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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 496

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 574/19, Urteil v. 12.08.2020, HRRS 2021 Nr. 496


BGH 2 StR 574/19 - Urteil vom 12. August 2020 (LG Köln)

Totschlag; Vorsatz (bedingter Tötungsvorsatz: Maßstab der vorzunehmenden Gesamtschau).

§ 212 StGB; § 15 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Ziels Willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet (Willenselement), mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein. Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich handelt, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls erfolgen, in welche insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind.

2. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement dar. Hat der Täter eine offensichtlich äußerst gefährliche Gewalthandlung begangen, liegt es - vorbehaltlich der in die Gesamtbetrachtung einzustellenden gegenläufigen Umstände des Einzelfalls - nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkannt und, indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln begonnen und fortgesetzt hat, den Todeserfolg auch billigend in Kauf genommen hat. Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind jedoch keine allein maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Angeklagter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalls an.

3. Auch der Täter findet sich mit dem Eintritt des Todes seines Opfers ab, dem der Erfolgseintritt gleichgültig oder an sich unerwünscht ist.

Entscheidungstenor

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 18. Juli 2019 wird verworfen.

2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet, der Angeklagte hätte wegen eines versuchten Tötungsdelikts in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer höheren Strafe verurteilt werden müssen. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen verließen der nicht vorbestrafte Angeklagte und seine zwei Freunde am 11. Januar 2019 gegen 1.40 Uhr in ausgelassener Stimmung eine Gaststätte. Der Angeklagte spürte seine „erhebliche und außergewöhnliche Alkoholisierung“ und legte sich ohne erklärbaren Grund auf die Motorhaube eines vor dem Lokal geparkten Kraftfahrzeugs.

Zeitgleich verließen der Nebenkläger und sechs weitere Personen - ebenfalls nach vorangegangenem Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum - ein anderes Lokal. Der Nebenkläger sah, dass der ihm unbekannte Angeklagte auf der Motorhaube eines Kraftfahrzeugs lag. Spontan sprach er den Angeklagten auf sein Verhalten an, worauf sich dieser sofort „angegriffen“ fühlte und etwas „Beleidigendes“ zurückbrüllte. Nach einem verbalen Schlagabtausch lief der Angeklagte in „sehr gereizter Stimmung“ auf die Gruppe um den Nebenkläger zu. Dort kam es zu einem Wortgefecht mit dem bis dahin am Streit nicht beteiligten Zeugen M. .

Der Angeklagte packte M. am Kragen, woraufhin der Nebenkläger versuchte, den Angeklagten wegzuziehen; zwischen beiden kam es sodann zu einer Rangelei. Die Freundin des M. ‘, die Zeugin H., die die Angelegenheit verbal schlichten wollte, wurde vom Angeklagten angehoben und „mit Wucht nach hinten“ geschubst. Sie fiel auf den Rücken zu Boden und zog sich dabei eine schmerzhafte Rippenprellung zu.

„In dieser Situation bzw. unmittelbar“ danach bekam der Angeklagte einen Schlag von hinten gegen den Kopf, der „naheliegend“ von dem Nebenkläger ausgeführt wurde, möglicherweise aber auch von M., der sich zwischenzeitlich in einer Auseinandersetzung mit einem Begleiter des Angeklagten befunden hatte. Der Angeklagte ging daraufhin zu Boden, wobei sein Messer, das er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Installateur stets mit sich führte, aus seiner Jackentasche fiel. Der Angeklagte ergriff sein Messer, klappte die einseitig geschliffene Klinge mit einer Länge von 9,3 cm auf und „fuchtelte“ mit nach oben gerichteter Klinge kreisförmig um sich herum, wobei er sich selbst an der linken Hand verletzte. Zudem brüllte er lautstark, „wer will jetzt, wer will jetzt“ und bewegte seinen Kopf hin und her.

Der Zeuge E., der aus größerer Entfernung die vorangegangene Rangelei beobachtet und gesehen hatte, dass die Zeugin H. auf dem Boden lag, sprintete in den Kreis der Beteiligten, ohne jedoch wahrgenommen zu haben, dass der Angeklagte ein Messer in der Hand hielt; er „versuchte, den Angeklagten anzuspringen und ihn sodann wegzutreten“. E. touchierte den Angeklagten jedoch nur leicht, wodurch dieser ins Straucheln geriet. Danach standen sich der Angeklagte und E. gegenüber. Der Nebenkläger, der gesehen hatte, dass der Angeklagte ein Messer in der Hand hatte, kam nun näher, um E. zu helfen und den Angeklagten zu entwaffnen. Der Angeklagte, der zu diesem Zeitpunkt eine maximale Blutalkoholkonzentration von 2,36 ‰ aufwies, führte „ungezielt und nicht mit vollem Kraftaufwand mindestens fünf Stiche in Richtung“ des Nebenklägers und des eng bei ihm stehenden E. aus, die ihre Positionen und ihre Körperhaltungen jedoch ständig veränderten und ihre Arme in Abwehrhaltung hochhielten.

Der Angeklagte traf den Nebenkläger in dieser Situation insgesamt drei Mal, wobei ein Stich nur dessen Windjacke rissartig beschädigte. Ein Stich traf den Nebenkläger oberflächlich etwa 4 cm unterhalb der linken Brustwarze und verlief schräg etwa 4 cm lang; ein weiterer Stich drang an der rechten Brustseite etwa 8 cm unter der rechten Achselfalte in den Körper des Nebenklägers ein und eröffnete den Brustkorb, was zu einem Pneumothorax führte. Den Zeugen E. traf der Angeklagte mit dem Messer oberflächlich mit einer Länge von jeweils etwa 2 cm an der rechten Flanke des Brustkorbs und am oberen Rücken auf der rechten Schulterblattspitze.

Die dem Nebenkläger und E. zugefügten Stiche waren abstrakt lebensgefährlich. Die Verletzungen sind folgenlos verheilt.

Der Angeklagte wandte sich sodann wieder M. zu, weil dieser ihn „mit den Worten ‚Du willst meine Freundin ficken - fick mich‘“ anschrie und somit die Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Er setzte dem fliehenden Zeugen nach „und schrie dabei wiederholt: ‚Ich mach Dich fertig, ich bring Euch um‘“. Der Angeklagte fokussierte sich in der weiteren Folge des Geschehens auf verschiedene Beteiligte aus der Gruppe um den Nebenkläger, darunter auch auf den Nebenkläger und den Geschädigten E., je nachdem, wer von diesen in sein Blickfeld geriet und die Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte. Zu weiteren Verletzungshandlungen kam es nicht, da der Angeklagte alsbald von alarmierten Polizeikräften festgenommen wurde.

II.

1. Trotz des umfassenden Aufhebungsantrags ist die Revision der Staatsanwaltschaft nach ihrer Begründung wirksam auf den Messerangriff zum Nachteil des Nebenklägers und des Geschädigten E. beschränkt und erfasst damit auch den Gesamtstrafenausspruch.

2. Die Würdigung der Strafkammer, der Angeklagte habe gegenüber dem Nebenkläger und dem Geschädigten E. mit Körperverletzungs-, nicht hingegen mit - auch nur bedingtem - Tötungsvorsatz gehandelt, weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.

a) Die Strafkammer hat ihre Feststellung, der Angeklagte habe während des gesamten Tatverlaufs zwar mit Verletzungsvorsatz, jedoch nicht mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, u. a. auf folgende Wertungen gestützt:

Für ein billigendes Inkaufnehmen des Todes des Nebenklägers spreche das äußere Tatbild, die objektive Gefährlichkeit des Messers und insbesondere, dass die Stiche in den Bereich des - für lebensgefährliche Verletzungen anfälligen - Oberkörpers erfolgt seien. Andererseits sei das sehr dynamische Tatgeschehen sowie der Umstand zu sehen, dass der Angeklagte die Stiche gegen beide Geschädigte in schneller Abfolge, ungezielt und nicht mit vollem Krafteinsatz ausgeführt habe. Aus der einzigen in die Tiefe reichenden und brustkorberöffnenden Stichverletzung beim Nebenkläger ließe sich kein Rückschluss auf einen Tötungsvorsatz ziehen, weil das tiefere Eindringen auch durch die Bewegungen des Nebenklägers während des dynamischen Geschehens befördert worden sein können. Gegen eine billigende Inkaufnahme des Todes spreche auch, dass der „in seiner Schuldfähigkeit erheblich beeinträchtigte, durch Alkohol enthemmte und spontan aufgrund einer emotionalen Überreaktion handelnde Angeklagte, der sich aus seiner Sicht einer Übermacht ‚erwehren‘ musste, sich der Gefährlichkeit seines Tuns im Tatzeitpunkt nicht bewusst“ gewesen sei.

Überdies fehle das Willenselement des bedingten Vorsatzes. Denn das Tatgeschehen, bei dem der Angeklagte sich gegen den Nebenkläger und den Zeugen E., die unmittelbar vor ihm gestanden hätten, zur Wehr habe setzen wollen, „spricht in hohem Maße dagegen, dass er deren Tod billigend in Kauf genommen hat“, es läge vielmehr nahe, dass er auf einen für die Geschädigten glücklichen Ausgang vertraut habe.

b) Diese Erwägungen der Strafkammer sind nicht zu beanstanden.

aa) Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Ziels Willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet (Willenselement), mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 15. Januar 2020 - 2 StR 304/19, juris Rn. 14; Beschluss vom 30. Juli 2019 - 2 StR 122/19, juris Rn. 15, jew. mwN). Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich handelt, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen (BGH, Urteil vom 31. Januar 2019 - 4 StR 432/18, juris Rn. 10). Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls erfolgen (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2020 - 2 StR 304/19, aaO; BGH, Urteil vom 31. Januar 2019 - 4 StR 432/18, aaO), in welche insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582).

Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement dar (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juli 2016 - 4 StR 558/15, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 67, und vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444 mwN). Hat der Täter eine offensichtlich äußerst gefährliche Gewalthandlung begangen, liegt es - vorbehaltlich der in die Gesamtbetrachtung einzustellenden gegenläufigen Umstände des Einzelfalls - nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkannt und, indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln begonnen und fortgesetzt hat, den Todeserfolg auch billigend in Kauf genommen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 7. Juli 2016 - 4 StR 558/15, aaO; vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 360/11, NStZ 2012, 207, 208 mwN). Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind jedoch keine allein maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Angeklagter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. Senat, Beschlüsse vom 30. Juli 2019 - 2 StR 122/19, NStZ 2020, 288, 289, und vom 26. April 2016 ? 2 StR 484/14, NStZ 2017, 22, 23).

bb) Den sich daraus ergebenden Anforderungen entspricht das angefochtene Urteil.

(1) Das Landgericht hat die gebotene Gesamtschau der bedeutsamen objektiven und subjektiven Tatumstände vorgenommen und dabei insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Verletzungshandlungen (Messerstiche jeweils in den Oberkörperbereich), den Tathergang (spontane, unüberlegte Tat im Rahmen eines unübersichtlichen, dynamischen Geschehens) und die psychische Verfassung des Angeklagten (äußerst angeheizte Stimmung, erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit und alkoholische Enthemmung) umfassend bedacht. Bei seiner Bewertung der Beweistatsachen hat es sich nicht mit allgemeinen, formelhaften Wendungen begnügt; vielmehr hat es seine Überzeugung, der Vorsatz des Angeklagten habe sich jeweils nur auf eine gefährliche Körperverletzung bezogen, mit auf den konkreten Fall abgestellten Erwägungen begründet.

(2) Dass das Landgericht sich keine Überzeugung davon verschaffen konnte, der Angeklagte habe gezielt und mit vollem Krafteinsatz auf die Oberkörper seiner Kontrahenten eingestochen, erweist sich nicht als rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat ausreichende Anknüpfungspunkte für seine Bewertung der - überwiegenden „sehr oberflächlichen“ - Oberkörperstiche zu Grunde gelegt; anhand des in einem Fall festgestellten längeren Stichkanals kann - wie das sachverständig beratene Landgericht näher ausgeführt hat - gerade nicht ohne Weiteres auf eine „volle Kraftentfaltung“ geschlossen werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 - 4 StR 357/12, NStZ 2013, 538, 540 mwN). Die Schlussfolgerungen des Tatrichters brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie - wie hier - möglich sind.

(3) Den Umstand, dass sich der Angeklagte aus seiner Sicht einer Übermacht von zwei Personen „erwehren“ musste, hat das Landgericht bedacht und darin vertretbar kein Indiz für einen Tötungsvorsatz gesehen.

(4) Die Beweiswürdigung erweist sich auch nicht deshalb als rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht bei der Frage, ob der Angeklagte mit Körperverletzungsvorsatz gehandelt hat, ausdrücklich festgestellt hat, dass er um die grundsätzliche Gefährlichkeit von Messerstichen in den Oberkörper wusste. Im Rahmen seiner Erörterungen zum bedingten Tötungsvorsatz hat sich das Landgericht eingehend damit auseinandergesetzt, warum der in seiner Schuldfähigkeit erheblich beeinträchtigte, durch Alkohol enthemmte und spontan aufgrund einer emotionalen Überreaktion handelnde Angeklagte subjektiv nicht von einem Messereinsatz mit tödlichem Ausgang ausgehen musste oder dies billigte.

(5) Die Beweiswürdigung durch die Strafkammer begründet auch nicht die Besorgnis, das Tatgericht habe zu hohe Anforderungen an seine für eine Verurteilung wegen Totschlags notwendige Überzeugung gestellt. Insbesondere hat sie nicht aus dem Blick verloren, dass sich auch der Täter mit dem Eintritt des Todes seines Opfers abfindet, dem der Erfolgseintritt gleichgültig oder an sich unerwünscht ist (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juli 2019 - 2 StR 122/19, juris Rn. 15; Urteil vom 24. April 2019 - 2 StR 377/18, NStZ 2019, 468, 469, jeweils mwN).

3. Die Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf. Das sachverständig beratene Landgericht hat sich eingehend mit den Eingangsmerkmalen des § 20 StGB befasst. Es kommt nach eigener kritischer Prüfung in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis, dass beim Angeklagten zum Tatzeitpunkt eine „mittelgradige Alkoholintoxikation“ im Sinne einer krankhaften seelischen Störung gemäß § 20 StGB vorgelegen habe. Gegen die Wertung, wonach der Angeklagte „zum Tatzeitpunkt in seinem Kritik-, Urteilsund Steuerungsvermögen“ erheblich beeinträchtigt war, ist rechtlich nichts zu erinnern. Insbesondere lässt diese Formulierung nicht besorgen, dass das Landgericht die Anwendung des § 21 StGB damit zugleich auf eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit gestützt haben könnte. Die Verminderung des Urteils- bzw. Kritikvermögens lässt nämlich nicht den Rückschluss zu, dass daraus - strafrechtlich relevant - das Fehlen der Einsicht zu folgern ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2019 - 5 StR 466/18, juris Rn. 10 mwN); einen solchen Schluss hat die Strafkammer auch ersichtlich nicht gezogen.

4. Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten (vgl. § 301 StPO) hat die Überprüfung des Urteils im angefochtenen Umfang ebenfalls nicht ergeben. Soweit die Strafkammer nachteilig in die Strafzumessung eingestellt hat, dass es „aus nichtigem Anlass zu der Tat gekommen ist“, hat sie dem Angeklagten damit nicht das Fehlen verständlicher Motive strafschärfend zur Last gelegt (vgl. Senat, Urteil vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, NStZ 2017, 84, 85; Beschluss vom 15. September 2015 - 2 StR 21/15, NStZ-RR 2016, 40; Urteil vom 9. Oktober 2013 - 2 StR 119/13, NStZ 2014, 512, 513; Beschluss vom 17. April 2012 - 2 StR 73/12, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 37), sondern ersichtlich auf das auffällige Missverhältnis zwischen Anlass und Tat abgestellt. Gegen die Berücksichtigung der Tatmotivation im Sinne einer „aus der Tat sprechenden Gesinnung“ gemäß § 46 Abs. 2 StGB ist rechtlich nichts zu erinnern (Senat, Urteile vom 7. Juni 2017 - 2 StR 30/16, NStZ-RR 2017, 336, und vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, NStZ 2017, 84, 85).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO. Bei Erfolglosigkeit der zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft hat der Nebenkläger die ihm im Revisionsverfahren erwachsenen Auslagen selbst zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 - 4 StR 642/17, juris Rn. 4; Senat, Urteil vom 29. September 2004 - 2 StR 178/04, juris Rn. 13).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 496

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 170

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede