HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 813
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, StB 30/22, Beschluss v. 19.07.2022, HRRS 2022 Nr. 813
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Lörrach vom 8. Februar 2022 ist gegenstandlos.
1. Der Beschuldigte wurde in dieser Sache am 7. Februar 2022 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 8. Februar 2022 ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Lörrach vom selben Tag. Am 13. Juli 2022 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs unter Aufhebung dieser Entscheidung einen neuen Haftbefehl erlassen und verkündet, der seither vollzogen wird.
Gegenstand des aktuellen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte, der im Sinne der sog. Reichsbürger-Bewegung die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Staatsorgane in Abrede stelle, habe am 7. Februar 2022 bei W. aus niedrigen Beweggründen versucht, durch den gezielten Zusammenstoß mit dem von ihm geführten PKW einen Polizisten zu töten, um sich einer von ihm als rechtswidrig erachteten Verkehrskontrolle zu entziehen, wobei er dem Beamten schwere Kopf- und Gesichtsverletzungen zugefügt habe, strafbar unter anderem als versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Eingriff in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls (§ 211 Abs. 1 und 2 Gruppe 4, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a, §§ 22, 23 Abs. 1, § 52 StGB). Bereits der Haftbefehl des Amtsgerichts Lörrach hatte einen im Kern gleichlautenden Vorwurf erhoben.
2. Nachdem das Amtsgericht Karlsruhe die Haftkontrolle vom Amtsgericht Lörrach übernommen hatte, hat es sie - nach Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch den Generalbundesanwalt - mit Beschluss vom 23. Juni 2022 auf den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs übertragen. Dieser hat am 28. Juni 2022 darauf erkannt, dass mit dem vorbenannten Beschluss die Zuständigkeit für die weiteren Haftentscheidungen gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO auf ihn übergegangen ist.
3. Gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Lörrach hat der Beschuldigte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 24. Juni 2022 beim Amtsgericht Karlsruhe Beschwerde eingelegt. Über den Generalbundesanwalt ist sie am 28. Juni 2022 dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs übersandt worden, der ihr nicht abgeholfen und sie am Folgetag dem Senat vorgelegt hat.
Mit Zuschrift vom 7. Juli 2022 hat der Generalbundesanwalt beantragt, die Beschwerde zu verwerfen. Zur Begründung hat er auf seinen an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs gerichteten Antrag auf Erlass eines neuen Haftbefehls Bezug genommen, in dem er ausführlich seine Bewertung des dringenden Tatverdachts, der Haftgründe und seiner Zuständigkeit für das Ermittlungsverfahren dargelegt hat.
Die Beschwerde gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Lörrach vom 8. Februar 2022 ist gegenstandlos.
Die Untersuchungshaft wird nicht mehr aufgrund dieses Haftbefehls vollzogen, sondern auf der Grundlage des neuen erweiterten Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 2022. Dies führt infolge prozessualer Überholung zur Unstatthaftigkeit der gegen den ursprünglichen Haftbefehl erhobenen Beschwerde. Da die Untersuchungshaft weiter vollzogen wird und der Beschuldigte den neuen Haftbefehl vollumfänglich angreifen kann, besteht für die Beschwerde gegen die erstmalige Haftanordnung auch unter dem Gesichtspunkt eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses kein Rechtsschutzbedürfnis. Weil die Unzulässigkeit des Rechtsmittels erst nach seiner Einlegung eingetreten ist, ist es infolge Erledigung für gegenstandslos zu erklären (s. BGH, Beschluss vom 4. Januar 2013 - StB 10/12, juris Rn. 4; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. Dezember 2015 - 2 Ws 664/15, juris Rn. 3 ff.; BeckOK StPO/Krauß, 43. Ed., § 117 Rn. 7).
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 813
Bearbeiter: Christian Becker