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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 997

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, StB 37/22, Beschluss v. 25.08.2022, HRRS 2022 Nr. 997


BGH StB 37/22 - Beschluss vom 25. August 2022

Erfolgreiche Beschwerde gegen die Aufhebung des Haftbefehls (dringender Tatverdacht; Fluchtgefahr).

§ 112 StPO; § 116 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 27. Juli 2022 (3 BGs 606/22) aufgehoben. Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 2022 (3 BGs 448/22) tritt damit wieder in Kraft.

Gründe

I.

Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und hiermit zusammenhängender weiterer Delikte.

Der inzwischen 17-jährige Beschuldigte wurde am 12. Mai 2022 vorläufig festgenommen. Am Folgetag erließ und verkündete das Amtsgericht Essen einen Haftbefehl. Seither war der Beschuldigte in Wuppertal inhaftiert. Nach Übernahme des Verfahrens durch den Generalbundesanwalt erging am 14. Juni 2022 ein neuer Haftbefehl durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (3 BGs 448/22). Gegenstand war der Vorwurf, der Beschuldigte habe einen rechtsextremistisch motivierten Anschlag auf das von ihm besuchte Gymnasium in E. geplant; er sei fest entschlossen gewesen, am 13. Mai 2022 in das Schulgebäude einzudringen und mittels selbstgebauter Sprengsätze sowie verschiedener Waffen möglichst viele Lehrer und Schüler - aus seiner Sicht „antiweiße“ und „linke Untermenschen“ - zu töten, um damit Vorarbeit für den von ihm erwarteten „Rassenkrieg“ zu leisten und Gleichgesinnte zur Nachahmung zu bewegen. Zu diesem Zweck habe er sich die zum Bau der Sprengsätze erforderlichen Bestandteile dergestalt beschafft, dass er aus ihnen binnen weniger Stunden einsatzfähige Rohrbomben hätte herstellen können, und sich Armbrüste, Messer, Macheten, PTB-Waffen, Luftdruckpistolen und Schlagringe besorgt. Überdies habe er Munition besessen. Der Beschuldigte habe sich auf diese Weise nach § 89a Abs. 1 und 2 Nr. 3, § 52 Abs. 1 StGB, § 40 Abs. 1 Nr. 3, § 27 Abs. 1 SprengG, § 52 Abs. 3 Nr. 1 und 2 Buchst. b WaffG strafbar gemacht. Sein Vorhaben sei allein an der Festnahme gescheitert.

Auf den Haftprüfungsantrag des Beschuldigten vom 18. Juli 2022 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl am 27. Juli 2022 nach Anhörung des Beschuldigten, seiner Eltern, eines psychiatrischen Sachverständigen und der Jugendgerichtshilfe wieder aufgehoben (3 BGs 606/22). Der Beschuldigte ist aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Seither befindet er sich freiwillig zur stationären Behandlung in einem kinder- und jugendpsychiatrischen Krankenhaus.

Gegen die Aufhebung des Haftbefehls hat der Generalbundesanwalt am 9. August 2022 Beschwerde eingelegt. Für den Fall ihres Erfolgs hat er in Aussicht gestellt, er werde unverzüglich die Möglichkeit der Außervollzugsetzung des Haftbefehls unter Auflagen in den Blick nehmen, um dem Beschuldigten die Fortsetzung seiner Behandlung in der Klinik zu ermöglichen.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige (§ 304 Abs. 5, § 306 Abs. 1 StPO) Beschwerde ist begründet (zum Prüfungsumfang vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2022 - StB 28/22, juris Rn. 7). Der Beschuldigte ist der haftbefehlsgegenständlichen Tatvorwürfe bei fortbestehender Fluchtgefahr dringend verdächtig und seine Inhaftierung verhältnismäßig (§ 112 Abs. 1 und 2 Nr. 2 StPO). Der Beschluss des Ermittlungsrichters vom 27. Juli 2022, mit dem er den Haftbefehl vom 14. Juni 2022 aufgehoben hat, ist deshalb aufzuheben. Damit tritt der Haftbefehl wieder in Kraft.

1. Es besteht ein vom Beschuldigten und seinem Verteidiger nicht in Abrede gestellter dringender Tatverdacht hinsichtlich des ihm angelasteten, im Haftbefehl vom 14. Juni 2022 näher dargelegten Geschehens. Auf die dortigen Ausführungen sowie auf den Antrag des Generalbundesanwalts vom 9. August 2022 wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

Der Beschuldigte verwahrte in seinem Kinderzimmer neben vielen anderen Waffen jedenfalls einen Schlagring (Ass.-Nr. A3.46.3) sowie 26, zum Teil mit Nägeln und Muttern umklebte und mit Verkabelung versehene Rohrkörper, etwa 290 g pyrotechnische Explosivstoffmasse (Schwarzpulver, Streichholzkopfmasse) sowie ausreichend Zündschnur und damit alles, was für den Bau einer Sprengvorrichtung im Sinne des § 89a Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 1 StGB wesentlich ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. November 2020 - 3 StR 31/20, BGHSt 65, 176 Rn. 9 ff. mwN). Sprengversuche mit den vom Beschuldigten gebastelten Rohrbombenkörpern haben inzwischen gezeigt, dass die von ihm vorgehaltenen Materialien letale Splitter erzeugen können (s. E-Mail des BKA vom 10. August 2022, Bd. Aktenvorlage Haftbeschwerde, S. 103 ff.). Das für die Konstruktion der Vorrichtungen, insbesondere für die Installation der Zünder notwendige Wissen hatte sich der Beschuldigte, wie seine Aufzeichnungen, die Datenauswertung und eine Zeugenaussage ergeben, im Internet angeeignet.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat in seinem Beschluss vom 27. Juli 2022 zwar zutreffend ausgeführt, dass einige der dem Beschuldigten im Haftbefehl zugeordneten Schlagringe, Macheten und Pistolen im Elternschlafzimmer der von allen gemeinsam genutzten Wohnung aufgefunden worden sind und nach neueren Erkenntnissen möglicherweise vom Vater angeschafft worden waren. Dass der Beschuldigte über sämtliche in der Wohnung gelagerte Waffen frei verfügte, belegen jedoch Videos, die ihn in voller Kampfmontur mit den im Schlafzimmer aufgefundenen Macheten und Pistolen zeigen (Bd. XIII, S. 19, 28, 40 f., Bd. XIV, S. 1, 5, 7 f.). Er verfasste über sein Vorhaben in objektiver und subjektiver Hinsicht unter anderem ein Tagebuch und ein von ihm sogenanntes „Manifest“ über seine Person, seine Ideologie und das von ihm in Einzelheiten geplante “ -Massaker“. Aus von ihm angefertigten Lichtbilddokumentationen (s. etwa Bd. XII, S. 250 ff.) geht hervor, dass er auch den Einsatz der im Schlafzimmer aufgefundenen Waffen fest einplante. Der Beschuldigte arbeitete überdies rechtsextremistische Schriften sowie umfangreiche Handlungsanweisungen für Nachahmer aus und nahm mehrere Videobotschaften für gleichgesinnte „Kameraden“ auf. Sämtliche Aufzeichnungen sind sichergestellt.

Gegenüber den Bediensteten der Haftanstalt hat der Beschuldigte offen von seinem Anschlagsplan, seinen Mordphantasien, seinem Ausländerhass, seiner Waffenaffinität sowie seiner Bewunderung für die Täter der rechtsextremistisch motivierten Anschläge von Norwegen, Christchurch, Columbine und Halle gesprochen (s. Berichte der JVA Wuppertal-Ronsdorf, Bd. Aktenvorlage Haftbeschwerde, S. 9 ff.) und hiervon bisher keinen Abstand genommen.

Entgegen den Ausführungen im Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 27. Juli 2022 bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte „unterbewusst“ eine Aufdeckung seines über Jahre gefassten und ausgearbeiteten Plans ersehnte. Solche sind nach derzeitigem Stand auch nicht darin zu erblicken, dass er sich am 11. Mai 2022 einem Mitschüler offenbarte. Aus seinen Aufzeichnungen geht vielmehr seine - bis zuletzt zutreffende - Überzeugung dahin hervor, dass seine Klassenkameraden ihn nicht ernst nahmen. Der Zeuge K. hat in seiner Vernehmung angegeben, der Beschuldigte sei in der Schülerclique scherzhaft als „Jahrgangsnazi“ betitelt worden. Es habe sich nur um eine Rolle gehandelt, die der Beschuldigte überzeugend zu spielen gewusst habe (Bd. II Beantragung neuer HB, S. 67 ff.). Der Beschuldigte selbst hat verschiedentlich betont, welch große Anstrengungen er unternahm, um unentdeckt zu bleiben. Seine blinde Entschlossenheit wird besonders deutlich an seinen vom 9. bis 11. Mai 2022 und damit direkt vor dem geplanten Anschlag gefertigten Tagebuchaufzeichnungen (Bd. XII, S. 147 ff.).

2. Rechtlich ist der Tatvorwurf im Haftbefehl vom 14. Juni 2022 zutreffend gewürdigt. Kriminaltechnische Untersuchungen haben zuletzt ergeben, dass das Asservat A3.19, ein vom Beschuldigten selbst gebautes und in seinem Kinderzimmer aufgefundenes Schießgerät, funktionsfähig ist und eine Schusswaffe im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG in Verbindung mit Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.1 zum WaffG darstellt (s. Gutachtenauszug des BKA vom 10. August 2022, Bd. Aktenvorlage Haftbeschwerde, S. 100 ff.), so dass - ohne dass es für die Haftfrage darauf ankommt - zusätzlich die Tatbestände des unerlaubten nichtgewerbsmäßigen Herstellens (§ 52 Abs. 3 Nr. 3 WaffG) und des Besitzes einer Schusswaffe (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG) erfüllt sein dürften.

3. Es besteht Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Bei Würdigung der konkreten Einzelfallumstände ist es wahrscheinlicher, dass sich der Beschuldigte dem weiteren Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten wird.

a) Der Beschuldigte ist einem hohen Fluchtanreiz ausgesetzt. Er hat angesichts des Gewichts der ihm vorgeworfenen Tat mit einer empfindlichen Jugendstrafe zu rechnen. Das Tatbild ist davon geprägt, dass allein wegen des besonnenen Verhaltens eines Mitschülers im letzten Moment ein rechtsextremistisch motivierter Amoklauf mit vielen Toten verhindert wurde. Die gefestigte rassistische Gesinnung des Beschuldigten, seine massive Gewaltbereitschaft und der von ihm über mehrere Jahre für die Tat betriebene Aufwand sprechen in hohem Maße für seine schädlichen Neigungen und die Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG). Im Erwachsenenstrafrecht ist das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren belegt (§ 89a Abs. 1 Satz 1 StGB). Entgegen der Auffassung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs sind das Tatunrecht, die Schuld und der Erziehungsbedarf nicht maßgeblich dadurch vermindert, dass - wie ausgeführt - einige der dem Beschuldigten zugeordneten Waffen im Elternschlaf- und nicht im Kinderzimmer aufgefunden worden sind.

Der von der zu erwartenden Jugendstrafe ausgehende hohe Fluchtanreiz wird daraus ersichtlich, dass der Beschuldigte ihrem Vollzug nach den bislang gewonnenen Erkenntnissen mit großer Sorge entgegensieht. Er hat vielfach geäußert, sich davor zu fürchten, auf gewaltbereite Mitinsassen zu treffen. In der Haftanstalt hat er sich angesichts seiner Einzelverwahrung beruhigt gezeigt, diese böte ihm Schutz vor den Mithäftlingen. Eine einstweilige Unterbringung in einem geeigneten Heim der Jugendhilfe nach § 71 Abs. 2 JGG lehnt er entschieden ab, weil er dort mit anderen (kriminellen) jungen Männern zusammenträfe (s. insgesamt Bd. Aktenvorlage Haftbeschwerde, S. 26, 28, 31, 52, 67, 72). Der Umstand, dass auf seinem Rechner umfangreiches kinderpornografisches Material gefunden worden ist und ihm auch insoweit eine Anklage droht, ist geeignet, seine Angst vor anderen Jugendlichen im Strafvollzug noch zu steigern.

b) Der Beschuldigte verfügt trotz seines jungen Alters zudem über die tatsächlichen Möglich- und Fähigkeiten zur Flucht. Zwar wohnte er bis zu seiner Inhaftierung bei seinen Eltern. Wie der Tatvorwurf zeigt, hat der Beschuldigte es jedoch über Jahre verstanden, sich vollständig zu verstellen und von allen unbemerkt ein ausgeklügeltes Anschlagsszenario zu planen. In seinen Aufzeichnungen hat er ausgeführt, dass er nur von außen normal wirke, jedoch sein wahres Gesicht noch nie jemandem offenbart habe (Bd. XII, S. 441). Das deckt sich mit den Berichten der Justizvollzugsbediensteten, die ihn als affektiv verflacht und nicht authentisch erlebt haben (Bd. Aktenvorlage Haftbeschwerde, S. 9 ff.).

Die Umsetzung seiner rassistischen Gewaltphantasien ist für den Beschuldigten handlungsleitend. Er ist von der Überzeugung durchdrungen, um jeden Preis gemeinsam mit seinen „Kameraden und Mitstreitern“ für die „Freiheit der weißen Rasse“ kämpfen zu müssen (s. Bd. XII, etwa S. 430). Von dieser Gesinnung getrieben, war er in rechtsnationalen Chatgruppen und Foren aktiv, wie die Auswertung seiner Computer und Mobiltelefone ergeben (Bd. IV, S. 110 ff.) und wie er freimütig in der Justizvollzugsanstalt berichtet hat (Bd. Aktenvorlage Haftbeschwerde, S. 24). Der Beschuldigte war - auch finanziell - in der Lage, sich heimlich ein umfangreiches Waffenarsenal zuzulegen (zu seinen vierstelligen Ersparnissen s. Bd. Aktenvorlage Haftbeschwerde, S. 61), wobei er sich Bauanleitungen für Sprengkörper aus dem Darknet herunterlud (Bd. IV, S. 97 ff.). Aus alledem ist zu schließen, dass er sein Umfeld weiterhin zu täuschen vermag und ein jedenfalls zeitweiliges Untertauchen organisieren kann.

c) Es sind schließlich keine fluchthemmenden Umstände erkennbar, die den Beschuldigten zu einer freiwilligen Kooperation mit den Organen der Strafverfolgung bewegen könnten. Soweit der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs in diesem Zusammenhang die Eltern des Beschuldigten als stabilisierenden Faktor eingestuft hat, hat er nicht bedacht, dass sie nach ihren Bekundungen von den über Jahre entwickelten Anschlagsplänen ihres Sohnes nichts bemerkten, wenngleich sie nach dessen Darstellung von seiner radikalen politischen Einstellung wussten (s. Bd. XII, S. 310). Der Vater hortete Schlagringe, Macheten sowie Pistolen und bewahrte eine NSDAP-Mitgliedsnadel des Großvaters unter dem Bett auf. Im Keller lagerte er einen Stromgenerator, ein Gerät zur Trinkwasseraufbereitung und einen Gaskocher (s. insgesamt Bd. Aktenvorlage Haftbeschwerde, S. 55 f.). Ein Zeuge hat ihn als rechtsradikal beschrieben (Akten Beantragung neuer HB, Bd. I, Unterband 1, S. 6). Die Mutter soll Sorge davor geäußert haben, dass der Beschuldigte immer mehr so werde wie sein Vater (Akten Beantragung neuer HB, Bd. I, Unterband 1, S. 15).

Sein ehemaliges schulisches Umfeld ist dem Beschuldigten ausweislich seiner Aufzeichnungen (s. etwa den“ ", Bd. XII, S. 234 ff.) verhasst. Engere Freundschaft pflegte er zu niemandem. Emotional verbunden fühlte er sich nur seinen imaginären rechtsextremistischen „Kameraden“ und der virtuellen Figur Morityu, die einem Computerspiel entstammt, in dem der Spieler in Gestalt eines Mädchens einen Amoklauf an einer Schule begeht (s. die umfangreiche Schrift „Ich liebe nur Dich Morityu“, Bd. XII, S. 434 ff.). Damit fehlt es an jeglichen außerfamiliären Bezugspersonen.

Zukunftspläne oder Bildungswünsche hat der Beschuldigte bisher nicht geäußert. Nach seiner Vorstellung sollte sein Leben am 13. Mai 2022 durch einen sogenannten suicide by cop enden.

Ein fluchthemmender Umstand, die ursprünglich nach § 34c PolG NRW angeordnete elektronische Fußfessel, ist nach dem erfolgreichen Rechtsmittel des Verteidigers ebenfalls nicht mehr gegeben.

4. Eine einstweilige Unterbringung in einem geeigneten Heim der Jugendhilfe nach § 71 Abs. 2 JGG zur Untersuchungshaftvermeidung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Jugendgerichtshilfe keinen freien Platz in einer entsprechenden Einrichtung anbieten kann. Die Mitarbeiter der derzeit einzigen zur Verfügung stehenden Institution“ " haben die Aufnahme des Beschuldigten nach einem Gespräch mit ihm abgelehnt, weil er wenig Reue zeige, gefühllos und nicht authentisch sei (Bd. Aktenvorlage Haftbeschwerde, S. 72).

5. Die Anordnung der Untersuchungshaft steht trotz der mit dem jungen Alter des Beschuldigten einhergehenden besonderen Belastungen des Vollzugs nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache sowie der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 112 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 72 Abs. 1 Satz 2 JGG). Anhaltspunkte dafür, dass das Ermittlungsverfahren bisher nicht in einer dem Beschleunigungsgebot genügenden Weise geführt worden wäre, sind nicht ersichtlich.

6. Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Haftbefehls ergeben sich aus § 142a Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 2 Nr. 1, § 74a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GVG. Auf die Ausführungen im Haftbefehl vom 14. Juni 2022 und in der Beschwerdeschrift des Generalbundesanwalts vom 9. August 2022 wird verwiesen.

7. Der damit rechtmäßige Haftbefehl des Ermittlungsrichters vom 14. Juni 2022 tritt durch die Aufhebung der Aufhebung wieder in Kraft.

Inwieweit eine Anweisung nach § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO, den Aufenthalt in einem psychiatrischen Krankenhaus zur stationären Behandlung zu nehmen und es nicht ohne Zustimmung zu verlassen, oder eine andere ähnliche Maßnahme geeignet ist, die Erwartung zu begründen, dass der Beschuldigte nicht fliehen wird, so dass der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht (§ 72 Abs. 1 Satz 1 und 3 JGG) und der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt werden kann (§ 116 Abs. 1 StPO), wird der Generalbundesanwalt gemäß seiner Ankündigung in der Antragsschrift zeitnah ermitteln.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 997

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede