HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 914
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, StB 17/20, Beschluss v. 23.06.2020, HRRS 2020 Nr. 914
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 20. Mai 2020 (3 BGs 425/20) wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB in Tateinheit, § 52 StGB, mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz.
Das Verfahren ist Teil eines Ermittlungskomplexes gegen die „Gruppe ". Deren Anführer, der Mitbeschuldigte S., soll zu einem unbestimmten Zeitpunkt mit weiteren Mitbeschuldigten eine rechtsextremistisch ausgerichtete Vereinigung (§ 129 Abs. 2 StGB) gegründet haben, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) an Politikern, Asylsuchenden und Personen muslimischen Glaubens zu begehen. Der Beschuldigte soll die „Gruppe“ unter anderem durch seine Teilnahme an Treffen und die Zusage, Geld und Waffen für Anschläge zu beschaffen, unterstützt haben.
Am 14. Februar 2020 hat die Polizei die Wohnräume des Beschuldigten durchsucht und dort neben einer Einzelladerwaffe mit Munition und weiteren Beweismitteln den Bargeldbetrag von 1.050 € aufgefunden und sichergestellt. Am Folgetag, dem 15. Februar 2020, hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Haftbefehl gegen den Beschuldigten erlassen (3 BGs 104/20). Seither befindet sich dieser in Untersuchungshaft.
Mit Schreiben seines Verteidigers vom 8. Mai 2020 hat der Beschuldigte „die Freigabe du Überweisung der € 1.000 die (…) beschlagnahmt worden sind“ beantragt.
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat daraufhin mit Beschluss vom 20. Mai 2020 die Beschlagnahme des Bargelds in Höhe von 1.050 € gemäß § 111b Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 74 Abs. 1 StGB angeordnet (3 BGs 425/20).
Gegen diesen Beschluss hat der Beschuldigte über seinen Verteidiger am 26. Mai 2020 Beschwerde erhoben. Er macht geltend, dass das Geld seinem Bruder gehöre und für Renovierungsarbeiten vorgesehen gewesen sei.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Beschwerde zu verwerfen. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Dem gemäß § 304 Abs. 5 StPO zulässigen Rechtsmittel bleibt in der Sache der Erfolg versagt. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat das Geld zu Recht und mit zutreffender Begründung gemäß § 111b Abs. 1 Satz 2 StPO beschlagnahmt. Es unterliegt überdies der Beschlagnahme als Beweismittel gemäß § 94 StGB.
1. Die Voraussetzungen der Beschlagnahme zur Sicherung der Vollstreckung einer möglichen Einziehung sind gegeben (§ 111b Abs. 1 StPO). Es liegen dringende Gründe im Sinne des § 111b Abs. 1 Satz 2 StPO für die Annahme vor, dass das sichergestellte Geld gemäß § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB als Tatmittel der Einziehung unterliegt.
a) Der Beschuldigte ist der ihm zur Last gelegten Tat dringend verdächtig. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die diesbezüglichen Darlegungen im Haftbefehl vom 15. Februar 2020 Bezug genommen. In Ergänzung zu den dort aufgeführten Erkenntnissen belegen die Ermittlungen inzwischen zusätzlich, dass der Beschuldigte, der beim Gruppentreffen am 7./8. Februar 2020 in M. die Besorgung von Waffen und das Beisteuern eines namhaften Geldbetrags hierfür zugesagt hatte, bei seinem Waffenlieferanten bereits eine sogenannte Kalaschnikow AK 47 mit passender Munition für den Mitbeschuldigten S. bestellt hatte. Letztlich stornierte er das Geschäft nach Rücksprache mit der Gruppe aus Furcht vor Entdeckung am 12. Februar 2020.
Der dringende Tatverdacht folgt zum einen aus der umfangreichen teilgeständigen Einlassung des Beschuldigten. Er hat seinen Kontakt zum Mitbeschuldigten S., seine Anwesenheit bei den Gruppentreffen im Oktober 2019 in B. und im Februar 2020 in M., seinen Waffenbesitz sowie diverse weitere ihn belastende Umstände eingeräumt. Zum anderen ergibt er sich aus Einlassungen von Mitbeschuldigten, Auswertungen von Mobiltelefonen, Telekommunikationsüberwachung, Observationsmaßnahmen, einem Waffengutachten vom 7. Februar 2020 und dem Durchsuchungsbericht vom 14. Februar 2020 (vgl. insoweit auch den einen Mitbeschuldigten betreffenden Beschluss des Senats vom 28. April 2020 - StB 13/20, juris).
In rechtlicher Hinsicht stellt sich das Verhalten des Beschuldigten nach dem derzeitigen Ermittlungsstand jedenfalls als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB dar, begangen in Tateinheit, § 52 StGB, mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe und von Munition gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a und b, § 2 Abs. 2, § 1 Abs. 4 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 sowie Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2.4 und Unterabschnitt 3 Nr. 1.1.
b) Es bestehen dringende Gründe für die Annahme, dass der Beschuldigte das sichergestellte Geld für den Ankauf von Waffen für die „Gruppe“ vorrätig hielt. Eine Woche vor der Sicherstellung hatte er bei der Zusammenkunft in M. den Gruppenmitgliedern zugesagt, 5.000 € zum Kauf von Waffen für die geplanten Anschläge beizusteuern. Außerdem hatte er eine Kalaschnikow AK 47 für den Mitbeschuldigten S. bestellt, die beim Lieferanten laut dessen Preisliste 1.500 bis 2.000 € kosten sollte. Dieser Betrag entsprach dem monatlichen Einkommen des Beschuldigten, der zudem über hohe Schulden verfügte.
Der Auffindeort des Geldes in einer Kommode im Schlafzimmer, separiert vom Geld im Portemonnaie, stützt den Verdacht. Gleiches gilt für den unrunden Betrag, der darauf hindeutet, dass es sich um ein Spardepot handelte, welches laufend aufgestockt wurde.
Sollte sich dieser Verdacht im weiteren Verlauf des Verfahrens bestätigen, war das Geld dazu bestimmt, der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB und damit der Begehung der Tat zu dienen (vgl. zu den Voraussetzungen der Einziehung von Tatmitteln im Einzelnen BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2019 - 4 StR 538/18, juris Rn. 10 mwN).
Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ist der Beschuldigte auch Eigentümer des Geldes (§ 74 Abs. 3 Satz 1 StGB; zum Prüfungsmaßstab der Eigentümerstellung vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. November 2008 - III - 4 Ws 590/08, wistra 2009, 207, 208). Wie der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 27. Mai 2020 zutreffend ausgeführt hat, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, die insoweit bestehenden Verdachtsmomente zu entkräften. Die Angabe des Beschuldigten, das Geld stamme von seinem Bruder, ist nicht glaubhaft. Jener hob ausweislich des betreffenden Kontoauszugs am Vortag der polizeilichen Sicherstellung 1.000 € bei einer Bank ab, nicht 1.050 €. Außerdem erscheint es lebensfremd, dass der Bruder dem Beschuldigten einen hohen Barbetrag für Baumaterial übergeben sollte, welches er ohne Weiteres selbst einkaufen könnte. Schließlich bleibt das Beschwerdevorbringen im Unklaren, was die vermeintlichen Renovierungsarbeiten am Haus des Bruders angeht. Es ist weder vorgetragen oder sonst ersichtlich, welche Arbeiten konkret geplant waren, noch, welches Material dafür benötigt wurde.
Das erforderliche Sicherungsbedürfnis ist gegeben. Denn für den Fall der Herausgabe des Bargelds an den Beschuldigten steht angesichts seiner finanziellen Situation - er hat Schulden in Höhe von über 50.000 € - zu befürchten, dass später nicht mehr darauf zugegriffen werden kann.
Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig (vgl. § 74f StGB). Die Höhe des Geldbetrags und die seit der Sicherstellung verstrichene Zeit stehen angesichts der Schwere des Tatvorwurfs der vorläufigen Sicherung nicht entgegen.
2. Überdies rechtfertigt die Beweisbedeutung des Bargelds dessen amtliche Verwahrung. Es besteht die nicht fernliegende Möglichkeit (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 - StB 13/18, juris Rn. 6 mwN), dass das beschlagnahmte Bargeld als Beweismittel, auch als Spurenträger, für die Untersuchung von Bedeutung ist (§ 94 Abs. 1 StPO). Anders als bei den §§ 111b ff. StPO kommt es bei Maßnahmen nach § 94 StPO nicht auf die Eigentumsverhältnisse an (KK/Greven, StPO, 8. Aufl., § 94 Rn. 6).
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 914
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 276
Bearbeiter: Christian Becker