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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 847

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 279/20, Beschluss v. 03.02.2021, HRRS 2021 Nr. 847


BGH 2 StR 279/20 - Beschluss vom 3. Februar 2021 (LG Darmstadt)

Erpresserischer Menschenraub (beabsichtigter Erpressungserfolg: geplanter Zeitpunkt der gewollten erpressten Leistung, Schuldanerkenntnis, formlose Zahlungszusage); Geiselnahme (beabsichtigter Nötigungserfolg: funktionaler und zeitlicher Zusammenhang zwischen Bemächtigung und qualifizierter Nötigung, Erstreben mehrerer Verhaltensweisen, Abgabe eines „Ehrenworts“).

§ 239a Abs. 1 StGB; § 239b Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Es fehlt an der Absicht des Ausnutzens der Bemächtigungslage zur Begehung einer Erpressung im Sinne des § 239a Abs. 1 StGB, wenn der Tatplan vorsieht, dass die Leistung, die der Täter erpressen will, erst zu einem Zeitpunkt erfolgen soll, zu dem die Bemächtigungslage beendet ist. Da die Erpressung auf eine vermögensrelevante Handlung, Duldung oder Unterlassung des Opfers abzielt, muss im Fall des § 239a StGB nach der Vorstellung des Täters eine solche während der Bemächtigungslage stattfinden. Dazu kann etwa die Abgabe eines notariell beglaubigten Schuldanerkenntnisses genügen. Jedoch reicht eine formlose Zahlungszusage mangels Vermögensrelevanz nicht aus.

2. Bei einer Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB muss zwischen der Entführung oder Bemächtigung des Opfers und der qualifizierten Nötigung ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang in der Weise bestehen, dass der Täter das Opfer während der Dauer der Zwangslage nötigen will und die abgenötigte Handlung während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll. Eine während der Bemächtigung des Opfers vollendete Nötigung ist auch gegeben, wenn der Täter mehrere Verhaltensweisen des Opfers erstrebt, die er zwar nicht sämtlich schon während der Bemächtigungslage realisieren will, von denen er aber zumindest eine Handlung des Opfers in dieser Phase herbeiführt, wenn darin aus seiner Sicht eine bedeutende und eigenständige Vorstufe zu dem angestrebten Erpressungserfolg zu erblicken ist. Ebenso kann eine beliebige Handlung, Duldung oder Unterlassung einen Nötigungserfolg auch im Sinne von § 239b StGB darstellen. Deshalb kann zum Beispiel ein abgenötigtes „Ehrenwort“ des Geschädigten genügen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten Sc. und Sh., wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 13. März 2020, auch soweit es den Angeklagten Sk. betrifft,

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten wie folgt schuldig sind:

aa) der Angeklagte Sc. der Geiselnahme in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung, mit schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung,

bb) der Angeklagte Sh. der Geiselnahme in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung,

cc) der Angeklagte Sk. wegen Beihilfe zur Geiselnahme in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung und mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung,

b) im Strafausspruch für den Angeklagten Sh. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten Sh., an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten Sc. und Sh. sowie die Revision des Angeklagten Z. werden verworfen.

4. Die Beschwerdeführer Sc. und Z. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat - den Angeklagten Sc. wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung, mit schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten, - den Angeklagten Sh. wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten, - den Angeklagten Sk. wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung und mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und - den Angeklagten Z. wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten Sc., Sh. und Z. jeweils mit der Sachrüge. Die Rechtsmittel der Angeklagten Sc. und Sh. führen zu der Änderung des Schuldspruchs dahin, dass diese Angeklagten der tateinheitlich begangenen Geiselnahme statt des erpresserischen Menschenraubs schuldig sind. Derselbe Rechtsfehler hat gemäß § 357 StPO die Änderung des Schuldspruchs für den Angeklagten Sk., der keine Revision eingelegt hat, in tateinheitlich begangene Beihilfe zur Geiselnahme zur Folge. Auf die Revision des Angeklagten Sh. ist das Urteil im Strafausspruch für diesen Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben. Im Übrigen sind die Rechtsmittel der Angeklagten Sc. und Sh. unbegründet. Die Revision des Angeklagten Z. ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Zeuge B. war ohne Vermögen, Einkommen und Wohnung. Er nutzte seine Lebensgefährtin aus, bis deren Girokonto ins Soll geriet. Danach nahm er von dem Angeklagten Sh. mit falschen Angaben über dringenden Geldbedarf Darlehen von zuletzt 3.500 € auf und vertröstete diesen mehrfach hinsichtlich der Rückzahlung. Schließlich tauchte B. unter. Im Sommer 2019 fand er Unterschlupf bei dem Angeklagten Sc., den er ebenfalls ausnutzte. Ende August 2019 warf Sc. den Zeugen B. aus seiner Wohnung. Als danach Rechnungen für Waren und Dienstleistungen eintrafen, die der Zeuge B. unter dem Namen des Sohnes des Angeklagten Sc. bestellt hatte, trachtete der Angeklagte Sc. danach, B. zur Rede zu stellen. Dann lernten sich Sc. und Sh. kennen, die beiden den Zeugen B. „erwischen“ wollten. Davon erfuhr der Angeklagte Z., der sich anbot, B. in einen Hinterhalt zu locken. Dazu sollte über das soziale Netzwerk „facebook“ ein Treffen für ein angebliches Drogengeschäft vereinbart werden. Der Angeklagte Sc. zog den Angeklagten Sk. als Verstärkung hinzu und beschaffte Klebeband sowie eine Gartenschere. Ferner sorgte er für eine Mitfahrgelegenheit der Angeklagten Z. und Sk. durch einen unbekannt gebliebenen Fahrzeugführer. Sh. rüstete sich mit einer geladenen Schreckschusspistole aus.

Am 3. November 2019 kam der Zeuge B. gegen 17.00 Uhr zu dem vereinbarten Treffpunkt am Rondell in R. Der „Lockvogel“ Z. erschien verspätet gegen 18.00 Uhr. Die Angeklagten Sc. und Sk. legten sich in der Nähe auf die Lauer, während Sh. in einem Transporter wartete. Z. erklärte B., dass er seine Freundin abholen wolle. Damit lockte er B. zu einem Fahrradweg. Als Z. sagte: „Ah, hier geht es ja gar nicht lang“, drehte sich B. um und sah Sc. und Sk. herbeilaufen. Der Angeklagte Sc. schlug dem Zeugen B. mit der Faust gegen den Kopf. Dann entfernte sich Z. vom Tatort. B. lag benommen am Boden und wurde von Sc. mit der Gartenschere geschlagen. Außerdem drohte Sc. dem Geschädigten, ihm einen Finger abzuschneiden, und nahm ihm das Mobiltelefon ab. Dann erschien Sh., zückte seine Schreckschusspistole, lud diese durch und hielt sie B. an den Kopf. Mit der Gewaltanwendung und ihren Drohungen erreichten die Angeklagten, dass B. ihnen seine Wohnanschrift und den Namen seiner Mutter sowie seines Bruders nannte. Sc. fesselte ihm die Hände. Dann wurde B. in den Transporter verbracht. Sh. fuhr damit zur“ hütte“ in G., wohin Sc. und Sk. folgten. In der Hütte schlug Sh. dem Geschädigten mit einem Holzstock gegen den Oberschenkel, sodass er zu Boden ging. Sc. und Sh. hoben den Geschädigten hoch und setzten ihn auf eine Bank, wo ihm Sc. mit der Faust gegen den Kopf schlug. Dann drückten Sc. und Sh. Zigaretten im Gesicht des Geschädigten aus. Sc. behauptete, dass B. dem Angeklagten Sh. 4.000 € und ihm selbst 2.500 € schulde. Er setzte B. die Gartenschere an den kleinen Finger und forderte von ihm, bis zum 15. Dezember 2019 insgesamt 10.000 € zu zahlen. Den Angeklagten war bewusst, dass sie die Zahlung einer Summe verlangten, welche die vermeintlichen „Schulden“ des Geschädigten wesentlich überstieg. Eine Rate von 4.000 € sollte B. schon am Folgetag übergeben. Der verängstigte Geschädigte erklärte sich dazu bereit. Die Angeklagten glaubten, sie hätten eine „verbindliche Zahlungszusage“ erlangt. Gleichwohl terrorisierten sie B. weiter. Sh. schlug ihm mit dem Holzstock gegen die Rippen. Während Sc. und Sh. rauchten, wies Sc. den Angeklagten Sk. an, einen im Fahrzeug mitgebrachten Hund aus dem Auto zu holen. Sc. verlieh seiner Zahlungsforderung dadurch Nachdruck, dass er B. androhte, bei Nichtzahlung werde er das Tier, an dem dieser hing, nicht lebend wiedersehen. Dann schlug Sc. den Geschädigten mit der Faust. Danach holte er erneut die Gartenschere hervor, setzte sie an einen Finger des Geschädigten an und fragte Sh., „ob er doch einen abmachen soll“. Davon ließ er sich durch Zureden der anderen abbringen. Er befahl B., die persönliche Identifikationsnummer für das Mobiltelefon anzugeben. Damit löschte Sc. alle Daten und setzte dieses auf die Werkseinstellung zurück. Danach löste er die Fesseln. Der Angeklagte Sc. verlangte schließlich noch spontan die Herausgabe der Herrenhandtasche des Zeugen B. Sc. leerte den Inhalt aus und behielt die Tasche als „Souvenir“ für seinen Sohn. Abschließend drohte er dem Geschädigten, dass er ihn suchen und finden werde, „wenn das morgen nicht klappen“ sollte. Dann fuhren die Angeklagten davon. Zu einer Geldübergabe kam es in der Folgezeit nicht.

2. Das Landgericht hat den Angeklagten Sh. und Sk. die von Sc. begangene schwere räuberische Erpressung durch Nötigung zur Herausgabe der Handtasche nicht zugerechnet. Diese Handlung sei nicht vom Tatplan umfasst gewesen. Ihr planmäßiges Ziel hätten sie mit dem abgenötigten Zahlungsversprechen des Zeugen B. erreicht. Der Angeklagte Sk. sei nur als Handlanger tätig geworden. Die Angeklagten hätten sich des Zeugen B. schon bei dem Überfall am Rondell bemächtigt und dort ein Zwischenziel erreicht, indem sie ihn zur Preisgabe der Adresse seiner Angehörigen genötigt hatten. Damit hätten sie bereits eine Geiselnahme begangen, die hinter erpresserischem Menschenraub zurücktrete, der das „Endziel“ einer verbindlichen Zahlungszusage verfolgt und erreicht habe.

II.

1. Der Schuldspruch wegen erpresserischen Menschenraubs durch die Angeklagten Sc. und Sh. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Nach § 239a Abs. 1 StGB wird unter anderem bestraft, wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl zu einer Erpressung auszunutzen. Zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart bestehen, dass der Täter das Opfer während der Dauer der Zwangslage erpressen will. Sieht der Tatplan vor, dass die Leistung, die der Täter erpressen will, erst zu einem Zeitpunkt erfolgen soll, zu dem die Bemächtigungslage beendet ist, fehlt es an der Absicht des Ausnutzens der Bemächtigungslage zur Begehung einer Erpressung (vgl. Senat, Beschluss vom 8. April 2005 - 2 StR 111/05, NStZ 2005, 508; BGH, Urteil vom 14. Januar 1997 - 1 StR 507/96, NJW 1997, 1082; Beschlüsse vom 27. Mai 2008 - 4 StR 150/08, NStZ 2008, 569, 570; vom 20. September 2007 - 4 StR 334/07, NStZ-RR 2008, 109, 110; vom 2. Oktober 1996 - 3 StR 378/96, StV 1997, 303; vom 14. Mai 1996 - 4 StR 174/96, StV 1997, 302, 303; vom 28. November 1995 - 4 StR 641/95, NStZ 1996, 277).

Da die Erpressung auf eine vermögensrelevante Handlung, Duldung oder Unterlassung des Opfers abzielt, muss im Fall des § 239a StGB nach der Vorstellung des Täters eine solche während der Bemächtigungslage stattfinden. Dazu kann etwa die Abgabe eines notariell beglaubigten Schuldanerkenntnisses genügen (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2013 - 3 StR 119/13, NStZ 2014, 316, 317). Jedoch reicht eine formlose Zahlungszusage mangels Vermögensrelevanz nicht aus. Der vom Landgericht hervorgehobene Umstand, dass die Angeklagten Sc., Sh. und Sk. vom Vorliegen einer „verbindlichen“ Zahlungszusage des Geschädigten ausgegangen sind, genügt insoweit nicht, weshalb der Tatbestand des erpresserischen Menschenraubs nicht erfüllt wurde.

Etwas anderes kommt auch für den Angeklagten Sc. nicht deshalb in Betracht, weil er dem Geschädigten zuletzt die Handtasche abgenötigt hat. Das entsprach nicht dem gemeinsamen Tatplan.

b) Die Angeklagten Sc. und Sh. haben jedoch eine Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB begangen. Davon als subsidiärem Tatbestand ist schon das Landgericht im Hinblick auf die anfängliche Nötigung des Geschädigten zur Angabe seiner Adresse und derjenigen seiner Angehörigen ausgegangen. § 239b Abs. 1 StGB ist jedoch aus einem anderen Grund anstelle des vom Landgericht angenommenen erpresserischen Menschenraubs verwirklicht.

Bei einer Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB muss zwischen der Entführung oder Bemächtigung des Opfers und der qualifizierten Nötigung ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang in der Weise bestehen, dass der Täter das Opfer während der Dauer der Zwangslage nötigen will und die abgenötigte Handlung während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (vgl. Senat, Beschluss vom 12. September 2013 - 2 StR 236/13, BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 2; BGH, Beschluss vom 6. August 2013 - 3 StR 175/13, NStZ 2014, 38). Eine während der Bemächtigung des Opfers vollendete Nötigung ist auch gegeben, wenn der Täter mehrere Verhaltensweisen des Opfers erstrebt, die er zwar nicht sämtlich schon während der Bemächtigungslage realisieren will, von denen er aber zumindest eine Handlung des Opfers in dieser Phase herbeiführt, wenn darin aus seiner Sicht eine bedeutende und eigenständige Vorstufe zu dem angestrebten Erpressungserfolg zu erblicken ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2017 - 1 StR 532/16, NStZ-RR 2017, 176 f.; vom 17. Dezember 2019 - 4 StR 542/19, NStZ 2020, 667, 668). Ebenso kann eine beliebige Handlung, Duldung oder Unterlassung einen Nötigungserfolg auch im Sinne von § 239b StGB darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2005 - 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36, 37). Deshalb kann zum Beispiel ein abgenötigtes „Ehrenwort“ des Geschädigten genügen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1997 - 1 StR 507/96, BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 1). Ein solches Nötigungsziel haben die Angeklagten während der Bemächtigung des Geschädigten erreichen wollen und erreicht, indem sie ihm eine aus ihrer Sicht „verbindliche Zahlungszusage“ abgenötigt haben, die auf eine Teilleistung von 4.000 € am Folgetag und spätere Zahlungen - insgesamt von 10.000 € - gerichtet war.

c) Der Senat ändert den Schuldspruch für die Angeklagten Sc. und Sh. deshalb dahin, dass sie anstelle des tateinheitlich begangenen erpresserischen Menschenraubs der Geiselnahme schuldig sind. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil die Angeklagten, die zumindest Teilgeständnisse abgelegt haben, sich nicht anders als geschehen hätten verteidigen können. Auch die Geiselnahme steht in Tateinheit mit den bei der Herstellung der Bemächtigungslage oder während ihres Bestehens erfüllten weiteren Tatbeständen.

d) Die Schuldspruchänderung ist gemäß § 357 StPO auf den Angeklagten Sk. zu erstrecken, da er von dem Rechtsfehler in gleicher Weise betroffen ist. Er hat daher nicht Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub, sondern zur Geiselnahme geleistet.

2. Hinsichtlich der Strafzumessung gilt Folgendes:

a) Der Strafausspruch für den Angeklagten Sc. bleibt von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Die vom Landgericht verhängte Strafe überschreitet die für die Geiselnahme geltende Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe nur geringfügig. Daher schließt der Senat aus, dass sich die Schuldspruchänderung auf die Strafzumessung ausgewirkt hätte. Eine Strafrahmenmilderung gemäß § 239b Abs. 2 i.V.m. § 239a Abs. 2 StGB kommt aus den vom Landgericht genannten Strafzumessungsgründen ersichtlich nicht in Betracht.

b) Die Strafzumessung für den Angeklagten Sh. weist einen weiteren Rechtsfehler auf, der zur Aufhebung des Strafausspruchs nötigt.

Das Landgericht hat ausgeführt: „Auch wenn ihm die Wegnahme der Gucci-Tasche durch den Angeklagten Sc. nicht zuzurechnen war, war gleichwohl zu sehen, dass er bis zum Schluss in der Hütte geblieben war. Dem weiteren Geschehen hätte er sich problemlos entziehen können, weil er mit einem eigenen Fahrzeug gefahren war.“ Dies lässt besorgen, dass das Landgericht dem Angeklagten Sh. im Ergebnis auch ein Verhalten angelastet hat, das wegen des Mittäterexzesses des Angeklagten Sc. für ihn strafrechtlich nicht relevant ist.

c) Hinsichtlich des Angeklagten Sk. schließt der Senat aus, dass sich die Schuldspruchänderung auf die Verhängung der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten innerhalb des vom Landgericht doppelt gemilderten Strafrahmens ausgewirkt hätte.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 847

Externe Fundstellen: NStZ 2022, 41; StV 2022, 389

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß