HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 272
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 473/23, Beschluss v. 21.12.2023, HRRS 2024 Nr. 272
1. Der Abgabebeschluss des Amtsgerichts ‒ Jugendschöffengerichts ‒ Gießen vom 30. Oktober 2023 wird aufgehoben.
2. Dieses Gericht ist für die Untersuchung und Entscheidung der Sache weiter zuständig.
Die Jugendschöffengerichte der Amtsgerichte Gießen und Ellwangen (Jagst) streiten um die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung in einer Jugendstrafsache.
Die Staatsanwaltschaft Gießen hat am 27. August 2023 beim Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Gießen Anklage gegen den vormals in L. wohnhaften Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis erhoben. Das Amtsgericht Gießen hat - ohne zuvor über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden - mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft am 30. Oktober 2023 beschlossen, das Verfahren gemäß „§ 42 Abs. 3“ JGG an das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Ellwangen (Jagst) abzugeben. Zur Begründung hat es lediglich ausgeführt, dass der „Angeklagte“ seinen Wohnsitz nunmehr im dortigen Bezirk habe. Dem vorangegangen war eine Mitteilung des Verteidigers, wonach der Angeschuldigte „bis auf Weiteres“ „im C.“ aufgenommen worden sei.
Das Amtsgericht Ellwangen (Jagst) hat Bedenken gegen die Übernahme des Verfahrens und hat die Sache mit Beschluss vom 3. November 2023 gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 JGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
1. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht des Amtsgerichts Gießen (Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main) und des Amtsgerichts Ellwangen (Jagst) (Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart) für die Entscheidung gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 JGG zuständig.
2. Der Abgabebeschluss des Amtsgerichts Gießen vom 30. Oktober 2023 ist aus mehreren Gründen aufzuheben. Für die Verhandlung und Entscheidung ist weiterhin das Amtsgericht Gießen zuständig.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift vom 5. Dezember 2023 u.a. ausgeführt:
„Der Abgabe steht bereits entgegen, dass über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht entschieden worden ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 30. Juni 1959 - 2 ARs 158/58, NJW 1959, 1834 [1836]; vom 18. Dezember 2013 - 2 ARs 432/13, juris Rn. 1).
Im Übrigen steht nicht fest, ob der Wohnsitz des Angeklagten im Amtsgerichtsbezirk Ellwangen/Jagst liegt. C. befindet sich im Amtsgerichtsbezirk Bad Mergentheim (vgl. https://www.justizadressen.nrw.de/de/justiz/gericht?ang=zivil&plzort=97993).
Abgesehen davon hat die Abgabeentscheidung auch deshalb keinen Bestand, weil das Amtsgericht Gießen die Abgabe an das Amtsgericht Ellwangen/Jagst allein mit dem Umstand begründet hat, dass der Angeklagte nunmehr im dortigen Bezirk wohne. Dem Abgabebeschluss lässt sich nicht entnehmen, ob dem Amtsgericht Gießen bewusst gewesen ist, dass eine Abgabeentscheidung gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG im pflichtgemäßen Ermessen steht, und es sein Ermessen entsprechend ausgeübt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 4. August 2021 - 2 ARs 200/21, juris Rn. 6).
Im Übrigen ist eine Abgabe des Verfahrens auch unzweckmäßig. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im Ablehnungsbeschluss des Amtsgerichts Ellwangen/Jagst vom 3. November 2023 verwiesen (SA S. 63 f.).“
Dem tritt der Senat bei.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 272
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede