HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1318
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 357/23, Beschluss v. 06.06.2024, HRRS 2024 Nr. 1318
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 21. April 2023
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass er des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis, des Handeltreibens mit Cannabis in fünf Fällen sowie des unerlaubten Erwerbs von Munition in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition, schuldig ist,
b) aufgehoben
aa) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II. 4., 5., 6., 7., 8., 9. und 10. der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch und
bb) soweit die Einziehung des Wertes von Taterträgen einen Betrag von 25.452,58 Euro übersteigt.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen sowie „zweifachen unerlaubten Erwerbs von Munition, um sie an Nichtberechtigte weiterzugeben“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 33.600 Euro angeordnet.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils führt zur überwiegenden Neufassung des Schuldspruchs.
a) Soweit in den Fällen II. 4., 5., 6., 7., 8., 9. und 10. der Urteilsgründe Gegenstand des Handeltreibens auch bzw. ausschließlich Marihuana und damit Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 8 KCanG war, ist der Schuldspruch an die Änderungen durch das am 1. April 2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz (KCanG) anzupassen, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist. Dass sich diese Taten jeweils auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24, juris Rn. 7 ff.), weswegen jeweils das gesetzliche Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG vorliegt, bedarf keiner Kennzeichnung in der Urteilsformel (vgl. nur Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 30. Aufl., Rn. 45, 50, jeweils mwN). Der Angeklagte hat sich nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts demzufolge des Handeltreibens mit Cannabis in sieben Fällen gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG schuldig gemacht, davon in zwei Fällen (Fälle II. 5. und 6. der Urteilsgründe) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, da sich die Handlungen des Angeklagten insoweit auch jeweils auf eine nicht geringe Menge Methamphetamin bezogen.
b) In den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe steht der jeweilige Erwerb der erlaubnispflichtigen Munition (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) WaffG) mit dem nachfolgenden Besitz (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG) in Tateinheit (vgl. BGH, Urteile vom 16. Januar 1980 - 2 StR 692/79, BGHSt 29, 184, 186; vom 13. Dezember 1983 - 1 StR 599/83, NStZ 1984, 171; Beschlüsse vom 22. November 1984 - 1 StR 517/84, NStZ 1985, 221; vom 10. Dezember 1987 - 1 StR 590/87, BGHR WaffG § 53 Abs. 3 Konkurrenzen 1; vom 23. Januar 1991 - 2 StR 552/90, BGHR WaffG § 53 Abs. 3 Konkurrenzen 2; vom 13. März 1997 - 1 StR 800/96, NStZ 1997, 446; vom 12. Dezember 1997 - 3 StR 383/97, NStZ 1998, 251; MüKo-StGB/Heinrich, 4. Aufl., § 52 WaffG Rn. 156; Erbs/Kohlhaas/Pauckstadt-Maihold/Lutz, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 250. EL, § 52 WaffG Rn. 99; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 20. Juli 1995 - 4 StR 112/95, NStZ-RR 1996, 20, 21 mit Nachw. zur Gegenansicht).
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Auch die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 1 StGB hindert die partielle Verböserung des Schuldspruchs nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 2024 - 3 StR 81/24, juris Rn. 2 mwN).
3. Die gesetzliche Neuregelung zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs in den Fällen II. 4., 5., 6., 7., 8., 9. und 10. der Urteilsgründe.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass in den Fällen II. 4., 7., 8., 9. und 10. der Urteilsgründe, in denen nunmehr der Strafrahmen des KCanG anzuwenden ist, das Landgericht niedrigere Strafen gegen den Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StGB).
In den Fällen II. 5. und 6. der Urteilsgründe können die Einzelstrafen von jeweils drei Jahren und sechs Monaten ebenfalls keinen Bestand haben. Der Senat kann angesichts der jeweils im Verhältnis zum Methamphetamin (50 Gramm) großen Menge Marihuana (ein Kilogramm) nicht ausschließen, dass die Tathandlungen des Angeklagten in Bezug auf diese Droge für das Landgericht bei der Bestimmung des Schuldumfangs und damit bei der Findung der verhängten Strafe mitentscheidend waren. Auch wenn die Strafen in diesen Fällen jeweils aus dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zuzumessen waren (vgl. § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB), ist durch die gesetzgeberische Wertung, die sich mit Blick auf die in § 34 Abs. 3 KCanG gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG vorgesehene mildere Strafdrohung ergibt, den Strafen die jeweilige Grundlage entzogen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. Mai 2024 - 5 StR 115/24, juris Rn. 12).
Die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
Die zum Strafausspruch gehörigen Feststellungen werden von der aufgrund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung des Strafausspruchs nicht berührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
4. Die Einziehungsentscheidung hält der revisionsrechtlichen Kontrolle lediglich in Höhe von 25.452,58 Euro stand.
Nach den Feststellungen des Landgerichts erlangte der Angeklagte aus dem Handel mit Betäubungsmitteln und Cannabis Einnahmen in Höhe von 33.600 Euro. Bei ihm wurde am 16. Juni 2022 Bargeld in Höhe von 3.118,42 Euro sowie Kryptovermögen im Wert von mindestens 5.029 Euro sichergestellt, auf dessen Rückgabe der Angeklagte in der Hauptverhandlung verzichtet hat. Zutreffend weisen der Revisionsführer und der Generalbundesanwalt darauf hin, dass das Landgericht bei der Bestimmung des Wertersatzbetrags grundsätzlich die Summe der - nicht inkriminierten - Vermögenswerte in Abzug hätte bringen müssen, auf die der Angeklagte in der Hauptverhandlung wirksam verzichtet hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. April 2023 - 2 StR 70/23, juris Rn. 4; vom 20. Juni 2023 - 2 StR 31/23, juris Rn. 3, jew. mwN). Die Strafkammer hat allerdings nicht geprüft, ob diese Vermögenswerte aus anderen als den abgeurteilten Straftaten herrühren und daher - zusätzlich zur ausgesprochenen Einziehung - der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB unterliegen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass insoweit weitere Feststellungen getroffen werden können.
Die bislang getroffenen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen; sie haben mithin Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird mit Blick auf § 73a StGB ergänzende Feststellungen zu treffen haben.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1318
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede