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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1449

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 459/23, Beschluss v. 10.09.2024, HRRS 2024 Nr. 1449


BGH 2 StR 459/23 - Beschluss vom 10. September 2024 (LG Erfurt)

Handeltreiben mit Cannabis (Beihilfe; Besitz).

§ 34 KCanG; § 27 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 3. Mai 2023

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis, und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz von Cannabis schuldig ist, und

b) im Strafausspruch in den Fällen II. B) 2. und 4. der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in vier gleichartigen Fällen, sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 133.870 Euro angeordnet. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

1. Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte beanstandet, die Strafkammer habe das Urteil trotz Verwertungswiderspruchs auf unzulässig erhobene Beweismittel hinsichtlich der Chatkommunikation gestützt, ist gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig. Das Landgericht hat sowohl mit Beschluss vom 30. Januar 2023 als auch mit dem auf Gegenvorstellung des Beschwerdeführers ergangenen Beschluss vom 23. Februar 2023 begründet, dass nach derzeitigem Sachstand keine Anhaltspunkte für das Vorliegen des behaupteten Beweisverwertungsverbots bestünden. Zeitgleich mit einer weiteren Gegenvorstellung hat der Beschwerdeführer die zeugenschaftliche Einvernahme zweier näher benannter Zeugen beantragt und unter Bezugnahme auf den Beschluss des Landgerichts vom 23. Februar 2023 u.a. ausgeführt, dass die Einvernahme der beiden Zeugen dem Landgericht die notwendigen Anhaltspunkte für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots vermitteln werde. Die Revision teilt indes weder diesen Beweisantrag noch die danach ergangenen ausführlich begründeten Beschlüsse des Landgerichts sowie die weitere dagegen gerichtete Gegenvorstellung des Angeklagten mit. Auch mit Blick auf die weiteren Ausführungen des Revisionsführers wäre dieser Vortrag hier, wie vom Generalbundesanwalt ausgeführt, für eine umfassende Prüfung der Rüge erforderlich gewesen.

2. Der Schuldspruch ist infolge einer nach Urteilsverkündung eingetretenen neuen Gesetzeslage hinsichtlich der Fälle II. B) 2. und 4. der Urteilsgründe zu ändern.

a) Da Gegenstand der abgeurteilten Tat im Fall II. B) 4. der Urteilsgründe ausschließlich Cannabis (§ 1 Nr. 4, 8 KCanG) war, ist der Schuldspruch an die Änderungen durch das am 1. April 2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz (KCanG) anzupassen, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO als im konkreten Fall milder bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist.

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts führte der Angeklagte 978,34 g Marihuana in zwei Teilmengen mit einer Mindestwirkstoffmenge von 137,36 g THC mit sich, die er im Auftrag und nach Weisung des gesondert Verfolgten J. von Arnstadt nach Ilmenau zum gewinnbringenden Weiterverkauf transportieren sollte. Der Angeklagte hat sich in diesem Fall der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 und 4 KCanG, §§ 27, 52 StGB schuldig gemacht. Dass sich die Tat auf eine nicht geringe Menge Cannabis bezog (vgl. dazu nur BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.; vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216, und vom 24. April 2024 - 4 StR 50/24, Rn. 6 ff.), stellt gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG keine Qualifikation, sondern ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles dar und wird im Schuldspruch nicht zum Ausdruck gebracht. Der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG ist milder als der des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei verneint (vgl. zu § 2 Abs. 3 StGB in einem solchen Fall BGH, Beschluss vom 11. Juni 2024 - 3 StR 148/24, Rn. 11).

b) Im Fall II. B) 2. der Urteilsgründe tragen zwar die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten (auch) wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Angesichts der Teilidentitäten der jeweiligen Ausführungshandlungen stehen jedoch die zwei Fälle des Handeltreibens mit 1 kg bzw. 500 g Methamphetamin mit den zwei weiteren Fällen des Handeltreibens mit 2 kg bzw. 1 kg Cannabis in Tateinheit (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2019 - 4 StR 239/19, Rn. 9; vom 22. April 2020 - 1 StR 641/19, Rn. 14, und vom 10. Februar 2021 - 6 StR 453/20, Rn. 7).

c) Der Senat ändert daher den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil nicht ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können.

3. Die Schuldspruchänderung führt zum Entfallen der von der Strafkammer in den Fällen II. B) 2. und 4. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. Zwar hätte das Landgericht im Fall II. B) 2. der Urteilsgründe wegen des tateinheitlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ebenso den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG angewandt (§ 52 StGB). Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass es - ungeachtet des bereits mildernd berücksichtigten Umstands, dass es sich bei Marihuana um eine weiche Droge handele - auch insoweit zu einer niedrigeren Einzelfreiheitsstrafe gelangt wäre, wenn es hinsichtlich der tateinheitlich verwirklichten Tatbestände nach dem Konsumcannabisgesetz die vom Gesetzgeber verfolgte Intention, den Umgang mit Cannabisprodukten zu entkriminalisieren (BT-Drucks. 20/8704, S. 69, 158), berücksichtigt hätte. Die Aufhebung der beiden Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von dem Aufhebungsgrund nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1449

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede