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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 645

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 10/24, Beschluss v. 26.03.2024, HRRS 2024 Nr. 645


BGH 2 StR 10/24 - Beschluss vom 26. März 2024 (LG Meiningen)

Verwerfung der Revision als unbegründet.

§ 349 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 25. September 2023 dahin abgeändert, dass

a) die Einziehung des Mobiltelefons W. aufgehoben wird,

b) gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 94.640 Euro angeordnet wird; die darüber hinausgehende Einziehung in Höhe von 1.560 Euro entfällt,

c) gegen den Angeklagten die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.560 Euro angeordnet wird; hinsichtlich eines Betrags von 56.808,87 Euro wird die erweiterte Einziehung von Taterträgen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebungen zu a) und c) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen unter Auflösung einer nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe und unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es ein sichergestelltes Mobiltelefon eingezogen und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 96.200 Euro sowie die „erweiterte Einziehung von Taterträgen“ in Höhe von 58.368,87 Euro angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die erhobene Verfahrensrüge ist unzulässig, weil sie nicht entsprechend den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt ist.

2. Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben. Sie gibt jedoch Anlass zu einer Abänderung und Neufassung der Einziehungsentscheidungen sowie teilweise zu deren Aufhebung und Zurückverweisung.

a) Betreffend das eingezogene Mobiltelefon hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

„Soweit das Landgericht ein sichergestelltes Mobiltelefon der Marke W. als Tatmittel (§ 74 Abs. 1 StGB) eingezogen hat (UA S. 28), erscheint es aus prozessökonomischen Gründen sachgerecht, das Verfahren gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO auf die übrigen Rechtsfolgen zu beschränken. Die Urteilsgründe lassen nämlich nicht erkennen, ob sich die Strafkammer bewusst war, dass sie insoweit eine Ermessensentscheidung zu treffen hatte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. August 2022 - 4 StR 157/22, juris Rn. 2; vom 28. Juni 2022 - 3 StR 128/22, juris Rn. 4).“

Dem verschließt sich der Senat nicht, verfährt jedoch nicht nach § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO, sondern verweist die Sache zu neuer Entscheidung an das Landgericht zurück, woran er durch die vom Generalbundesanwalt erteilte Zustimmung zu einer Absehensentscheidung nicht gehindert ist.

b) Betreffend die angeordnete „Einziehung von Wertersatz“ in Höhe von 96.200 Euro hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

„Hinsichtlich der aus den urteilsgegenständlichen Taten erzielten Verkaufserlöse in Höhe von insgesamt 96.200 Euro hat das Landgericht im Grundsatz rechtsfehlerfrei die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB angeordnet (UA S. 28).

Eine originäre Einziehung der betreffenden Vermögenswerte ist nicht möglich. …

Indes lässt sich anhand der Urteilsfeststellungen nicht gänzlich ausschließen, dass das in der Wohnung des Angeklagten sichergestellte, der erweiterten Einziehung unterworfene Bargeld in Höhe von 1.560 Euro … aus einer der abgeurteilten Taten in den Fällen 1.a bis 1.d der Urteilsgründe herrührt. Um eine doppelte Abschöpfung auszuschließen, ist diese Summe bei der Bestimmung des Wertersatzbetrages in Abzug zu bringen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Oktober 2023 - 3 StR 328/23, juris Rn. 10; vom 13. Dezember 2022 - 3 StR 419/22, juris Rn. 3). Damit ist die Wertersatzeinziehung nur noch in Höhe von 94.640 Euro anzuordnen. …“

Dem folgt der Senat und ändert die Einziehungsentscheidung entsprechend.

c) Soweit der Generalbundesanwalt darüber hinaus beantragt, die von dem Landgericht angeordnete „erweiterte Einziehung von Taterträgen“ in Höhe von 58.368,87 Euro dahin zu korrigieren, dass in dieser Höhe die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet wird, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Zwar trifft es zu, dass hinsichtlich des in der Wohnung des Angeklagten in dieser Sache sichergestellten Teilbetrags von 1.560 Euro die Voraussetzungen der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen erfüllt sind, weil das Bargeld infolge der Einzahlung auf ein Justizkonto nicht mehr in seiner ursprünglichen Form eingezogen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2023 - 3 StR 412/22, juris Rn. 31). Von der alternativ bestehenden Möglichkeit, den gegen die Staatskasse gerichteten Auszahlungsanspruch des Angeklagten als Surrogat einzuziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2021 - 3 StR 148/21, NStZ 2022, 405 mit Anm. Bittmann) hat das Landgericht keinen Gebrauch gemacht. Der Senat ändert hinsichtlich dieses Teilbetrags die Einziehungsanordnung antragsgemäß.

Was die bereits von dem Landgericht Meiningen mit Urteil vom 13. September 2021 angeordnete Einziehung von Taterträgen in Höhe von 56.808,87 Euro anbelangt, führt der Generalbundesanwalt zutreffend aus:

„Wird in einem früheren Urteil die (erweiterte) Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet und liegen auch in Bezug auf das gegenständliche Urteil die Voraussetzungen des § 73c Satz 1 StGB vor, ist eine einheitliche Einziehungsentscheidung zu treffen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 2023 - 6 StR 497/23, juris Rn. 7; vom 22. Februar 2022 - 6 StR 31/22, juris). Dem steht nicht entgegen, dass im Urteil vom 13. September 2021 die „Einziehung von Taterträgen in Höhe von 56.808,87 Euro“ angeordnet wurde (UA S. 4). Der Sache nach hat das Gericht nämlich die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. So ergibt sich aus den im Wortlaut wiedergegebenen Urteilsgründen, dass das am 17. April 2020 bei dem Angeklagten sichergestellte Bargeld in Höhe von 56.808,87 Euro aus nicht näher aufklärbaren rechtswidrigen Taten stammt und nach der Sicherstellung auf ein Justizkonto eingezahlt wurde (UA S. 5). Darüber hinaus lassen die betreffenden Urteilsausführungen erkennen, dass auch das damals entscheidende Tatgericht nicht den Auszahlungsanspruch des Angeklagten einziehen wollte und stattdessen die erweiterte Wertersatzeinziehung angeordnet hat. Dementsprechend hat die nunmehr entscheidende Strafkammer beide Wertersatzbeträge addiert.“

Allerdings ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob die Einziehungsanordnung aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Meiningen vom 13. September 2021 nicht bereits durch Vollstreckung erledigt ist und damit für eine einheitliche Einziehungsanordnung nicht mehr zur Verfügung steht (zu entsprechenden Prüfungs- und Darlegungsanforderungen vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2024 - 6 StR 352/23, juris Rn. 6). Ob dem 6. Strafsenat uneingeschränkt dahin zu folgen wäre, dass ein Tatrichter bei der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe stets zu prüfen und darzulegen hat, ob und inwieweit eine frühere Einziehungsanordnung bereits erledigt ist, braucht hier nicht entschieden zu werden (vgl. auch Beschluss vom 14. Februar 2024 - 2 StR 392/23). Vorliegend bestanden jedenfalls durch die Einzahlung der sichergestellten Gelder auf ein Justizkonto konkrete Anhaltspunkte, die dazu drängten, eine mittlerweile eingetretene Erledigung der rechtskräftigen Einziehungsanordnung - etwa durch eine erfolgte Umbuchung innerhalb der Justizkasse - zu erwägen.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 645

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede