HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 947
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 156/23, Beschluss v. 22.06.2023, HRRS 2023 Nr. 947
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 17. Januar 2023 im Adhäsionsausspruch
a) aufgehoben, soweit seine Ersatzpflicht für entstandene immaterielle Schäden festgestellt worden ist,
b) dahin ergänzt, dass im Übrigen von einer Entscheidung abgesehen wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen sowie die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 63 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Adhäsionsentscheidung hält rechtlicher Prüfung nicht uneingeschränkt stand.
1. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, hat der Feststellungsausspruch hinsichtlich der Ersatzpflicht des Angeklagten für bereits entstandene immaterielle Schäden der Adhäsionsklägerin keinen Bestand, weil die Strafkammer dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes nicht gerecht geworden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2023 - 6 StR 122/23, juris Rn. 3 mwN). Danach werden von dem Schmerzensgeld, das die Geschädigte für erlittene Verletzungen verlangt, alle Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden können. Weder der Antragsbegründung noch den Urteilsgründen lässt sich indes entnehmen, dass es bereits eingetretene immaterielle Schadensfolgen geben könnte, die nicht objektiv erkennbar sind.
2. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts hat die Adhäsionsentscheidung aber insoweit Bestand, wie festgestellt ist, dass der Angeklagte zur Erstattung aller bereits entstandenen materiellen Schäden aus den gegenständlichen Taten verpflichtet ist.
Die von der Adhäsionsklägerin in Anspruch genommene therapeutische Behandlung ist noch nicht abgeschlossen, so dass die Behandlungskosten noch nicht vollständig beziffert werden können. Bei noch nicht abgeschlossener Schadensentwicklung besteht jedoch kein Vorrang der Leistungsklage; die Klägerin kann in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Mai 2022 - 2 StR 466/21, juris Rn. 3 mwN).
Der Senat kann in dieser Konstellation ungeachtet des Antrags des Generalbundesanwalts nach § 349 Abs. 2 StPO verfahren (vgl. Senat, Beschluss vom 20. November 2019 - 2 StR 266/18, juris Rn. 11).
3. Das Landgericht hat dem Adhäsionsantrag nur teilweise entsprochen. Es hat Zinsen erst seit dem 17. Januar 2023 zuerkannt, obwohl die beantragten Prozesszinsen ab dem Tag zu entrichten waren, der auf die - hier am 14. Januar 2023 eingetretene - Rechtshängigkeit des Adhäsionsantrags folgt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2023 - 6 StR 122/23, juris Rn. 4). Nach § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO wäre deshalb im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen gewesen, dass hinsichtlich des nicht zuerkannten Teils der geltend gemachten Zinsen von einer Entscheidung abgesehen worden ist (vgl. BGH, aaO). Der Senat ergänzt den Tenor entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 947
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede