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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 522

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 246/19, Beschluss v. 06.11.2019, HRRS 2020 Nr. 522


BGH 2 StR 246/19 - Beschluss vom 6. November 2019 (LG Neubrandenburg)

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Verknüpfung zur Tateinheit durch nachfolgende Zahlungsvorgänge); Strafrahmenbestimmung (Prüfungsreihenfolge bei Vorliegen eines minder schweren Falles und eines vertypten Milderungsgrundes); Einziehung von Tatprodukten und Tatmitteln (konkrete Bezeichnung der einzuziehenden Gegenstände).

§ 29 Abs. 1 Nr. 2 BtMG; § 31 BtMG; § 74 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führen Überschneidungen der Ausführungshandlungen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dadurch, dass der Kaufpreis für eine Drogenportion ganz oder teilweise erst bei der Übergabe der nächsten Drogenlieferung bezahlt wird, zur gleichartigen Idealkonkurrenz.

2. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden werden. Dem Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterfallen sowohl Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Überlassung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen, als auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge, ohne dass danach differenziert wird, ob der Handelnde als Abnehmer oder als Lieferant tätig wird. Hierbei ist entscheidend, dass sich die Bemühungen des Täters auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen.

3. Sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist auch ein vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl zunächst vorrangig geprüft werden, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zuerst auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen. Vermögen sie die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichten Umständen noch für eine (weitere) Strafrahmenverschiebung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist nach der Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, sind auch die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichten Umstände in die Bewertung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen.

4. Bei jeder Einziehungsentscheidung müssen die einzuziehenden Gegenstände so konkret bezeichnet sein, dass bei sämtlichen Verfahrensbeteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht. Betäubungsmittel sind dabei in ihrer Art und Menge exakt anzugeben.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 19. Dezember 2018

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte M. des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen schuldig ist (Fall II. 1, Fall II. 6 sowie Fälle II. 3 und II. 5 der Urteilsgründe),

b) mit den Feststellungen aufgehoben, aa) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 2 und II. 4 der Urteilsgründe verurteilt ist, auch soweit es den Mitangeklagten Ma. betrifft, bb) im gesamten Strafausspruch, auch soweit es den Angeklagten Ma. im Fall II. 3 der Urteilsgründe bezüglich der Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten und der Gesamtstrafe betrifft, cc) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen, dd) im Ausspruch über die Einziehung von sichergestellten Betäubungsmitteln, Konsumutensilien und dealer-typischen Aufzeichnungen, auch soweit es den Mitangeklagten Ma. betrifft.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 55.000 € und die Einziehung von „sichergestellten Betäubungsmitteln, Konsumutensilien und dealertypischen Aufzeichnungen“ angeordnet. Den nicht revidierenden Mitangeklagten Ma. hat das Landgericht unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten M. hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; sie ist teilweise auf den nicht revidierenden Mitangeklagten Ma. zu erstrecken. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Im Sommer 2017 beschlossen der Beschwerdeführer und der nicht revidierende Angeklagte Ma., zukünftig in der Region W. gemeinsam gewinnbringend mit Betäubungsmitteln im Kilogrammbereich zu handeln. Im Zuge dessen kam es zu folgenden Geschehnissen:

Der Angeklagte erwarb Ende 2017 von einem unbekannten Lieferanten 6,6 kg Marihuana mit einem verfügbaren Wirkstoffanteil von 180 g THC. Er leitete die Betäubungsmittel an den Mitangeklagten Ma. weiter und wies ihn an, das Rauschgift aufgrund seiner minderwertigen Qualität zu vernichten. Dieser Aufforderung zum Trotz übergab der Mitangeklagte Ma. das Marihuana zur Aufbewahrung einem „Bunkerhalter“, dem gesondert verfolgten H., in dessen Wohnung es im Zuge der Ermittlungen sichergestellt werden konnte (Fall II. 1 der Urteilsgründe).

Am 14. Dezember 2017 erwarben der Angeklagte und der Mitangeklagte Ma. in H. 3 kg Amphetamin, 1 kg Marihuana, 100 g Kokain sowie eine unbestimmte Anzahl EcstasyTabletten zum Gesamtpreis von 27.000 €. Die Angeklagten ließen sich das erworbene Rauschgift im Anschluss durch einen Drogenkurier liefern und leiteten es vor dem Weiterverkauf wiederum an den gesondert verfolgten H. weiter, in dessen Wohnung ein Teil dieser Betäubungsmittel später sichergestellt werden konnte. Das sichergestellte Amphetamin hatte einen Wirkstoffanteil von 77,7 g Amphetaminbase, das sichergestellte Ecstasy wies einen Wirkstoffanteil von 197 g MDMA auf (Fall II. 2 der Urteilsgründe).

Auf Veranlassung des Angeklagten übernahm ein Drogenkurier am 14. Februar 2018 in L. 1 kg Marihuana zum Preis von 3.000 € von einem unbekannten Betäubungsmittelhändler und verbrachte es in die Wohnung eines weiteren „Bunkerhalters“, des gesondert verfolgten W., in K. Einige Zeit später nahm der Mitangeklagte Ma. das Rauschgift zum Weiterverkauf an sich (Fall II. 3 der Urteilsgründe).

Am 10. März 2018 übergab der Angeklagte dem Mitangeklagten Ma. 500 g Amphetamin, das zuvor von dem gesondert verfolgten H. vorbereitet und in dessen Wohnung gelagert worden war. Im Anschluss setzte der Mitangeklagte Ma. diese Betäubungsmittelmenge an einen weiteren Rauschgifthändler ab (Fall II. 4 der Urteilsgründe).

Auf Veranlassung des Angeklagten begaben sich zwei Drogenkuriere am 15. April 2018 nach R., um eine bereits vorbestellte Betäubungsmittellieferung entgegenzunehmen sowie bereits entgegengenommene Drogenlieferungen zu bezahlen. Entsprechend der Weisung des Angeklagten bezahlten die Kuriere u.a. die Lieferung von 1 kg Marihuana vom 14. Februar 2018 (Fall II. 2 der Urteilsgründe). Anschließend übernahmen die Drogenkuriere zwei Einkaufstüten mit insgesamt 10 kg Marihuana, das sie für den Angeklagten nach K. zu dem gesondert verfolgten W. verbrachten. Im Zuge der Ermittlungen konnte ein Teil dieser Betäubungsmittelmenge sichergestellt werden (Fall II. 5 der Urteilsgründe).

Auf Veranlassung des Angeklagten übernahm ein Drogenkurier am 21. April 2018 insgesamt 1 kg Marihuana zum Preis von 3.600 € und 1 kg Amphetamin zum Preis von 1.400 € sowie eine unbekannte Menge Testosteron von einem Betäubungsmittelhändler in H. Der Drogenkurier verbrachte die Lieferung nach K., wo sie von dem Angeklagten entgegengenommen wurde (Fall II. 6 der Urteilsgründe).

2. Das Landgericht ist beim Beschwerdeführer M. von sechs rechtlich selbständigen Taten (Fälle II. 1 bis II. 6 der Urteilsgründe) des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgegangen. Bei dem nicht revidierenden Mitangeklagten Ma. hat es unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 1 der Urteilsgründe) sowie drei selbständige Taten des unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II. 2 bis II. 4) angenommen. In den Fällen II. 3 bis 6 der Urteilsgründe ist die Strafkammer „unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlages“ davon ausgegangen, dass der Wirkstoffgehalt der jeweils festgestellten Betäubungsmittelmengen den Grenzwert zur nicht geringen Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) jedenfalls erreicht hat. Präzisere Feststellungen zu einem möglicherweise höheren Wirkstoffgehalt der Rauschgiftmengen hat die Strafkammer nicht zu treffen vermocht. Hieran anknüpfend hat das Landgericht sämtliche Einzelstrafen sowohl für den Beschwerdeführer als auch für den nicht revidierenden Mitangeklagten Ma. dem einfach gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB - unter Annahme des vertypten Milderungsgrundes des § 31 BtMG - entnommen.

II.

Die von dem Beschwerdeführer erhobene Verfahrensrüge im Zusammenhang mit einer Verständigung über die Rechtsfolgen (§ 257c StPO) ist nicht weiter ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) und erweist sich damit als unzulässig.

III.

1. Die umfassende Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge deckt zum Schuldspruch in den Fällen II. 1 und II. 6 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Hingegen bedarf der Schuldspruch im Übrigen der konkurrenzrechtlichen Änderung (Fälle II. 3 und 5 der Urteilsgründe) oder hat keinen Bestand (Fälle II. 2 und 4 der Urteilsgründe). Im Einzelnen:

a) Das Landgericht hat die Rauschgiftlieferungen vom 14. Februar 2018 (Fall II. 3 der Urteilsgründe) und vom 15. April 2018 (Fall II. 5 der Urteilsgründe) als rechtlich selbständige Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bewertet. Jedoch bilden diese Fälle eine Tat im Sinne von § 52 StGB. Sie sind durch die Bezahlung des Kaufpreises der vorangegangenen Lieferung bei der nachfolgenden Drogenlieferung zu Tateinheit verknüpft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führen Überschneidungen der Ausführungshandlungen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dadurch, dass der Kaufpreis für eine Drogenportion ganz oder teilweise erst bei der Übergabe der nächsten Drogenlieferung bezahlt wird, zur gleichartigen Idealkonkurrenz (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Mai 2019 - 2 StR 129/19, juris Rn. 3; Urteil vom 21. Februar 2018 - 2 StR 374/17, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1, 8; Beschluss vom 13. Januar 2016 - 4 StR 322/15, NStZ 2016, 420).

Gemessen hieran führt dies zur Zusammenfassung der Fälle II. 3 und II. 5 der Urteilsgründe zu einer Tat. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. Die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Ungeachtet der Aufhebung des gesamten Strafausspruchs (nachstehend III. 2. und 3.) hat bereits die Schuldspruchänderung den Wegfall der geringeren Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr im Fall II. 3 der Urteilsgründe zur Folge.

b) Die Schuldsprüche in den Fällen II. 2 und II. 4 der Urteilsgründe unterliegen der Aufhebung. Die Bewertung des konkurrenzrechtlichen Verhältnisses der beiden Betäubungsmitteltaten zueinander hält auch hier rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen erweisen sich die in den Fällen II. 2 und II. 4 der Urteilsgründe zugrundeliegenden Handlungen des Angeklagten nicht zweifelsfrei als zwei tatmehrheitliche Delikte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

aa) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden werden. Dem Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterfallen sowohl Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Überlassung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen, als auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge, ohne dass danach differenziert wird, ob der Handelnde als Abnehmer oder als Lieferant tätig wird (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 - 4 StR 223/13, juris Rn. 6, NStZ-RR 2014, 144, 145; Beschluss vom 5. August 2014 - 3 StR 340/14, juris Rn. 5; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 292 f.; LK-StGB/Rissingvan Saan, 13. Aufl., Vor § 52 Rn. 46 ff.). Hierbei ist entscheidend, dass sich die Bemühungen des Täters auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16, juris Rn. 4, NStZ-RR 2017, 218, 219; Urteil vom 26. Februar 1997 - 3 StR 586/96, juris Rn. 10, NStZ 1997, 344; Weber, BtMG, 5. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 595 f.).

Gemessen hieran ist die Annahme einer Bewertungseinheit in den Fällen II. 2 und II. 4 der Urteilsgründe aufgrund der knappen Feststellungen nicht ausgeschlossen. Denn hiernach sind auf Veranlassung des Angeklagten M. und des Nichtrevidenten Ma. im Anschluss an das Betäubungsmittelgeschäft vom 14. Dezember 2017 insgesamt 3 kg Amphetamin in die Wohnung des gesondert verfolgten H. zur Lagerung und Verarbeitung gelangt. Am 10. März 2018 übergab der Angeklagte dem Nichtrevidenten Ma. 500 g Amphetamin, das zuvor in der Wohnung des gesondert verfolgten H. gelagert und verarbeitet worden war. Dieses Rauschgift setzte Ma. im Anschluss gewinnbringend ab. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass diese verkauften 500 g Amphetamin, was nach den Feststellungen nahe liegt, nicht aus der ursprünglichen Erwerbsmenge stammen, die nach dem 14. Dezember 2017 in die Wohnung des gesondert verfolgten H. verbracht worden war. Die Annahme zweier tatmehrheitlicher Delikte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist damit in den Urteilsgründen nicht belegt. Ungeachtet der Aufhebung des gesamten Strafausspruchs (nachstehend III. 2. und 3.) zieht bereits die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II. 2 und II. 4 der Urteilsgründe den Wegfall der hierfür verhängten Einzelfreiheitsstrafen nach sich.

bb) Die Aufhebung der Verurteilung ist gemäß § 357 StPO auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten Ma. zu erstrecken, soweit er wegen der nämlichen Taten verurteilt ist. Der materiellrechtliche Fehler der Bewertung des konkurrenzrechtlichen Verhältnisses, der der Verurteilung des Beschwerdeführers M. in den Fällen II. 2 und II. 4 der Urteilsgründe zugrunde liegt, betrifft den Mitangeklagten Ma. in gleicher Weise.

2. Der gesamte Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand und unterliegt der Aufhebung.

a) Die Aussprüche über die in den Fällen II. 3 bis II. 6 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafen können keinen Bestand haben. Das Landgericht hat es gerade mit Blick auf die festgestellten Wirkstoffmengen versäumt, das Vorliegen minder schwerer Fälle nach § 29a Abs. 2 BtMG zu prüfen. Denn nach den Urteilsfeststellungen ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass in diesen Fällen ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vorliegt, in denen die tatbestandsbegründende Grenzmenge des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG lediglich gerade erreicht und nicht weiter gehend überschritten worden ist. Dies stellt einen gewichtigen Umstand dar, der für die Annahme eines minder schweren Falles sprechen kann, wodurch sich die Kammer zur Prüfung der Voraussetzungen des § 29a Abs. 2 BtMG hätte veranlasst sehen müssen (Senat, Beschluss vom 24. Juli 2012 - 2 StR 166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 39; Beschluss vom 16. Januar 2019 - 2 StR 488/18, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 3. April 2000 - 5 StR 87/00, StV 2000, 620; Patzak/Körner/Volkmer, aaO, § 29a Rn. 129).

aa) Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Strafkammer (auch) in den Fällen II. 3 bis II. 6 der Urteilsgründe zugunsten des Angeklagten den vertypten Milderungsgrund gemäß § 31 BtMG angenommen hat, gilt bei der Strafrahmenbestimmung folgende Prüfungsreihenfolge, die das Landgericht nicht beachtet hat:

Sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist auch ein vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl zunächst vorrangig geprüft werden, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zuerst auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen. Vermögen sie die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichten Umständen noch für eine (weitere) Strafrahmenverschiebung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist nach der Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, sind auch die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichten Umstände in die Bewertung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 11. September 2019 - 5 StR 386/19; Beschluss vom 11. Februar 2015 - 1 StR 629/14, NStZ 2015, 696; Senat, Beschluss vom 8. August 2012 - 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7, 8, jeweils mwN).

bb) Der Senat kann weder ausschließen, dass das Landgericht - bei Beachtung der gebotenen Prüfungsreihenfolge - von einem anderen Strafrahmen ausgegangen wäre, noch, dass es dann zu niedrigeren Einzelfreiheitsstrafen in den Fällen II. 3 bis II. 6 der Urteilsgründe gelangt wäre.

cc) Die Aufhebung ist gemäß § 357 StPO auch auf den nicht revidierenden Mitangeklagten Ma. zu erstrecken, soweit das Landgericht in den Fällen II. 3 bis II. 4 der Urteilsgründe gegen ihn zwei Einzelfreiheitsstrafen von acht Monaten und sechs Monaten verhängt hat. Denn insoweit beruht die Zumessung der Einzelfreiheitsstrafen auf demselben sachlich-rechtlichen Mangel.

b) Der Senat hebt auf die Revision des Angeklagten M. auch die verhängten Einzelfreiheitsstrafen in den Fällen II. 1 und II. 2 der Urteilsgründe auf, um dem neuen Tatrichter im zweiten Rechtsgang eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen.

3. Die Gesamtstrafe hat keinen Bestand, da ihr mit der Aufhebung der Aussprüche über die Einzelstrafen die Grundlage entzogen ist. Auch insoweit ist die Aufhebung der Gesamtstrafe nach § 357 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten Ma. zu erstrecken.

4. Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB) gegen den Angeklagten M. kann ebenfalls keinen Bestand haben. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zu den verkauften Betäubungsmittelmengen einerseits und den sichergestellten Restrauschgiftmengen andererseits ist der von der Strafkammer zugrunde gelegte Gesamterlös von 55.000 € unter Berücksichtigung der jeweiligen Abgabepreise rechnerisch nicht nachvollziehbar.

5. Die Anordnung der Einziehung von Tatprodukten und Tatmitteln (§ 74 StGB) hat gleichfalls keinen Bestand.

a) Bei jeder Einziehungsentscheidung müssen die einzuziehenden Gegenstände so konkret bezeichnet sein, dass bei sämtlichen Verfahrensbeteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht. Betäubungsmittel sind dabei in ihrer Art und Menge exakt anzugeben (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2017 - 5 StR 531/16; Beschluss vom 21. März 2019 - 3 StR 458/18, juris Rn. 10; Beschluss vom 1. Oktober 2019 - 3 StR 382/19, juris Rn. 5; Patzak/Körner/Volkmer, aaO, § 33 Rn. 22; LK-StGB/Lohse, 13. Aufl., § 74 Rn. 50; SSW-StGB/Heine, 4. Aufl., § 74 Rn. 20). Diesen Anforderungen wird der Einziehungsausspruch nicht gerecht, soweit das Landgericht die Einziehung der „sichergestellten Betäubungsmittel, Konsumutensilien und dealertypische Aufzeichnungen“ angeordnet hat. Der Senat kann die erforderliche Anordnung auch nicht entsprechend § 354 Abs. 1 StPO nachholen, weil die hierzu erforderlichen Angaben zu den Einziehungsgegenständen in den Urteilsgründen nicht enthalten sind.

b) Überdies erweist sich die landgerichtliche Entscheidung zur Einziehung auch im Übrigen als rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat ihre nicht näher begründete Entscheidung zwar auf § 74 StGB gestützt; jedoch hat sie keinerlei Feststellungen dazu getroffen, wem die einzuziehenden Gegenstände zuzuordnen sind. Mit Blick auf § 74 Abs. 3 StGB wären diesbezügliche Feststellungen jedoch erforderlich gewesen, da die Einziehung nur in Betracht kommt, soweit die näher zu bezeichnenden Gegenstände dem Täter oder Teilnehmer „gehören oder zustehen“ (BGH, Beschluss vom 2. März 2010 - 3 StR 53/10; Beschluss vom 18. Juli 1996 - 1 StR 386/96, NStZ 1997, 30, 31; Körner/Patzak/Volkmer, aaO, § 33 Rn. 11; LK-StGB/Lohse, aaO, § 74 Rn. 26). Schließlich ist die Urteilsaufhebung insoweit ebenfalls gemäß § 357 StPO auf den nicht revidieren den Mitangeklagten Ma. zu erstrecken, da die Einziehungsentscheidung nach § 74 StGB auch ihm gegenüber auf demselben sachlich-rechtlichen Mangel beruht.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 522

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 317

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner