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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 794

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 57/24, Beschluss v. 09.04.2024, HRRS 2024 Nr. 794


BGH 2 StR 57/24 - Beschluss vom 9. April 2024 (LG Kassel)

Verwerfung der Revision als unbegründet.

§ 349 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 13. Oktober 2023, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte des räuberischen Diebstahls in zwei Fällen, des Diebstahls in 24 Fällen und des versuchten Diebstahls schuldig ist, und

b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls in zwei Fällen sowie wegen „besonders schweren“ Diebstahls in 25 Fällen, davon in einem Fall versucht „und in 5 Fällen gemeinschaftlich handelnd“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 12.666,12 Euro, davon in Höhe von 3.142,16 Euro gesamtschuldnerisch mit der nichtrevidierenden Mitangeklagten haftend, angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Senat hat den Schuldspruch neu gefasst. Die Bezeichnung einer Tat als gemeinschaftlich begangen sowie das Vorliegen eines gesetzlichen Regelbeispiels sind nicht in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2015 - 3 StR 154/15, juris Rn. 4; und vom 22. März 2018 - 3 StR 625/17, juris Rn. 2; Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 30. Aufl., Rn. 45, 50, jeweils mwN). Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat im Übrigen zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. Während die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen keinen rechtlichen Bedenken begegnet, hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung insgesamt nicht stand.

a) Das Landgericht hat in allen zwischen dem 9. Mai 2021 und dem 6. September 2021 begangenen Fällen zu Lasten des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte unter „laufender Bewährung“ stand.

Ob dies der Fall war, kann der Senat nicht abschließend überprüfen. Den Urteilsgründen lässt sich lediglich entnehmen, dass die Vollstreckung der mit Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Fritzlar vom 5. Dezember 2019 nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten zunächst zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit sodann einmalig verlängert und die Strafaussetzung schließlich widerrufen worden ist. Angaben zur Bewährungsdauer, insbesondere aber zum Zeitpunkt des die Bewährungszeit beendenden rechtskräftigen Widerrufs der Strafaussetzung, finden sich bei der Erörterung dieser Vorstrafe nicht.

b) Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler betroffen und unterliegen ebenfalls der Aufhebung (§ 353 Abs. 2 StPO).

3. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird hinsichtlich der Strafzumessung im Fall II. 15. der Urteilsgründe zu prüfen haben, ob der vertypte Milderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB die Indizwirkung des Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall des Diebstahls entfallen lassen kann. Der in diesem Fall anzuwendende Strafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB, der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht, wäre gegenüber dem vom Landgericht zu Grunde gelegten gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB günstiger (vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. November 2015 - 2 StR 369/15, StV 2016, 565).

Sofern das neue Tatgericht bei der Bemessung der Gesamtstrafe erneut die nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten beiden Taten zu Lasten des Angeklagten einbeziehen will, sind sie - anders als bislang geschehen - prozessordnungsgemäß festzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2022 - 1 StR 232/22, StV 2023, 477, 478 mwN). Das Tatgericht wird nunmehr auch Gelegenheit haben, gemäß § 55 Abs. 1 StGB die nachträgliche Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar 2022 zu prüfen; die Anwendung dieser Norm ist zwingend (vgl. Meyer-Goßner/Appl, aaO, Rn. 456). Der Senat teilt nicht die Auffassung, dass hier ein Ausnahmefall vorgelegen habe, die Entscheidung dem Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO zu überlassen.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 794

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede