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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1215

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 284/21, Beschluss v. 14.09.2021, HRRS 2021 Nr. 1215


BGH 2 StR 284/21 - Beschluss vom 14. September 2021 (LG Wiesbaden)

Schwerer Raub (minder schwerer Fall: Strafrahmenwahl); Einziehung von Tatmitteln bei Tätern und Teilnehmern.

§ 250 Abs. 3 StGB; § 74 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 29. März 2021

a) im Strafausspruch sowie

b) hinsichtlich der Einziehung eines blauen Cuttermessers aufgehoben; dieser Teil der Einziehungsentscheidung entfällt.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und ein Elektroimpulsgerät sowie ein Cuttermesser eingezogen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensrüge erweist sich aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen jedenfalls als unbegründet.

2. Die Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen halten der Strafausspruch und die Einziehung eines Cuttermessers rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB mit rechtsfehlerhafter Begründung verneint hat.

aa) Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falles vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, so muss bei der Strafrahmenwahl zunächst geprüft werden, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorab auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe abzustellen. Ist danach das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so ist zunächst der gesetzlich vertypte Strafmilderungsgrund in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. März 2018 ? 3 StR 625/17, juris Rn. 8; Senat, Beschluss vom 19. November 2013 ? 2 StR 494/13, StV 2015, 549; vgl. auch Schäfer/Sander/ van Gemmeren, Praxis für Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1123 mwN).

bb) Dem wird das angegriffene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat zunächst den Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert und anschließend geprüft, ob „eine nochmalige Milderung aufgrund der Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 250 Abs. 3 StGB … in Betracht [kommt]“. Das Landgericht hat damit weder die aufgezeigte Prüfungsreihenfolge beachtet noch erwogen, ob das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes alleine oder zusammen mit den anderen Umständen das Vorliegen eines minder schweren Falles begründen kann. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Gesamtabwägung zur Annahme eines minder schweren Falles und in diesem Strafrahmen zu einer niedrigeren Freiheitsstrafe gelangt wäre.

cc) Die der Strafzumessung zugrundliegenden Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit diese nicht im Widerspruch zu den bisherigen stehen.

b) Die Einziehung des Cuttermessers begegnet ? im Gegensatz zu der weiteren Einziehungsentscheidung der Strafkammer ? durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat dieses als Tatmittel im Sinne von § 74 Abs. 1 StGB angesehen, aber nicht durch Tatsachen belegt, inwieweit das im Rucksack des Angeklagten verbliebene Cuttermesser im Rahmen der abgeurteilten Tat Verwendung gefunden hat oder hätte finden sollen (vgl. Senat, Beschluss vom 11. September 2019 ? 2 StR 68/19, juris Rn. 9). Da weitere Feststellungen hierzu in einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten sind, hat der Senat diesen Teil der Einziehungsentscheidung entfallen lassen.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1215

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß