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HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 188

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 87/09, Urteil v. 19.11.2009, HRRS 2010 Nr. 188


BGH 3 StR 87/09 - Urteil vom 19. November 2009 (LG Verden)

Sexuelle Nötigung (sexualbezogener Körperkontakt zwischen Täter oder Drittem einerseits und Opfer andererseits); Tateinheit (natürliche Handlungseinheit; rechtliche Handlungseinheit; Zusammentreffen in einem Handlungsteil); Anordnung der Sicherungsverwahrung (Sadismus).

§ 177 Abs. 1 StGB; § 52 StGB; § 66 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten Kl. wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 2. Juli 2008, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, mit besonders schwerer Vergewaltigung, mit schwerer Vergewaltigung in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit Vergewaltigung in sechs rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit sexueller Nötigung in neun rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit Nötigung, der Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel und mit sexueller Nötigung in 24 rechtlich zusammentreffenden Fällen, des schweren Menschenhandels sowie der Verabredung zum schweren Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung schuldig ist.

Die weitergehende Revision des Angeklagten Kl. und die Revision des Angeklagten K. werden verworfen.

2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten Kl. wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, mit besonders schwerer Vergewaltigung, mit schwerer Vergewaltigung in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit Vergewaltigung in sechs rechtlich zusammentreffenden Fällen und sexueller Nötigung in zehn rechtlich zusammentreffenden Fällen (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T.), wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel und mit sexueller Nötigung in 24 rechtlich zusammentreffenden Fällen (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin E.), wegen schweren Menschenhandels (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Eg.) und wegen Verabredung zum schweren Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung (Tat zum Nachteil der Zeugin F.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt und gegen ihn die Sicherungsverwahrung angeordnet. Den Angeklagten K. hat es wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T.), wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, mit Vergewaltigung in neun rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit sexueller Nötigung in 24 rechtlich zusammentreffenden Fällen (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin E.), wegen schweren Menschenhandels (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Eg.) und wegen Verabredung zu schwerem Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung (Tat zum Nachteil der Zeugin F.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es beide Angeklagte freigesprochen. Im Adhäsionsverfahren hat es die Angeklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an die Nebenklägerin E. ein Schmerzensgeld in Höhe von 150.000 € nebst Zinsen und an die Nebenklägerin Eg. ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Den Angeklagten Kl. hat es darüber hinaus zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 150.000 € nebst Zinsen an die Nebenklägerin T. verurteilt. Schließlich hat es die Ersatzpflicht der Angeklagten bezüglich weiterer materieller und immaterieller Schäden der Nebenklägerinnen festgestellt. Beide Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte Kl. erhebt darüber hinaus eine Verfahrensrüge und beanstandet die im Adhäsionsverfahren getroffene Kostenentscheidung. Sein Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur geringfügigen Änderung des ihn betreffenden Schuldspruchs; im Übrigen hat es keinen Erfolg. Die Revision des Angeklagten K. ist insgesamt unbegründet.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Die Angeklagten planten, in einem von dem Angeklagten K. errichteten Einfamilienhaus ein Bordell zu betreiben. Nachdem ihre Bemühungen, Prostituierte anzuwerben, fehlgeschlagen waren, kamen sie überein, jeweils unter einem Vorwand junge Frauen in das Haus zu locken. Dort sollten sie von dem Angeklagten Kl. überwältigt, in das Schlafzimmer im Obergeschoss gebracht und gefesselt werden. Unter Einsatz von Nötigungsmitteln, darunter auch der Drohung mit dem Tode oder einer langandauernden Freiheitsentziehung, sollten sie sodann der Prostitution zugeführt werden.

In Ausführung dieses Plans nahmen sie zunächst unter Vorspiegelung des Angebots einer Aushilfstätigkeit zu der Nebenklägerin T. Kontakt auf. Der Angeklagte K. brachte sie in das Haus und entfernte sich. Dort überwältigte der Angeklagte Kl. sie unter Einsatz von Gewalt; in der Folgezeit wurde sie gegen ihren Willen festgehalten. Der Angeklagte Kl. wickelte u. a. den gesamten Körper der Nebenklägerin in Frischhaltefolie ein; aufgrund dessen konnte diese sich nicht mehr bewegen, kaum noch atmen und hatte Todesangst. Er schnitt die Folie erst wieder auf, nachdem die Nebenklägerin ihm zugesagt hatte, alles zu tun, was er verlange. Nach einigen Tagen entschieden die Angeklagten, die Nebenklägerin doch nicht der Prostitution zuzuführen. Statt dessen wollte der Angeklagte Kl. sie zur Freundin haben. Er beging zahlreiche Sexualdelikte zu ihrem Nachteil und forderte sie auf, einen Ersatz als Prostituierte zu finden. Außerdem veranlasste er sie durch den Einsatz massiver Drohungen, zukünftig als "Ausbilderin" der zu überwältigenden Frauen tätig zu werden und diese dabei zu erniedrigen sowie zu fesseln.

Unter dem Eindruck der gegen sie eingesetzten zahlreichen Nötigungsmittel ermöglichte die Nebenklägerin den Angeklagten, mit der ihr bekannten Zeugin F. telefonisch Kontakt aufzunehmen. Die Angeklagten beabsichtigten, auch diese Zeugin in das Haus zu locken, sie dort zu überwältigen und durch den Einsatz von Gewalt und Drohungen der Prostitution zuzuführen. Die Zeugin F. wurde jedoch misstrauisch und lehnte schließlich die scheinbar seriösen Angebote der Angeklagten ab. Diese erkannten, dass ihr Plan bezüglich dieser Zeugin gescheitert war, und verfolgten ihn deshalb nicht weiter.

Etwa einen Monat später nahmen sie Kontakt zu der Nebenklägerin E. auf. Der Angeklagte K. verbrachte diese in das Haus, in dem sich auch noch die Nebenklägerin T. aufhielt. Dort fesselte der Angeklagte Kl. die Nebenklägerin E. mit Handschellen und einem Seil. In der Folgezeit schüchterte der Angeklagte Kl. sie gemäß der Absprache mit dem Angeklagten K. durch Zwang und Drohungen weiter ein. Die Zeugin wurde unter anderem in einen Metallkäfig gesperrt, musste gefesselt aus einem Hundenapf essen und wurde mit ihrem sowie dem Tode ihrer besten Freundin bedroht. In Einzelfällen kam die Nebenklägerin T. dem Ansinnen des Angeklagten Kl. nach, Fesselungen oder ähnliche Handlungen gegenüber der Nebenklägerin E. vorzunehmen. Die Nebenklägerin E. musste gegen ihren Willen auch den Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten K. ausführen, wann immer dieser es wollte. Daneben wurde sie gezwungen, der Prostitution nach zugehen und gegenüber insgesamt 24 Freiern sexuelle Dienstleistungen vorzunehmen. Das Entgelt lieferte sie jeweils den Angeklagten ab.

Nach Aufforderung durch die Angeklagten benannte die Nebenklägerin E. mehrere Mädchen aus ihrem Bekanntenkreis als weitere potentielle Tatopfer, darunter auch die Nebenklägerin Eg. Diese war den Angeklagten bereits bekannt, da sie über eine Anzeige im Internet eine Tätigkeit als Babysitterin gesucht und die Nebenklägerin T. daraufhin anweisungsgemäß mit ihr telefoniert hatte. Unter dem Eindruck der gegen sie eingesetzten Nötigungsmittel vereinbarte die Nebenklägerin E. telefonisch unter einem Vorwand ein Treffen mit der Nebenklägerin Eg. Bei diesem veranlasste sie die Nebenklägerin Eg., gemeinsam mit ihr und dem Angeklagten K. in das Haus zu fahren. Dort überwältigte der Angeklagte Kl. die Nebenklägerin Eg., fesselte und knebelte sie, zog ihr einen Leinenbeutel über den Kopf und entkleidete sie. Auf seine Anweisung musste die Nebenklägerin T. die Nebenklägerin Eg. kurze Zeit später in einer diese besonders erniedrigenden Position auf einem Stuhl festbinden; sodann befragte der Angeklagte Kl. die Nebenklägerin Eg. über ihre persönlichen Verhältnisse. Nachdem der Angeklagte Kl. und die Nebenklägerin T. den Raum verlassen hatten, gelang es der Nebenklägerin Eg., sich zu befreien, über das Hausdach zu fliehen und mit Hilfe eines Passanten und von Nachbarn die Polizei zu alarmieren.

Noch vor deren Eintreffen flohen die Angeklagten mit den Nebenklägerinnen T. und E. Nach einigen Tagen stellte sich der Angeklagte K. im Beisein der Nebenklägerin E. der Polizei. Die Nebenklägerin T. musste gegen ihren Willen auch noch während der Flucht mit dem Angeklagten Kl. sexuelle Handlungen vornehmen. So bedrohte er sie etwa mit einer Schusswaffe und erzwang auf diese Weise die Ausübung des Geschlechtsverkehrs. Erst nach mehreren Wochen konnte auch der Angeklagte Kl. festgenommen werden.

Der näheren Erörterung bedürfen über die Ausführungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschriften hinaus lediglich die folgenden Gesichtspunkte:

A. Revision des Angeklagten Kl.

I. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit die Strafkammer einen Vorfall zum Nachteil der Nebenklägerin T. als von dem Angeklagten Kl. begangene sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB gewertet hat (Fall II. 6. 7 der Urteilsgründe). Nach den Feststellungen erklärte der Angeklagte der Nebenklägerin, sie müsse die Sexualpraktik "Selbstbefriedigung" erlernen und veranlasste sie, sich nackt auf den Rücken zu legen, mit ihren Händen ihre Geschlechtsteile zu berühren und sich erotisch zu bewegen. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 177 Abs. 1 StGB nicht belegt; denn die Nebenklägerin wurde nicht genötigt, sexuelle Handlungen des Angeklagten oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Angeklagten oder einem Dritten vorzunehmen. Dies erfordert einen sexualbezogenen Körperkontakt zwischen dem Täter oder dem Dritten einerseits und dem Opfer andererseits; das Herbeiführen von sexuellen Handlungen, die das Opfer lediglich vor dem Täter oder einem Dritten ausführt, wird demgegenüber von § 177 Abs. 1 StGB nicht erfasst (Fischer, StGB 56. Aufl. § 177 Rdn. 48). Die Tat des Angeklagten ist jedoch als Nötigung (§ 240 StGB) strafbar, wobei die Voraussetzungen eines besonders schweren Falles nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB gegeben sind.

Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die zu einer Verurteilung wegen sexueller Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB führen können; er ändert deshalb selbst den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte Kl. gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Senat schließt ebenfalls aus, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung des tateinheitlich verwirklichten Delikts auf eine niedrigere Einzelstrafe bei der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T. oder auf eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.

II. Die tatrichterliche Bewertung der Konkurrenzverhältnisse zwischen den einzelnen Taten ist frei von den Angeklagten nachteiligen Rechtsfehlern.

Die Strafkammer hat insoweit ausgeführt, die von den Angeklagten jeweils bezüglich eines Opfers verwirklichten Delikte seien als tateinheitlich im Sinne des § 52 StGB begangen zu werten. Die Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen T., E. und Eg. sowie der Zeugin F. stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB).

Hiergegen ist im Ergebnis nichts zu erinnern. Nach den - rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen bilden die in einem Tatzeitraum von mehreren Monaten begangenen Handlungen zum Nachteil der vier verschiedenen Opfer, durch welche die Angeklagten mehrere Dutzend einzelne Straftatbestände verwirklichten und jeweils mehrere höchstpersönliche Rechtsgüter der Nebenklägerinnen verletzten, keine insgesamt einheitliche materiellrechtliche Tat im Sinne des § 52 StGB; denn weder die Voraussetzungen für eine natürliche noch für eine rechtliche Handlungseinheit sind gegeben.

1. Unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit liegt eine Tat im sachlichrechtlichen Sinne vor, wenn mehrere, im Wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches Geschehen darstellt (st. Rspr.; s. etwa BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 9; § 52 Abs. 1 Entschluss, einheitlicher 1). Richten sich die Handlungen des Täters gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer, wird die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sie liegt jedoch bereits nicht nahe (Fischer aaO Vor § 52 Rdn. 7). Denn höchstpersönliche Rechtsgüter sind einer additiven Betrachtungsweise allenfalls in Ausnahmefällen zugänglich. Deshalb können Handlungen, die sich nacheinander gegen höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Personen richten, grundsätzlich weder durch ihre Aufeinanderfolge noch durch einen einheitlichen Plan oder Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit und damit einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn die Aufspaltung des Tatgeschehens in Einzelhandlungen wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhanges, etwa bei Messerstichen oder Schüssen innerhalb weniger Sekunden, willkürlich und gekünstelt erschiene (BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 9; BGH NStZ 2005, 262, 263; NStZ-RR 1998, 233; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. Vor § 52 Rdn. 14 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben können die Handlungen des Angeklagten Kl. nicht zu einer einheitlichen Tat zusammengefasst werden. Das Tätigwerden der Angeklagten beruht zwar auf dem vor Beginn der ersten Tat gefassten, insoweit einheitlichen Entschluss, sich mehrerer Frauen zu bemächtigen und diese durch Ausübung von Zwang der Prostitution zuzuführen. Gleichwohl fehlt es mit Blick auf die konkreten Tatumstände an dem erforderlichen engen Zusammenhang. Die Tathandlungen betrafen u. a. die Freiheit und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der Opfer und damit jeweils höchstpersönliche Rechtsgüter der Geschädigten. Das Tatgeschehen zog sich insgesamt über mehrere Monate hin. Zwischen den von den Angeklagten begangenen Tathandlungen lagen teilweise erhebliche Zeiträume, so dass es bereits an einer ausreichenden Verknüpfung in zeitlicher Hinsicht fehlt. Im Übrigen erfolgten die Angriffe - wenn auch dem Grunde nach dem abgesprochenen Tatplan folgend - jeweils aufgrund eines in der konkreten Form neu und separat gefassten Vorsatzes, in einer veränderten Tatsituation und auf unterschiedliche Weise.

Der Umstand, dass der Angeklagte Kl. auf einzelne Opfer einwirkte mit dem Ziel, dass diese gegenüber weiteren Frauen tätig wurden, begründet hier ebenfalls keine natürliche Handlungseinheit; denn es fehlt auch mit Blick auf diesen Umstand an dem erforderlichen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang. Der Angeklagte Kl. nötigte die Nebenklägerin T., als "Ausbilderin" tätig zu werden, bereits unmittelbar nachdem die Angeklagten beschlossen hatten, diese Nebenklägerin selbst nicht der Prostitution zuzuführen. Zu diesem Zeitpunkt war die Nebenklägerin T. die einzige Frau, die sich in dem Haus aufhielt. Spätere Einzelanweisungen an sie, die Nebenklägerin E. zu fesseln und zu erniedrigen, erteilte er ihr jeweils in deren Abwesenheit bzw. nicht in einer Weise, die den Schluss zulassen würde, der Angeklagte habe bereits allein durch die Anweisung an die Nebenklägerin T. zugleich nötigend auf die Nebenklägerin E. eingewirkt. Entsprechendes gilt schließlich für die Aufforderung der Nebenklägerin T., die Nebenklägerin Eg. auf dem Stuhl zu fesseln, nachdem diese durch den Angeklagten überwältigt worden war. Mit all diesen Handlungen wirkte der Angeklagte deshalb nicht gleichzeitig oder in einem derart engen Zusammenhang auf mehrere Opfer ein, dass sich das Geschehen bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als insgesamt einheitlich darstellt.

2. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen einer rechtlichen Handlungseinheit vorliegen, ist zwar zunächst ebenfalls zu berücksichtigen, dass zwischen den Tathandlungen zum Nachteil der jeweiligen Geschädigten - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - gewisse zeitliche, räumliche und sachliche Berührungspunkte bestehen. Allein die enge zeitliche und räumliche Verbundenheit verschiedener Handlungsabläufe sowie die gleiche Motivationslage beim Täter genügen indes nicht, um die Handlungen der Angeklagten zu einer materiellrechtlichen Tat im Sinne des § 52 StGB zu verbinden. Hierfür erforderlich ist vielmehr die zumindest teilweise Identität der objektiven Ausführungshandlungen. Diese ist gegeben, wenn die Ausführungshandlungen des Täters in einem für alle Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind und so dazu beitragen, den Tatbestand aller in Betracht kommender Strafgesetze zu erfüllen (Rissing-van Saan aaO § 52 Rdn. 20 m. w. N.; vgl. etwa für die Tatbestände der Förderung der Prostitution, der Zuhälterei und des Menschenhandels bei Handlungen zum Nachteil mehrerer Frauen BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 1; BGH bei Pfister NStZ-RR 2004, 358; 2005, 366; BGH NStZ-RR 2007, 46, 47; StV 1987, 243; 2003, 617, 618; Beschl. vom 25. August 1999 - 3 StR 290/99; BGH bei Pfister NStZ-RR 2002, 357 f.).

Nach diesen Maßstäben liegt hier keine Tateinheit vor. Im Einzelnen:

a) Die sich auf die Nebenklägerinnen T. und E. beziehenden Tathandlungen sind nicht auch nur teilweise identisch. Das Landgericht hat diese Taten - neben den weiteren, jeweils tateinheitlich verwirklichten Delikten - als Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 2. Halbs. StGB gewertet. Tathandlung ist danach das Nötigen des Opfers mittels einer qualifizierten Drohung unter Ausnutzen einer von dem Täter durch ein Entführen oder Sichbemächtigen des Opfers ohne Nötigungsabsicht geschaffenen, fortdauernden Bemächtigungslage aufgrund eines nachträglich gefassten Vorsatzes (Fischer aaO § 239b Rdn. 5).

aa) Die jeweilige Bemächtigungslage wurde nicht durch eine zumindest teilidentische Handlung der Angeklagten begründet. Die Nebenklägerin T. wurde am 14. August 2006 überwältigt, die Nebenklägerin E. am 12. September 2006.

bb) Auch die späteren Handlungen der Angeklagten (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 23. Juli 1997 - 3 StR 36/97 zu § 239a StGB) überschnitten sich nicht in zumindest einem tatbestandlichen Ausführungsakt. Die Tat nach § 239b Abs. 1 2. Halbs. StGB ist bereits mit dem Beginn der Nötigung vollendet; das Erreichen des Nötigungsziels ist hierfür nicht erforderlich (BGHSt 26, 309, 310; BGH StV 1987, 483; 1997, 302; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 239 b Rdn. 2, § 239 a Rdn. 6; Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 239 b Rdn. 11; aA Fischer aaO § 239b Rdn. 9; Renzikowski in MünchKommStGB § 239 b Rdn. 27). Zwar ist Tateinheit anzunehmen, wenn eine Nötigung mehrerer Tatopfer durch dieselbe Drohung vorliegt (BGHR StGB § 52 Abs. 1 Rechtsgüter, höchstpersönliche 1; BGH NStZ-RR 1998, 103, 104; Beschl. vom 17. Juli 2007 - 4 StR 220/07; zur Tateinheit bei Handlungen unter Ausnutzung einer einheitlichen, während des gesamten Geschehens fortwirkenden Gewalt vgl. BGH NStZ 1999, 618, 619; zur Tateinheit aufgrund einer einheitlichen Täuschungshandlung gegenüber mehreren Geschädigten vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 30; BGH bei Holtz MDR 1970, 381 f.). Die Nebenklägerinnen wurden jedoch nicht durch eine einheitliche Handlung, sondern in getrennter Weise jeweils durch individuell auf die einzelnen Opfer zugeschnittene qualifizierte Drohungen genötigt. Der Einsatz der Nötigungsmittel diente während der zeitlichen Überschneidung des Tatgeschehens auch unterschiedlichen Zielen: Während die Nebenklägerin T. die Rolle der Freundin des Angeklagten Kl. und "Aufpasserin" bzw. "Ausbilderin" der weiteren Geschädigten übernehmen sollte, bezweckten die Angeklagten mit der Einflussnahme auf die Nebenklägerin E., dass diese als Freundin des Angeklagten K. fungieren und der Prostitution nachgehen sollte. Selbst (teil-)identische Überwachungs- oder sonstige zur Verhinderung der Flucht der Nebenklägerinnen geeignete Maßnahmen sind nicht festgestellt. Mit Blick auf deren unterschiedliche Rolle und die daraus resultierende unterschiedliche Behandlung der Nebenklägerinnen durch die Angeklagten ist auch dem Zusammenhang der Urteilsgründe trotz des sich zeitlich überschneidenden Festhaltens beider Geschädigter in einem Haus eine derartige Teilidentität nicht zu entnehmen.

cc) Auch der Umstand, dass die Handlungen der Angeklagten in der Form miteinander verknüpft sind, dass die Nebenklägerin T. zu Tätigkeiten genötigt wurde, die ihrerseits dazu dienten, die Nebenklägerin E. zu nötigen, führt nicht zur Annahme einer rechtlichen Handlungseinheit. Zwar ist grundsätzlich Tateinheit möglich zwischen einer Nötigung und der Anstiftung zu einer abgenötigten Handlung (BGH, Urt. vom 12. Mai 1953 - 1 StR 190/53; Träger/Schluckebier aaO § 240 Rdn. 127; Fischer aaO § 240 Rdn. 63 a). Auch könnte in Betracht kommen, die der Nebenklägerin T. abgepressten Handlungen den Angeklagten nach den Grundsätzen der mittelbaren Täterschaft zuzurechnen, weil die Nebenklägerin T. möglicherweise unter den Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands nach § 35 StGB handelte und deshalb insoweit als Werkzeug der Angeklagten im Sinne des § 25 Abs. 1 2. Alt. StGB anzusehen sein könnte. All dies bedarf indes im Ergebnis keiner näheren Betrachtung; denn es würde nicht zu der erforderlichen auch nur teilweisen Identität der Ausführungshandlungen bezüglich der jeweiligen Geiselnahme zum Nachteil der Nebenklägerinnen T. und E. führen, da wie bereits dargelegt der Angeklagte Kl. durch die Nötigungshandlungen nicht gleichzeitig, sondern sukzessive auf die verschiedenen Opfer einwirkte.

b) Auch im Verhältnis zwischen der Tat zum Nachteil der Zeugin F. (Verabredung zum schweren Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung) und den Straftaten zum Nachteil der weiteren Geschädigten kommt die Annahme einer rechtlichen Handlungseinheit nicht in Betracht; denn insoweit fehlt es ebenfalls an einer wenigstens teilidentischen Ausführungshandlung. Tathandlung des § 30 Abs. 2 3. Alt. StGB ist die Verabredung, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften. Unter einer Verabredung ist die vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen zu verstehen, an der Verwirklichung eines bestimmten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken (Fischer aaO § 30 Rdn. 12). Diese nach den Feststellungen zwischen den Angeklagten getroffene Vereinbarung überschneidet sich weder mit den Tathandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin T., noch mit denjenigen zum Nachteil der Nebenklägerinnen E. oder Eg. .

c) Für das Verhältnis der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Eg. (schwerer Menschenhandel) zu den bezüglich der sonstigen Opfer verwirklichten Delikten gilt schließlich entsprechendes. Die jeweiligen tatbestandsmäßigen Handlungen sind ebenfalls nicht auch nur teilweise identisch. Insbesondere vermag der Umstand, dass die Angeklagten die Nebenklägerin E. veranlassten, sich daran zu beteiligen, die Nebenklägerin Eg. in das Haus zu locken, eine Tateinheit zwischen den Delikten zum Nachteil dieser Nebenklägerinnen zu begründen. Tathandlung des § 232 Abs. 4 Nr. 2 StGB ist das Sichbemächtigen einer anderen Person unter Einsatz von Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder List, wobei der Täter in der Absicht handeln muss, das Opfer zur Aufnahme der Prostitution oder zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen im Sinne des § 232 Abs. 1 StGB zu veranlassen (Eisele in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 232 Rdn. 34). Der Tatbestand ist mit dem Erlangen der tatsächlichen Gewalt über die betroffene Person vollendet (Fischer aaO § 232 Rdn. 32). Die physische Herrschaft über die Nebenklägerin wurde in Ausführung des Tatplans der Angeklagten wie bei den Nebenklägerinnen T. und E. erst dadurch begründet, dass der Angeklagte Kl. sie in dem Haus überwältigte und fesselte.

3. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Würdigung des Landgerichts zutrifft, dass die von den Angeklagten begangenen einzelnen Delikte zum Nachteil jeweils einer Geschädigten im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen. Hieran könnten insbesondere bei den Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen T. und E. Bedenken bestehen: Den Feststellungen ist nicht mit Sicherheit zu entnehmen, dass die Bemächtigungslage während des gesamten Tatzeitraums ununterbrochen fortdauerte. In Betracht kommt insbesondere, dass in den Zeiten, in denen sich die Angeklagten mit den Opfern außerhalb des Hauses aufhielten, ein physisches Gewaltverhältnis nicht bestand und ein solches jeweils bei der Rückkehr in das Haus wieder neu begründet wurde. Dies könnte rechtlich als Zäsur zu werten sein mit der Folge, dass zwischen den Taten vor und nach der Unterbrechung Tatmehrheit anzunehmen wäre. Entsprechendes gilt, soweit die Strafkammer die Delikte zum Nachteil der Nebenklägerin T. zusammengefasst hat, die während der Zeit begangen wurden, in der diese in dem Haus festgehalten wurde, und diejenigen, die der Angeklagte auf der anschließenden Flucht verwirklichte. Durch die rechtsfehlerhafte Annahme von Tateinheit wäre der Angeklagte indes nicht beschwert.

III. Die auf § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB, jeweils i. V. m. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB, gestützte Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten Kl. lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die formellen Voraussetzungen der genannten Vorschriften liegen vor. Die Strafkammer hat auch tragfähig belegt, dass der Angeklagte Kl. infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dabei hat sie wesentlich auf eine Gemengelage zwischen einer triebhaften Neigung des Angeklagten zu sadistischen sowie sexuell sadistischen Handlungen auf der einen Seite und ausgeprägten kognitiven sowie manipulativen Fähigkeiten auf der anderen Seite abgestellt und ausdrücklich in den Blick genommen, dass der Angeklagte strafrechtlich vergleichsweise geringfügig vorbelastet ist und der von dem Sachverständigen diagnostizierte sexuelle und allgemeine Sadismus des Angeklagten bisher nicht zu Auffälligkeiten geführt hat.

IV. Soweit der Angeklagte Kl. sich gegen die im Adhäsionsverfahren vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung wendet, kommt als statthaftes Rechtsmittel nach § 406a Abs. 2 Satz 1, § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht die Revision, sondern die sofortige Beschwerde in Betracht (Gieg in KK 6. Aufl. § 472 a Rdn. 2). Eine solche hat der Angeklagte innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 StPO nicht erhoben.

V. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision des Angeklagten Kl. ist es nicht unbillig, auch diesen Beschwerdeführer mit den gesamten durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

B. Revision des Angeklagten K.

I. Zur Frage der konkurrenzrechtlichen Würdigung der Taten gelten die Ausführungen zur Revision des Angeklagten Kl. entsprechend; ein nachteiliger Rechtsfehler liegt aus den dort dargelegten Gründen insoweit auch bezüglich des Angeklagten K. nicht vor.

II. Ein Anlass, bei dem Angeklagten K. das Vorliegen der Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB zu erörtern, bestand entgegen der Ansicht der Revision bereits deshalb nicht, weil nach den Feststellungen ein symptomatischer Zusammenhang zwischen einem eventuell vorliegenden Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und den von ihm begangenen Straftaten fern liegt.

HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 188

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2010, 140

Bearbeiter: Ulf Buermeyer