dass der Angeklagte K. der Vorgesetzte der beiden anderen Angeklagten war und im Übrigen auch eine auf anderer Grundlage fußende spezifische Pflicht, deren Auseinandersetzungen zu verhindern, nicht ersichtlich ist. Im Hinblick darauf begegnet auch die weitere zu Lasten des Angeklagten K. angestellte Erwägung, er habe "nicht einmal die kurze Kampfunterbrechung zur Deeskalation genutzt, sondern sich mit einem Schlagwerkzeug bewaffnet", rechtlichen Bedenken. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Zumessung mildere Strafen gegen beide Angeklagte verhängt hätte. Unter den gegebenen Umständen kommt eine Sachbehandlung gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO bei beiden Angeklagten nicht in Betracht.

HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 574

Externe Fundstellen: NStZ 2012, 525; StV 2013, 382

Bearbeiter: Christian Becker