HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 161
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 266/18, Beschluss v. 20.11.2019, HRRS 2020 Nr. 161
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 1. März 2018 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unter Verstoß gegen die Apothekenpflicht in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Inverkehrbringen von Arzneimitteln entgegen § 8 Abs. 2 AMG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Darüber hinaus hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Im Adhäsionsverfahren wurde der Angeklagte entsprechend seinem Anerkenntnis zur Unterlassung des Vertriebs näher ausgeführter Arzneimittel verurteilt. Außerdem wurde er dem Grunde nach verurteilt, der Adhäsionsklägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr „durch die hier abgeurteilten Verkäufe von Arzneimitteln unter ‚Cialis‘ oder ‚Cialis-Generika‘ in Deutschland vom 10. Juni 2015 bis 8. Juni 2017 entstanden ist“. Weiter wurde er verurteilt, der Adhäsionsklägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang er Arzneimittel unter der Bezeichnung „Cialis“ und/oder „Cialis-Generika“ in Deutschland eingeführt, angeboten, in den Verkehr gebracht und besessen hat. Im Übrigen wurde von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die unausgeführte Verfahrensrüge ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), die Sachrüge bleibt ohne Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts vertrieb der nichtrevidierende Mitangeklagte E. zwischen dem 10. Juni 2015 und dem 8. Juni 2017 im Online-Handel verschreibungspflichtige Potenzmittel mit den Wirkstoffen Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil. Die aus Großbritannien eingeführten Arzneimittel lagerte er in Räumen in F. und M. Der Angeklagte erklärte sich bereit, E. gegen Entlohnung beim Vertrieb der Arzneimittel zu unterstützen und übernahm in der Folge deren Verpackung und Versand. Darüber hinaus eröffnete er zur Zahlungsabwicklung der Bestellungen drei Konten, deren Führung er dem Mitangeklagten überließ. Im Tatzeitraum erfolgten mindestens 3.953 Arzneimittelverkäufe, woraus Einnahmen von insgesamt 473.968,19 € resultierten. Am 8. Juni 2017 verfügte der Mitangeklagte E. in den angemieteten Lagerstätten über insgesamt 77.479 Stück verschreibungspflichtige Arzneimittel, darunter 1.544 Stück gefälschte „Cialis“-Tabletten.
2. Die Revision des Angeklagten ist nicht auf den Adhäsionsausspruch beschränkt.
Zwar begehrt der Beschwerdeführer mit seinem ausdrücklich formulierten Revisionsantrag die Aufhebung des angefochtenen Urteils lediglich im Adhäsionsausspruch. Die Einzelausführungen zur Revisionsbegründung lassen jedoch erkennen, dass mit dem Rechtsmittel auch die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen angegriffen werden. Der nicht auflösbare Widerspruch zwischen ausdrücklichem Revisionsantrag und erkennbar verfolgtem Rechtsschutzziel hat zur Folge, dass die Revision im Wege der Auslegung mangels eines eindeutig zum Ausdruck gebrachten Beschränkungswillens als unbeschränkt zu behandeln ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 ? 4 StR 528/13, NJW 2014, 871; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 10 mwN).
3. Auf der Grundlage der ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen erweist sich die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unter Verstoß gegen die Apothekenpflicht in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Inverkehrbringen von Arzneimitteln entgegen § 8 Abs. 2 AMG als rechtsfehlerfrei.
a) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts lässt sich dem Gesamtinhalt der Urteilsgründe die Feststellung entnehmen, dass gefälschte „Cialis“-Tabletten in den Verkauf gelangt sind. Zwar finden sich im Urteil an drei Stellen Formulierungen zu einem nur geplanten Vertrieb (UA S. 143, 144, 150). Jedoch nimmt der oben genannte Tenor der Adhäsionsentscheidung ausdrücklich auf die „hier abgeurteilten Verkäufe“ der gefälschten Arzneimittel Bezug. Dementsprechend sind die gefälschten Mittel mit dem (auch in „Cialis“-Tabletten enthaltenen) Wirkstoff Tadalafil in der Aufzählung der Medikamente enthalten, die im Tatzeitraum „über den Onlinehandel vertrieben“ wurden (UA S. 5). Auch aus den Feststellungen zum Vorsatz des Mitangeklagten E. wird deutlich, dass das Landgericht auf den Vertrieb gefälschter Produkte abgestellt hat (UA S. 133 f.). Schließlich ergibt die Erwägung der Strafkammer zur Begründung des nur dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzanspruchs, man könne aus der Zahl der am 8. Juni 2017 aufgefundenen gefälschten Tabletten keine Rückschlüsse auf die Zahl der im Tatzeitraum versandten Tabletten ziehen, nur einen Sinn, wenn nach ihrer Überzeugung überhaupt Fälschungen vertrieben wurden (UA S. 151).
b) Auch die auf eine Gesamtschau der Tatbeiträge gestützte Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe hinsichtlich der Tatsache, dass ein Teil der für den Verkauf vorgesehenen Arzneimittel gefälscht war, mit bedingtem Vorsatz gehandelt, wird (noch) von den Feststellungen getragen.
4. Die Adhäsionsentscheidung hat entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ebenfalls Bestand.
Da das Landgericht - wie oben ausgeführt - den Vertrieb gefälschter „Cialis“-Tabletten festgestellt hat, sind die Voraussetzungen der von der Strafkammer angewendeten Anspruchsgrundlagen für den Schadensersatzanspruch und den Auskunftsanspruch erfüllt.
Der Senat kann ungeachtet des Antrags des Generalbundesanwalts nach § 349 Abs. 2 StPO verfahren: Ist nur über die Zubilligung einer Entschädigung zu befinden, kann das Rechtsmittelgericht dies nach § 406a Abs. 2 Satz 2 StPO ohne Hauptverhandlung tun. Dies erfordert, auch dann eine Entscheidung im Beschlusswege zuzulassen, wenn im Übrigen - wie hier - wegen der Schuld- und Straffrage die Voraussetzungen des § 349 Abs. 2 StPO vorliegen, da der Gesetzgeber vermeiden wollte, dass allein wegen der Adhäsionsentscheidung eine Hauptverhandlung stattfindet (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2014 - 3 StR 346/14, juris Rn. 3 mwN).
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 161
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner