HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1215
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 304/20, Beschluss v. 09.09.2020, HRRS 2020 Nr. 1215
1. Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 18. Dezember 2019 - auch soweit es den Mitangeklagten A. betrifft - im Schuldausspruch dahin abgeändert, dass
a) der Angeklagte G. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in Tateinheit mit Amtsanmaßung sowie wegen Beihilfe zum versuchten Betrug und
b) der Mitangeklagte A. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in Tateinheit mit Amtsanmaßung in sechs Fällen und wegen versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrugs schuldig sind.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten G. wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in Tateinheit mit Amtsanmaßung und Beihilfe zum versuchten Betrug in Tateinheit mit Amtsanmaßung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 50.000 Euro als Gesamtschuldner mit dem Mitangeklagten A. angeordnet. Es hat den nicht revidierenden A. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in sieben Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, jeweils in Tateinheit mit Amtsanmaßung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 270.570 Euro, hiervon in Höhe von 50.000 Euro als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten G., angeordnet. Das auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen schlossen sich der Angeklagte und A. im Dezember 2018 einer Tätergruppe an, deren Ziel es war, als „falsche Polizeibeamte“ Betrugstaten zum Nachteil älterer Menschen zu begehen. Dabei riefen Bandenmitglieder aus der Türkei bei den späteren Opfern an, gaben sich - entsprechend dem gemeinsamen Tatplan - als Polizeibeamte aus, warnten vor einem Einbruch in die Wohnung der Angerufenen und forderten in bedrängender Weise, zur Sicherheit Wertgegenstände und Bargeld an einen vor Ort anwesenden „Polizeibeamten“ zu übergeben. Dem Angeklagten und A. oblag es, gegen eine Beteiligung in Höhe von 10 % der Tatbeute, die Wertgegenstände nach Weisung des gesondert Verfolgten Al. bei den Geschädigten abzuholen und die Beute - nach Einbehalt des eigenen Anteils - an weitere Mittelsmänner der Gruppierung weiterzugeben.
In Umsetzung dieses Tatplans begaben sich der Angeklagte und A., die in fortlaufendem telefonischem Kontakt zu Al. standen, am 18. Dezember 2018 nach K. zu der 90-jährigen Zeugin S. Der Angeklagte hatte als maßgebliches Bindeglied zu Al. die Fahrt organisiert. S. übergab aufgrund der vorbeschriebenen Täuschung durch Al. vor ihrer Wohnung A. wortlos 50.000 Euro. Der Angeklagte und A. begaben sich mit der Beute nach H., wo sie diese, nachdem sie 5.000 Euro für ihre Tätigkeit einbehalten hatten, an unbekannte Mittelsmänner weitergaben. Die 5.000 Euro teilten sie, wie zuvor zwischen ihnen vereinbart, hälftig (Fall II.1 der Urteilsgründe).
In den ersten Tagen des Januar 2019 hatte ein Anrufer der Gruppierung unter Aufrechterhaltung der Legende als Polizeibeamter die Zeugin S. veranlasst, aus ihrem Depot Wertpapiere im Wert von 70.000 Euro zu veräußern. Der Angeklagte, der nach dem Jahreswechsel aufgrund eines Streits mit A. zunächst von weiteren - bereits anlässlich der ersten Tat in Aussicht genommenen - Abholungen Abstand genommen hatte, war nunmehr bereit, gemeinsam mit A. das Geld von der Zeugin entgegenzunehmen. Ihren ursprünglichen Plan, wonach der Angeklagte das Geld abholen sollte, änderten beide kurzfristig dahingehend, dass A. zur Vorbereitung der Geldübergabe zu dem Finanzierungsinstitut, an dem die Zeugin erwartet wurde, gehen sollte, während der Angeklagte, der A. weiterhin bei der Tat unterstützte, im Fahrzeug auf dessen Rückkehr wartete. Nachdem A. ? wiederum in ständigem Kontakt mit Al. ? auf der Suche nach der Zeugin zweimal an dem Finanzinstitut vorbeigelaufen war, erfolgte der polizeiliche Zugriff. Diese war zuvor von dem besorgten Mitarbeiter des Finanzinstituts vorsorglich eingeschaltet worden. Der Angeklagte wurde etwa zeitgleich in dem in der Nähe des Finanzinstituts abgestellten Fahrzeug verhaftet (Fall II.7 der Urteilsgründe).
Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten als banden- und gewerbsmäßigen Betrug in Tateinheit mit Amtsanmaßung (Fall II.1 der Urteilsgründe) und - mangels fortbestehender gewerbsmäßiger Begehung - als Beihilfe zum versuchten Betrug in Tateinheit mit Amtsanmaßung gewertet (Fall II.7 der Urteilsgründe).
Die Revision des Angeklagten ist nur teilweise begründet. Sie führt - unter Erstreckung auf den Mitangeklagten A. - lediglich zur Abänderung des Schuldspruchs im Fall II.7 der Urteilsgründe.
1. Die Annahme einer tateinheitlichen Amtsanmaßung gemäß § 132 Var. 1 StGB im Fall II.7 der Urteilsgründe erweist sich als rechtsfehlerhaft. Auf der Grundlage der Feststellungen hat sich der Angeklagte weder als Täter noch als Gehilfe einer Amtsanmaßung strafbar gemacht.
a) Bei einer Tat nach § 132 Var. 1 StGB handelt es sich um kein „eigenhändiges Delikt“ (BGH, Beschluss vom 14. April 2020 - 5 StR 37/20, juris Rn. 8 ff.). Mittäterschaft oder Beihilfe kommt daher nach allgemeinen Regeln in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2019 - 5 StR 51/19, juris Rn. 6; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 132 Rn. 12; SSW-StGB/Jeßberger, 4. Aufl., § 132 Rn. 14; MüKo-StGB/Hohmann, 3. Aufl., § 132 Rn. 16; LK-StGB/Krauß, 12. Aufl., § 132 Rn. 42). Eine strafbare Beteiligung setzt indes - wie stets - einen konkreten Tatbeitrag zur Tatbestandsverwirklichung voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2019 - 5 StR 51/19, aaO). Hieran fehlt es.
b) Der Angeklagte saß in der Nähe des Tatorts im Fahrzeug, während sich A. zum Zwecke des Geldempfangs zu dem Finanzinstitut begeben hatte. Der Angeklagte ist damit der Zeugin weder als „Polizeibeamter“ gegenübergetreten noch hat er sich selbst ein öffentliches Amt angemaßt. Auch A. hatte im Fall II.7 der Urteilsgründe keinen Kontakt zu der Zeugin. Als Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 132 Var. 1 StGB kommt daher nur die telefonische Amtsanmaßung durch Al. bzw. den unbekannten Anrufer gegenüber der Zeugin in Betracht (vgl. zur telefonischen Tatbegehung LK-StGB/Krauß, 12. Aufl., § 132 Rn. 23). Aufgrund der Verhaftung des A. unterblieb jedoch - anders als im Fall II.1 der Urteilsgründe - die nach dem Tatplan vorgesehene „polizeiliche Sicherstellung“ des Geldes und damit der mittäterschaftliche Tatbeitrag des A. bzw. des Angeklagten zur Tatbestandsverwirklichung der Amtsanmaßung. Zwar wusste und billigte der Angeklagte, dass sich Al. gegenüber der Zeugin zur Umsetzung des Tatplans als Polizeibeamter ausgegeben hatte. Die bloße Kenntnis von der Tat und deren Billigung ohne einen die Tatbestandsverwirklichung objektiv fördernder Tatbeitrag genügt für die mittäterschaftliche Zurechnung jedoch nicht. Sie vermag auch noch keine Beihilfe zur Amtsanmaßung nach § 27 durch Al. bzw. den unbekannten Anrufer zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2019 - 5 StR 51/19, aaO mwN).
2. Im Übrigen bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.
a) Die Verfahrensrüge versagt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen.
b) Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt den Strafausspruch unberührt (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Strafkammer hat bei der Bemessung der Einzelstrafe von zehn Monaten Freiheitsstrafe im Fall II.7 der Urteilsgründe zu Lasten des Angeklagten lediglich die hohe Beuteerwartung und das wiederholte Angehen desselben Tatopfers berücksichtigt. Sie hat, ausgehend von der rechtsfehlerfreien Einzelfreiheitsstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe von zwei Jahren und vier Monaten und unter rechtsfehlerfreier Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28. November 2018 - 5 StR 376/18, juris Rn. 8; Beschlüsse vom 7. März 2018 - 1 StR 663/17, juris Rn. 2; vom 8. Mai 2007 - 4 StR 173/07, juris Rn. 5; Senat, Beschluss vom 10. August 2005 - 2 StR 219/05, StraFo 2005, 515) eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten ausgesprochen. Der Senat kann daher ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung im Fall II.7 der Urteilsgründe weder eine niedrigere Einzel- noch eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft in gleicher Weise den nicht revidierenden Mitangeklagten A. Die Aufhebung der tateinheitlichen Verurteilung wegen Amtsanmaßung ist daher im Fall II.7 der Urteilsgründe auch auf ihn zu erstrecken. Der Strafausspruch kann auch hier bestehen bleiben. Die Strafkammer hat die Verwirklichung mehrerer Straftatbestände weder bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall II.7 der Urteilsgründe noch bei der Gesamtstrafe zum Nachteil des Mitangeklagten gewertet.
4. Angesichts des nur geringen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten des Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1215
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 10; StV 2021, 485
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner