HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1372
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, AK 32/20, Beschluss v. 29.10.2020, HRRS 2020 Nr. 1372
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.
Der Beschuldigte wurde am 14. Februar 2020 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 15. Februar 2020 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (3 BGs 104/20) in Untersuchungshaft. Diese wurde vom 8. Mai bis zum 6. Juli 2020 zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Tagen unterbrochen.
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe in A., M. und anderen Orten eine Vereinigung unterstützt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, und ohne Erlaubnis eine Schusswaffe nebst passender Munition besessen; strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a und b, § 2 Abs. 2, § 1 Abs. 4 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 sowie Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2.4 und Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 zum WaffG.
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat nach mündlicher Haftprüfung vom 25. Juni am 30. Juni 2020 beschlossen, dass der Haftbefehl aufrechterhalten und in Vollzug bleibt (3 BGs 493/20).
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist der ihm zur Last gelegten Tat dringend verdächtig.
a) Nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Spätestens kurz vor dem 28. September 2019 kamen die Mitbeschuldigten S., E., N., B. und U. überein, sich auf unbestimmte Zeit zu der „Gruppe“ zusammenzuschließen. Diese Personenvereinigung war darauf ausgerichtet, ihre rechtsextremistische Ideologie gewaltsam durch koordinierte Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Personen muslimischen Glaubens durchzusetzen. Unter anderem planten die Mitglieder der Gruppe, als Einzeltäter oder in kleinen Einheiten Moscheen anzugreifen und eine möglichst große Zahl dort Anwesender zu töten oder zu verletzen. Die Anschläge sollten die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland sowie ihre demokratisch gewählten Vertreter in erheblicher Weise einschüchtern und bürgerkriegsartige Zustände im Land auslösen. Letztlich wollte die „Gruppe“ durch die Gewalttaten die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland erschüttern und überwinden.
Die Organisation verfügte über eine hierarchische Struktur und abgegrenzte Zuständigkeiten. Der Mitbeschuldigte S. war der „Kopf“ der Gruppe, der sie ins Leben rief, als treibende Kraft fungierte, die Treffen initiierte, die inhaltlichen Vorgaben machte, die Aufgaben zuwies und in allen wesentlichen Belangen das letzte Wort hatte. Der Mitbeschuldigte E. war seine rechte Hand. Er war unter anderem mit der praktischen Organisation der Zusammenkünfte befasst und willens, zur Umsetzung der Gruppenziele erforderlichenfalls sein Leben zu opfern. Letzteres gilt gleichermaßen für den Mitbeschuldigten N., der sein Haus für ein Treffen der Vereinigung zur Verfügung stellte und S. Treue bis in den Tod versprochen hatte. Der Mitbeschuldigte B. konnte aufgrund seiner beruflichen Qualifikation Waffen bearbeiten und verändern; er wurde von S. als jemand geschätzt, der „zu allem bereit“ ist. Der Mitbeschuldigte U., der wegen zahlreicher Gewalttaten bereits über 20 Jahre Haft verbüßt hatte, bekleidete die Rolle eines „getreuen Fußsoldaten“.
Der Mitbeschuldigte S. suchte gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten E. über diesen Kreis hinaus fortlaufend nach weiteren geeigneten Kämpfern für die geplanten Anschläge. Seine Vernetzung in der Szene ermöglichte es ihm, eine vierstellige Zahl gewaltbereiter Rechtsextremer anzusprechen und - nach seiner Vorstellung - für Anschläge zu mobilisieren. Zu diesem Zweck pflegte er persönliche Kontakte zu ihm ideologisch nahestehenden Mitgliedern anderer Organisationen, betätigte sich in rechtsextremistisch ausgerichteten Messenger-Chatgruppen und führte - unterstützt durch E. - Einzelgespräche mit Anwärtern, um ihre Gewaltbereitschaft zu überprüfen. Auf diese Weise fanden der Beschuldigte und die Mitbeschuldigten H., W., Wi. und K. zur „Gruppe ", während N. und E. gemeinsam den Mitbeschuldigten Kr. anwarben und N. allein den Mitbeschuldigten Wo. zur Organisation brachte. Sogenannte „Schwätzerpatrioten“, worunter S. jeden fasste, der nicht bereit war, zur Waffe zu greifen, sortierte er aus.
Der Beschuldigte gehört der rechtsextremistischen Szene an und verfügt über eine ebensolche Gesinnung, die er in zahlreichen Tätowierungen, u.a. von Hakenkreuzen und einem großflächigen Konterfei Adolf Hitlers, auch äußerlich zum Ausdruck bringt. Er bekleidet eine herausgehobene Position bei der Gruppierung“ ". Mit S. ist der Beschuldigte seit dem Jahr 2017 bekannt und mit dem Mitbeschuldigten K. sowie dem gesondert verfolgten Br. befreundet. S. nahm ihn in verschiedene Chatgruppen auf, in denen offen über von der Vereinigung als notwendig erachtete Gewalt gegenüber Muslimen und politisch Andersdenkenden kommuniziert wurde.
Das erste Treffen der Gruppe fand am 28./29. September 2019 bei A. (" ") statt. Dort erläuterte S. seine terroristischen Ziele. In einer Vorstellungsrunde äußerte sich jeder Teilnehmer über seine Bereitschaft, mit Waffengewalt „aktiv“ zu werden. Anders als im Haftbefehl ausgeführt, nahm der Beschuldigte an dieser Zusammenkunft entgegen seiner ursprünglichen Planung nicht teil.
Am 3. Oktober 2019 kam die Vereinigung - nunmehr mit dem Beschuldigten - anlässlich einer rechtsgerichteten Demonstration zum Tag der Deutschen Einheit in Be. zusammen. Im Anschluss versammelte sie sich zur weiteren Förderung der gemeinsamen Ziele bei einer Tankstelle nördlich von Be. Hier sprach der Beschuldigte mit den Mitbeschuldigten S. und K. über die Beschaffung von sogenannten Slam-Guns für die Vereinigung. Der Beschuldigte und K. bestellten in den Folgetagen nach weiterer Rücksprache mit S. bei ihrem Waffenlieferanten, dem gesondert verfolgten Sc., wenigstens sechs dieser selbstgebauten Gewehre. Die passende Munition sollte der gesondert verfolgte Br. liefern. Im Folgenden hielten die Beschuldigten untereinander und mit den Lieferanten regen Kontakt. Der Beschuldigte orderte schließlich absprachegemäß bei seinem gesondert verfolgten Bekannten Br. ein Maschinengewehr „Kalaschnikow“ nebst Munition für den Mitbeschuldigten S. („AK mit Zubehör für Ma. ").
Zu einer geplanten, aber letztlich nicht durchgeführten Zusammenkunft der Gruppe am 14./15. Dezember 2019 sagte der Beschuldigte seine Teilnahme zu.
Das dritte Treffen ging unter konspirativen Umständen am 7./8. Februar 2020 in M. (Westfalen) im Haus des Mitbeschuldigten N. vonstatten. Hieran nahm der Beschuldigte in Kenntnis der genannten terroristischen Ziele der Gruppierung teil. Vor Ort wurde über die konkrete Umsetzung der Umsturzpläne durch Anschläge auf Moscheen gesprochen. Der Beschuldigte erklärte sich insoweit zur „offensiven“ Mitwirkung bereit. S., der - ebenso wie weitere Teilnehmer - bereits über mindestens eine scharfe Schusswaffe, Kaliber 9 mm, verfügte, stellte seine Pläne vor, nach denen die Gruppe für die Durchführung der Anschläge weitere Waffen benötigte. In diesem Zusammenhang brachte der Beschuldigte, der über die Preise seines Lieferanten im Bilde war, eine aufzubringende Summe von 50.000 € ins Spiel. Daraufhin sagten die Anwesenden die individuelle Bereitstellung von namhaften Beträgen, der Beschuldigte von 5.000 €, zu, so dass 50.000 € zusammen kamen. Von diesem Geld sollten der Beschuldigte und der Mitbeschuldigte K. über ihre bereits laufende Lieferschiene Langwaffen besorgen. Der Mitbeschuldigte H., der über Kontakte zu einem Waffengeschäft in Tschechien verfügte, erhielt den Auftrag, die benötigten Kurzwaffen zu erwerben. Einige Teilnehmer des Treffens äußerten in diesem Zusammenhang konkrete Wünsche zu einem Waffentyp, den sie jeweils präferierten. Unter der Wortführung S. beschlossen die Anwesenden, anschließend zeitnah loszuschlagen. Hierzu kam es nicht mehr, weil kurze Zeit später zwölf von ihnen verhaftet wurden.
Der Beschuldigte besaß zu jener Zeit eine funktionsfähige Slam-Gun nebst für diese geeignete 100 Schrotpatronen, 151 weitere Schuss Munition und einen Elektroschocker. Diese Gegenstände stellte die Polizei anlässlich seiner Festnahme auf seinem Grundstück sicher.
b) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Bildung, der Struktur und der Zielsetzung der „Gruppe“ und des Verhaltens aller Beschuldigten stützt sich auf eine Vielzahl von Beweismitteln, unter anderem die geständigen Einlassungen des Mitbeschuldigten U., die teilgeständigen Angaben des Beschuldigten sowie weiterer Mitbeschuldigter, von denen mehrere die Organisation, Planung und Ziele der „Gruppe“ bestätigt haben, sowie die Observationen im zeitlichen Umfeld der Gruppentreffen. Bei Durchsuchungen sind Waffen und Geldbeträge aufgefunden worden, beim Beschuldigten neben der genannten Slam-Gun 1.050 € in bar. Aus der Telekommunikationsüberwachung gehen unter anderem das Zusammenwirken der Beschuldigten und ihr intensives Bemühen um die Beschaffung weiterer Waffen hervor. Ihre Gewaltbereitschaft gegenüber Migranten sowie politisch Andersdenkenden und ihre Forderung nach einem gesellschaftlichen Umsturz sind außerdem aus den gesicherten Chatverläufen ersichtlich. Der Beschuldigte selbst schrieb bereits im Januar 2018 an S., er freue sich darüber, dass dieser Leute gefunden habe, die „nicht nur reden“.
In seinen Vernehmungen vom 14. Februar 2020 und vom 19. Mai 2020 hat sich der Beschuldigte teilgeständig eingelassen. Unter anderem hat er seinen Kontakt zum Mitbeschuldigten S., seine Anwesenheit bei den Gruppentreffen im Oktober 2019 in Be. und im Februar 2020 in M. sowie den Umstand eingeräumt, dass er dort die Summe von 50.000 € für die benötigten Waffen ins Spiel brachte. Soweit der Beschuldigte bestritten hat, sich zur Teilnahme an den Anschlägen und zur Bereitstellung eines Geldbetrags für die Waffen bereiterklärt zu haben, und angegeben hat, nur zum Schein den Eindruck erweckt zu haben, jene besorgen zu wollen, stehen dem die Telekommunikationsüberwachung, die Chat-Auswertungen und die Aussagen der Mitbeschuldigten U. und W. entgegen. Nach deren Darstellung bekannte sich der Beschuldigte nicht nur zu einer „offensiven“ Teilnahme an den Anschlägen und einer Zahlung von 5.000 €, sondern sagte auch die Beschaffung von Waffen für die Gruppenmitglieder konkret und bereitwillig zu. Diese Aussagen werden dadurch bestätigt, dass die Mitbeschuldigten S. und E., die jeden aussonderten, der nicht gewaltbereit war, den Beschuldigten in Telefongesprächen vom 10. und 12. Februar 2020 als „das Brauchbarste hier“ und den „Mann im Stall“, was den Osten angehe, bezeichneten; der Beschuldigte sei der Einzige, der alles richtigmache.
Der dringende Tatverdacht hinsichtlich des Verstoßes gegen das Waffengesetz beruht auf den insoweit geständigen Angaben des Beschuldigten, verschiedenen Waffengutachten und dem Durchsuchungsbericht vom 14. Februar 2020.
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Tatsachen auf die ausführliche Darstellung und Würdigung im Haftbefehl vom 15. Februar 2020, den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 30. Juni 2020 und den Antrag des Generalbundesanwalts vom 5. Oktober 2020 verwiesen.
c) In rechtlicher Hinsicht folgt daraus jedenfalls, dass der Beschuldigte - wie im Haftbefehl angenommen - mit hoher Wahrscheinlichkeit eine terroristische Vereinigung unterstützte (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB).
Die „Gruppe“ stellte nach den Ermittlungsergebnissen einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses im Sinne von § 129 Abs. 2 StGB dar, der darüber hinaus über - nach der Neuregelung durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2440) nicht mehr erforderliche - Strukturmerkmale wie etwa Führungspersonal und klare Aufgabenverteilung verfügte. Die Zwecke der Vereinigung waren jedenfalls auf die Verübung von bewaffneten Anschlägen auf Moscheen und damit auf die Begehung von Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) gerichtet.
Unter einem Unterstützen im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB ist grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt. Dies kann dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft. Der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung greift zudem über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus. Denn er bezieht sich in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss. Das Wirken des Nichtmitglieds muss nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen; es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass ein messbarer Nutzen für diese eintritt. Die Wirksamkeit der Unterstützungsleistung und deren grundsätzliche Nützlichkeit müssen indes anhand belegter Fakten nachgewiesen sein (st. Rspr.; vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17 f. mwN).
Nach den dargestellten Maßstäben kann schon allein in der Zusage eines Außenstehenden, zugunsten der Vereinigung Geld- oder Sachleistungen zu erbringen oder eine Straftat zu begehen, eine Unterstützungshandlung im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB liegen, selbst wenn es nicht zur Erfüllung der Zusage kommt. Voraussetzung ist insoweit allerdings, dass das Tun des Nichtmitglieds für die Vereinigung objektiven Nutzen entfaltet. Bereits die Zusage für sich genommen muss sich auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder in irgendeiner Weise positiv auswirken (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6 Rn. 5 mwN; Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 21 ff.).
Hier sind die genannten Voraussetzungen einer Unterstützungshandlung erfüllt. Schon durch seine Teilnahme an den Gruppenchats und -treffen und seine Diskussionsbeiträge bei dem Treffen am 7./8. Februar 2020 bestärkte der Beschuldigte die Mitglieder der Vereinigung, ihre terroristischen Bestrebungen in Form der Anschlagsplanungen fortzusetzen. Jedenfalls aber konnten die Bestellung der Slam-Guns und der „Kalaschnikow“ sowie die Zusagen, aktiv an den Anschlägen mitzuwirken, hierfür benötigte Waffen zu besorgen und sich an deren Finanzierung mit einem namhaften Betrag zu beteiligen, die Mitglieder der „Gruppe“ in ihrem Entschluss stärken, die geplanten Straftaten, die der Verwirklichung der terroristischen Ziele der Vereinigung dienten, tatsächlich zu begehen. Denn sie gewannen hierdurch den Eindruck, sie würden am entscheidenden Tag im Beschuldigten einen gewaltbereiten Komplizen an ihrer Seite haben und zugleich durch ihn in die Lage versetzt, die erforderlichen Tatmittel zu erwerben. Letzteres gilt besonders vor dem Hintergrund, dass der Beschuldigte nicht irgendeine beliebige Zahlung und die Beschaffung irgendwelcher Waffen zu einem unbestimmten Datum für wahllose Taten zusagte, sondern dass es um kurzfristig zu erwerbende spezifizierte Gewehre über eine bestehende Lieferschiene für konkrete Anschläge ging. Damit waren bereits die Zusicherungen des Beschuldigten, zu deren Einlösung es wegen der Festnahmen nicht mehr kommen konnte, auch für die Vereinigung als solche objektiv nützlich und wirkten sich positiv auf ihr Bestehen und ihre Aktionsmöglichkeiten aus.
Ob dem Beschuldigten darüber hinaus die mitgliedschaftliche Beteiligung in der „Gruppe“ angelastet werden kann, wofür vieles spricht, bedarf hier keiner Entscheidung.
Der Beschuldigte verwirklichte daneben mit hoher Wahrscheinlichkeit den genannten Verstoß gegen § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a und b, § 2 Abs. 2, § 1 Abs. 4 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 sowie Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2.4 und Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 zum WaffG.
Für die Entscheidung über die Haftfortdauer kommt es nicht entscheidend darauf an, ob dieses Waffendelikt gemäß § 52 StGB in Tateinheit zum Unterstützen der Vereinigung steht oder ob mehrere Straftaten im Sinne des § 53 StGB anzunehmen sind. Diese Frage, zu der sich der Haftbefehl nicht eindeutig verhält, kann deshalb hier offenbleiben.
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Es ist wahrscheinlicher, dass sich der Beschuldigte, sollte er auf freien Fuß gelangen, dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm stellen wird. Er hat im Fall seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Zwar lebte der Beschuldigte zuletzt gemeinsam mit Ehefrau und Sohn in Sch. und ist seiner Familie nach Aktenlage emotional verbunden. Dies hat ihn jedoch nicht von seinem Vorhaben abgehalten, sich aktiv an terroristischen Anschlägen zu beteiligen, wobei er ausweislich der Einlassung des Mitbeschuldigten U. zwar überleben wollte, aber nicht mit dem eigenen Überleben rechnete. Der Beschuldigte besitzt Schulden in Höhe von wenigstens 50.000 €, keine feste Anstellung und Kontakte zur rechtsextremistischen Szene.
Dies alles spricht für seine Bereitschaft und Fähigkeit zum jederzeitigen Untertauchen.
Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind deshalb nicht erfolgversprechend.
3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen. Das Verfahren ist bisher mit der gebotenen Beschleunigung geführt worden.
Beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg ist eine Sonderkommission mit einer Vielzahl von Polizeibeamten mit den Ermittlungen zur „Gruppe“ befasst, die lageabhängig von weiteren Polizisten anderer Bundesländer und vom Bundeskriminalamt unterstützt wird. Es sind 53 Objekte durchsucht und 1.282 Asservate sichergestellt worden, darunter 97 Mobilfunkgeräte, 43 Computer und 149 Speichermedien. Dies entspricht einem Datenvolumen von 17,79 Terabyte bzw. über 59 Millionen Chatnachrichten, Bildern, Videos und Audiofiles. Deren Auswertung ist zu einem überwiegenden Teil fertiggestellt. Außerdem sind 13 Beschuldigten- und 60 Zeugenvernehmungen, umfangreiche Finanzermittlungen, daktyloskopische und molekulargenetische Untersuchungen sowie waffenrechtliche Bewertungen durchgeführt worden. Die Verfahrensakte umfasst mehr als 220 Stehordner. Der Abschluss der Ermittlungen ist für Ende Oktober 2020 vorgesehen. Die Anklage soll bis Ende des Jahres erhoben werden.
4. Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1372
Bearbeiter: Christian Becker