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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1169

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 557/24, Beschluss v. 04.06.2025, HRRS 2025 Nr. 1169


BGH 2 StR 557/24 - Beschluss vom 4. Juni 2025 (LG Erfurt)

Unzureichend substantiierte Verfahrensrüge; Korrektur eines Schuldspruchs (Bezeichnung der Tat); Aufhebung eines Gesamtstrafenausspruchs (unzureichende Feststellungen zum Vollstreckungsstand einbezogener Verurteilungen).

§ 54 StGB; § 55 StGB; § 34 KCanG; § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind im Rahmen einer Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau darzulegen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, über den geltend gemachten Mangel endgültig zu entscheiden. Für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind im Einzelnen zu bezeichnen und - in der Regel durch wörtliche Zitate beziehungsweise eingefügte Abschriften oder Ablichtungen - zum Bestandteil der Revisionsbegründung zu machen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23. April 2024, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit bandenmäßigem Handeltreiben mit Cannabis, und des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in zwölf Fällen schuldig ist;

b) im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit bandenmäßigem Handeltreiben mit Cannabis „in nicht geringer Menge“, und wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis „in nicht geringer Menge“ in zwölf weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und vier Monaten verurteilt. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen.

Die auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

Die Verfahrensrüge, mit der die Ablehnung der beantragten Einvernahme des behandelnden Arztes P. in Anwesenheit des Sachverständigen Prof. Dr. B. gerügt wird, ist gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig. Zwar ist die mit der Revisionsbegründung vorgelegte Ablichtung des handschriftlichen Beweisantrags leserlich und genügt insoweit den Formerfordernissen. Auch kann der Senat offenlassen, ob dem im Zusammenhang mit einer Befangenheitsrüge geschilderten Vorbringen die vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift angenommene (weitere) Angriffsrichtung einer Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 StPO mit der erforderlichen Bestimmtheit (vgl. dazu BGH, Urteile vom 4. September 2014 - 4 StR 473/13, Rn. 16, und vom 22. Juli 2015 - 2 StR 389/13, Rn. 55; Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161, 162 Rn. 7, jeweils mwN) zu entnehmen ist. Denn auch mit dieser (weiteren) Angriffsrichtung genügt das Revisionsvorbringen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

Danach sind im Rahmen einer Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau darzulegen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, über den geltend gemachten Mangel endgültig zu entscheiden. Für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind im Einzelnen zu bezeichnen und - in der Regel durch wörtliche Zitate beziehungsweise eingefügte Abschriften oder Ablichtungen - zum Bestandteil der Revisionsbegründung zu machen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 8. August 2018 - 2 StR 131/18, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Verwertungsverbot 13 Rn. 8, und vom 12. Juli 2023 - 6 StR 417/22, NStZ-RR 2023, 284 mwN). Dies versäumt der Revisionsführer, weil er den Arztbericht des den Angeklagten behandelnden Arztes P., auf den der Ablehnungsbeschluss Bezug nimmt, nicht vorlegt.

2. Die aufgrund der Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

Insoweit bedarf lediglich der Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Berichtigung. Soweit der Angeklagte (auch) wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis „in nicht geringer Menge“ verurteilt worden ist, bedarf es in der Urteilsformel nicht der Kennzeichnung, dass sich die Tat auf eine nicht geringe Menge bezieht, da der Qualifikationstatbestand des Bandenhandels mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG stets voraussetzt, dass sich die Tat auf eine nicht geringe Menge bezieht (BGH, Beschlüsse vom 30. Juli 2024 - 5 StR 272/24, Rn. 6; vom 7. Januar 2025 - 3 StR 485/24, NStZ-RR 2025, 141, 142 Rn. 8, und vom 21. Mai 2025 - 2 StR 565/24, Rn. 6).

3. Der Gesamtstrafenausspruch hält hingegen revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

Anhand der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht prüfen, ob die Strafkammer zu Recht von der Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Meiningen vom 28. April 2022 in die gebildete Gesamtstrafe abgesehen hat. Sollte die dort verhängte Geldstrafe zum Zeitpunkt des Urteils noch nicht vollständig vollstreckt gewesen sein, hätten grundsätzlich die Voraussetzungen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) mit den hier festgesetzten Strafen vorgelegen. Ob dies der Fall war, kann der Senat nicht nachprüfen, weil das Landgericht den Vollstreckungsstand der früher verhängten Strafe nicht mitgeteilt hat.

Da auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Härteausgleich zu gewähren gewesen wäre, sollte die Geldstrafe im Zeitpunkt des Urteils bereits im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollständig vollstreckt gewesen sein (vgl. BGH, Urteil vom 31. Juli 2024 - 2 StR 44/24, StV 2025, 463, 465 Rn. 25; Beschluss vom 8. April 2025 - 4 StR 67/25, Rn. 3), hat der Gesamtstrafenausspruch keinen Bestand. Die Feststellungen können jedoch bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den getroffenen nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig und geboten.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1169

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede