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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 523

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 196/24, Beschluss v. 03.12.2024, HRRS 2025 Nr. 523


BGH 2 StR 196/24 - Beschluss vom 3. Dezember 2024 (LG Wiesbaden)

Unerlaubter Besitz von Cannabis (minder schwerer Fall).

§ 34 KCanG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 8. November 2023, soweit es ihn betrifft, aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Strafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Wiesbaden vom 27. Oktober 2022 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

Nach den Feststellungen verfügte der Angeklagte am 21. Juli 2022 in einem von ihm angemieteten Hotelzimmer über zwei Haschischplatten mit einem Gesamtgewicht von 191,87 Gramm mit einem Wirkstoffanteil von 56,99 Gramm THC sowie über 1,78 Gramm Marihuana und 1,01 Gramm Haschisch. Dass die Cannabisprodukte zum Handeltreiben bestimmt waren, vermochte das Landgericht nicht festzustellen.

II.

1. Aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts liegt weder ein Verfahrenshindernis vor noch haben die Verfahrensrügen Erfolg.

2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils führt zu dessen Aufhebung.

a) Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte - ohne Verkaufsabsicht - größere Mengen Cannabis in seinem Hotelzimmer lagerte. Diesen Sachverhalt hat es - zum Urteilszeitpunkt zutreffend - rechtlich als Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewertet. Im Rahmen der Strafzumessung ist es trotz der erheblichen Menge Cannabis von einem minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG ausgegangen, weil Cannabis als weiche Droge nur ein mittleres Gefährdungspotential habe, die Drogen aufgrund der Sicherstellung nicht in den Verkehr gelangt seien und weil der Angeklagte selbst seit mehreren Jahren betäubungsmittelabhängig sei.

b) Jedoch ist am 1. April 2024 das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG) vom 27. März 2024 in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 109). Bei Haschisch und Marihuana handelt es sich um Produkte der Cannabispflanze, die nach den Begriffsbestimmungen des Konsumcannabisgesetzes als „Cannabis“ erfasst werden (§ 1 Nr. 4 und 5 KCanG). Die Tat bezog sich auf eine nicht geringe Menge, die auch für das Konsumcannabisgesetz bei einem Wirkstoffgehalt von 7,5 Gramm THC liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2024 - 2 StR 73/24, Rn. 5 mwN).

Ob das Tatzeitrecht nach dem Betäubungsmittelgesetz oder das neue Recht nach dem Konsumcannabisgesetz für den Angeklagten milder und damit gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen ist, richtet sich nach dem konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 2024 - 2 StR 279/24, Rn. 9 mwN). Hier käme eine Verurteilung des Angeklagten wegen Besitzes von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG, mit Blick auf die Menge in einem besonders schweren Fall nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, in Betracht. Die Vorschrift droht eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren an. Der Strafrahmen des Konsumcannabisgesetzes erweist sich damit insoweit nicht als milder als derjenige des zur Tatzeit geltenden und von der Jugendkammer zur Anwendung gebrachten § 29a Abs. 2 BtMG, der die gleiche Strafdrohung vorsieht.

Allerdings handelt es sich bei der Vorschrift des § 34 Abs. 3 KCanG lediglich um eine Strafzumessungsregel. Ob bei Vorliegen eines Regelbeispiels von der Regelwirkung auszugehen oder von ihr - zugunsten des Angeklagten - abzusehen ist, obliegt als Strafzumessungsakt allein der Entscheidung des Tatgerichts (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2024 - 5 StR 240/24, Rn. 8).

Gegen ein Absehen von der Regelwirkung könnte hier zwar sprechen, dass der bei der Annahme des minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG zugunsten des Angeklagten herangezogene Strafzumessungsgesichtspunkt, dass es sich bei Cannabis um eine „weiche Droge“ handelt, für die Strafzumessung nach § 34 Abs. 1 und 3 KCanG bedeutungslos ist; denn diese Strafnorm betrifft ausschließlich Cannabis mit einer im Vergleich zu bestimmten anderen Suchtstoffen geringeren Gefährlichkeit. Dies hat bereits bei der gesetzlichen Festlegung der Strafrahmen Berücksichtigung gefunden (BT-Drucks. 20/8704, S. 130; BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2024 - 1 StR 56/24, Rn. 12, und vom 9. September 2024 - 2 StR 279/24, Rn. 10). Mit Blick auf die anderen zugunsten des Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte kann der Senat aber letztlich gleichwohl nicht mit der gebotenen Sicherheit ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des § 34 KCanG von der Regelwirkung des § 34 Abs. 3 KCanG abgesehen und die Strafe aus dem Grundtatbestand des § 34 Abs. 1 KCanG zugemessen hätte.

Nach alledem bedarf es einer Bewertung durch das neue Tatgericht, ob die Strafe aus dem Strafrahmen des § 34 Abs. 3 KCanG zuzumessen oder ob von der Regelwirkung abzusehen ist. Davon ist abhängig, ob - bei Absehen von der Regelwirkung - das Konsumcannabisgesetz oder bei Bejahung der Regelwirkung das zur Tatzeit maßgebliche Betäubungsmittelgesetz anzuwenden ist.

3. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind von dem Aufhebungsgrund nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können deshalb bestehen bleiben.

4. Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, verweist der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück und weist vorsorglich darauf hin, dass nach Art. 316p EGStGB in Verbindung mit Art. 313 Abs. 1 Satz 1 EGStGB die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe mit der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wiesbaden vom 27. Oktober 2022 zu unterbleiben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2024 - 3 StR 177/24, Rn. 9 ff.).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 523

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede